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„Ausnutzung der Schwäche“

Die Affäre um das Milliardenerbe der Besitzerin des Kosmetikkonzerns L’Oreal, Liliane Bettencourt, beschäftigt Frankreich seit Jahren. Was als Familienstreit begann, brachte zwischendurch auch die Politik bis hinauf zur Staatsspitze in Bedrängnis. Eine Chronologie der Ereignisse:

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2008: Die Tochter der L’Oreal-Hauptaktionärin Liliane Bettencourt, Francoise Bettencourt-Meyers, klagt den Künstler Francois-Marie Banier. Er soll ihrer Mutter über die Jahre fast eine halbe Milliarde Euro in Form von Bargeld, Gemälden und Lebensversicherungen aus der Tasche gezogen haben.

Dezember 2009: Die Tochter scheitert mit ihrer Klage auf Entmündigung ihrer Mutter.

16. Juni 2010: Heimliche Gesprächsaufzeichnungen aus der Bettencourt-Villa tauchen auf, die der frühere Butler der Milliardärin gemacht hat. Aus ihnen soll laut einem Bericht des französischen Internetdiensts Mediapart hervorgehen, dass Bettencourt einen Teil ihres Vermögens am Finanzamt vorbei ins Ausland geschafft hat.

17. Juni 2010: Laut veröffentlichten Ausschnitten der Tonaufnahmen sollen Arbeitsminister Eric Woerth, zugleich Schatzmeister der konservativen Regierungspartei UMP, und weitere Politiker Geld von der Milliardärin erhalten haben. Vor allem aber wird Woerth eine zu große Nähe zu Liliane Bettencourt vorgeworfen. Denn während er bis März als Haushaltsminister für die Verfolgung von Steuersündern zuständig war, hat seine Frau Florence als Finanzberaterin für die L’Oreal-Magnatin gearbeitet.

21. Juni 2010: Bettencourt, die dem Fiskus zwei Konten in der Schweiz mit fast 80 Millionen Euro sowie den Besitz einer Seychellen-Insel verschwiegen haben soll, will ihre Steueraffäre ins Reine bringen. Woerth kündigt an, dass seine Frau ihre Arbeit für Bettencourt aufgeben werde.

27. Juni 2010: Haushaltsminister Francois Baroin erklärt, eine umfassende Steuerprüfung bei der Milliardärin zu veranlassen. Präsident Nicolas Sarkozy stellt sich demonstrativ hinter Woerth, dessen Rücktritt Teile der Opposition fordern.

1. Juli 2010: In Nanterre beginnt der Prozess gegen den Künstler Banier wegen des Familienstreits - und wird sofort vertagt. Medien berichten, dass Woerth als Haushaltsminister eine Steuerrückzahlung von 30 Millionen Euro an Bettencourt genehmigt haben soll. Woerth bestreitet das.

6. Juli 2010: Die frühere Buchhalterin der Milliardärin sagt aus, Woerth habe 2007 eine illegale Parteispende in Höhe von 150.000 Euro für Sarkozys Präsidentschaftswahlkampf von Bettencourts Vermögensverwalter erhalten. Auch Sarkozy selbst habe schon als Bürgermeister des Pariser Nobelvororts Neuilly im Hause Bettencourt Geldumschläge entgegengenommen. Woerth und Sarkozy weisen die Vorwürfe zurück.

7. Juli 2010: Die Justiz nimmt Vorermittlungen zu den Spendenvorwürfen auf.

29. September 2010: Der Kosmetikkonzern L’Oreal löst seine umstrittenen Beraterverträge mit Banier auf. Der „Medienrummel“ um den Fotografen sei „schädlich“ für L’Oreal, so das Unternehmen.

29. Oktober 2010 Die Aufarbeitung der Finanzaffären um Bettencourt wird in die Hände von drei unabhängigen Untersuchungsrichterinnen gelegt.

14. November 2010: Bei einer Kabinettsumbildung verliert Woerth seinen Ministerposten. Dem Gericht von Nanterre wird die Affäre entzogen und an ein Gericht in Bordeaux überwiesen.

1. September 2011: Das Buch „Sarko m’a tuer“ (Sarko hat mich getötet) erscheint. Darin erhebt die Gerichtspräsidentin Isabelle Prevost-Desprez Anschuldigungen gegen Sarkozy. Die ehemalige Krankenpflegerin von Liliane Bettencourt soll ihr bestätigt haben, sie habe gesehen, wie Sarkozy vor seiner Wahlkampagne 2007 Bargeld erhalten habe. Die Krankenschwester hat nach eigenen Angaben Morddrohungen erhalten und zieht später ihre Aussagen zurück.

17. Oktober 2011: Das Vormundschaftsgericht in Courbevoie in Paris stellt Bettencourt unter die Vormundschaft ihres ältesten Enkels Jean-Victor Meyers. Ihr Vermögen soll von Francoise Bettencourt-Meyers und ihren zwei Enkeln verwaltet werden.

Januar 2012: Die Finanzen von Sarkozys Wahlkampagne für die Präsidentschaftswahl 2007 werden von der Justiz untersucht.

8. Februar 2012: Gegen Woerth, Ex-Minister und Schatzmeister der UMP, wird wegen „indirekter Einflussnahme“. ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

22. März 2012: Patrice de Maistre wird vorläufig festgenommen. Die Justiz will von ihm erfahren, ob die mutmaßliche „Schwäche“ von Liliane Bettencourt zur Finanzierung von Sarkozys Kampagne genutzt wurde.

3. Juli 2012: Die französische Justiz durchsucht Sarkozys Wohnung und sein Büro.

Oktober 2012: Die Justiz in Bordeaux vernimmt den Richter Philippe Courroye, den ehemalige Generalsekretär des Elysee, Sarkozys Anwalt und weitere Berater.

21. November 2012: Sarkozy selbst wird in Bordeaux vom Untersuchungsrichter befragt.

22. November 2012: Gegen Sarkozy wird vorerst kein Verfahren eingeleitet. Er wird als „verdächtiger Zeuge“ entlassen.

21. März 2013: Die Justiz nimmt offiziell Ermittlungen gegen Ex-Präsident Sarkozy wegen möglicher finanzieller Vorteilnahme im Wahlkampf 2007 auf.

7. Oktober 2013 Die Untersuchungsrichter lassen die Vorwürfe gegen Sarkozy wegen mangelnder Beweise fallen.

8. April 2014: Ex-Inlandsgeheimdienstchef Bernard Squarcini wird wegen der Bespitzelung eines Journalisten zu einer Geldstrafe von 8.000 Euro verurteilt. Im Sommer 2010 wurde im Zuge der Bettencourt-Affäre auch ein Journalist von „Le Monde“ ausgeforscht, der zum Vorwurf der illegalen Parteispenden für Sarkozy durch die L’Oreal-Milliardärin recherchiert hat. Die Zeitung erstattet Anzeige und wirft Sarkozys Präsidialamt vor, hinter der Bespitzelung zu stecken.

26. Jänner 2015: In Bordeaux beginnt der Prozess zu den Finanzaffären um Bettencourt. Den insgesamt zehn Angeklagten wird insbesondere „Ausnutzung der Schwäche“ Bettencourts vorgeworfen. Auch Woerth steht vor Gericht. Er soll laut Zeugenaussagen im Jahr 2007 von dem damaligen Vermögensverwalter Bettencourts, De Maistre, rund 150.000 Euro für den Wahlkampf Sarkozys erhalten haben. Der Prozessauftakt wird vom Suizidversuch eines Angeklagten überschattet. Bettencourts einstiger Krankenpfleger Alain Thurin hat am Vortag versucht zu erhängen.

20. Februar 2015: Die Staatsanwaltschaft fordert einen Freispruch für Woerth. Es gebe keine „ausreichenden“ Beweise, so Staatsanwalt Gerard Aldige. Dagegen fordert der Staatsanwalt Haftstrafen für Ex-Vermögensverwalter De Maistre und den früheren Bettencourt-Vertrauten und Künstler Banier.

28. Mai 2015: Das Gericht in Bordeaux spricht Woerth in allen Anklagepunkten frei. Es verurteilt aber andere Angeklagte zu Gefängnisstrafen, weil sie Bettencourt Millionenbeträge aus der Tasche gezogen haben. De Maistre und der Anwalt Pascal Wilhelm bekommen eine Haftstrafe von 30 Monaten sowie eine Geldstrafe von 250.000 Euro. Banier wird zu drei Jahren Gefängnis verurteilt und muss 350.000 Euro Strafe und 158 Millionen Euro Schadenersatz zahlen.

Jänner 2016: Auch Bettencourts frühere Butler und fünf Journalisten werden vom Vorwurf der Verletzung der Privatsphäre freigesprochen. Der Diener habe zu keinem Zeitpunkt persönlichen Profit von den auf ihm heimlich gemachten Tonaufnahmen gezogen, sondern damit seine Arbeitgeberin geschützt, erklärt das Strafgericht von Bordeaux. Die Journalisten hätten „ernsthaft“ investigativ gearbeitet und lediglich Auszüge aus den Aufnahmen veröffentlicht, die von Interesse für die Öffentlichkeit gewesen seien.