Gute Aussichten für Polen
Von den 28 EU-Staaten weisen 16 budgetpolitisch eine „weiße Weste“ auf. Sie sind von der EU-Kommission nicht mit einem Defizitverfahren belastet. Zu ihnen gehört auch Österreich. Mit der vorgeschlagenen Entlastung von Malta und Polen dürften bald 18 EU-Staaten kein Verfahren am Hals haben. Deutliche EU-Mahnungen gab es an die Adresse Berlins.
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Die Kriterien für ein maximales Budgetdefizit von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erfüllen neben Österreich noch Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Rumänien, Schweden, die Slowakei, Tschechien und Ungarn. Die Kommission hat in ihren länderspezifischen Empfehlungen nun vorgeschlagen, auch Malta und Polen aus dem „Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits“ zu entlassen. Abgesegnet werden soll das vom nächsten EU-Finanzministerrat.
Frankreich weiter im Defizitverfahren
Für neun Staaten läuft das Defizitverfahren weiter: Kroatien, Zypern, Frankreich, Griechenland, Irland, Portugal, Slowenien, Spanien und Großbritannien. London erhielt wegen des ungenügenden Defizitabbaus eine neue Frist bis zum Budgetjahr 2016/17 zur Korrektur. Finnland, das bisher kein Defizitverfahren hat, ist mit einem solchen aufgrund der jüngsten länderspezifischen Empfehlungen bedroht. In zwei Wochen soll darüber nach einer Analyse der Lage - die Finnen haben aufgrund einer Verschlechterung der Budgetlage mit dem Maastricht-Defizit zu kämpfen - entschieden werden.
Österreicher bei Musterschülern
Bei der Bewertung von makroökonomischen Ungleichgewichten ist Österreich ebenfalls unter den Musterschülern zu finden. Kein Ungleichgewicht haben nur neun weitere EU-Staaten - Dänemark, Estland, Litauen, Luxemburg, Lettland, Malta, Polen, die Slowakei und Tschechien. Eine zweite Gruppe mit sechs Staaten - Belgien, Finnland, Großbritannien, den Niederlanden, Rumänien und Schweden - weist Ungleichgewichte auf, die politische Maßnahmen erfordern.
Deutschland findet sich gemeinsam mit Ungarn in der dritten der insgesamt sechs Kategorien wieder, und hier sind laut EU-Kommission „entschlossene politische Maßnahmen und ein Monitoring“ erforderlich. Noch kritischer sieht Brüssel die Lage in Italien, Spanien und Slowenien, die darüber hinaus auch noch ein „spezifischen Monitoring“ brauchen. Bulgarien, Frankreich, Kroatien, Italien und Portugal weisen gar „übermäßige Ungleichgewichte“ auf, die entschiedene politische Maßnahmen und eine besondere Überprüfung erfordern. Keine Bewertung wurde hier zu den noch unter einem Rettungsschirm befindlichen Ländern Griechenland und Zypern abgegeben.
Empfehlungen für Berlin
Deutschland muss nach Ansicht der EU-Kommission noch stärker investieren, mehr Menschen in Arbeit bringen und das Steuersystem ändern. „Die Behörden können die guten Zeiten nutzen, um weiter Investitionen zu fördern, besonders in die Infrastruktur, Bildung und Forschung“, sagte EU-Vizekommissionschef Valdis Dombrovskis am Mittwoch in Brüssel bei der Vorlage der jährlichen wirtschaftspolitischen Länderempfehlungen.
Brüssel fordert eine leistungsfähigere Gewerbe- und Unternehmensteuer und eine modernere Steuerverwaltung, um auch private Investitionen anzukurbeln. Zudem empfiehlt die Kommission, einen späteren Eintritt in die Pension zu fördern. Dazu solle Berlin hohe Steuern auf Arbeit und Sozialbeiträge senken, vor allem für Niedriglohnangestellte. Minijobbern sollte der Übergang in andere Arbeitsverhältnisse erleichtert werden.
Berlin steuerte bereits um. Die Regierung hatte ein 15-Milliarden-Investitionspaket für Bund und Kommunen von 2016 bis 2018 beschlossen. Der Kommission reicht das aber nicht aus.
Hohe Exportüberschüsse
Auch den Wettbewerb bei Dienstleistungen solle Deutschland ehrgeiziger antreiben. Dafür sollten „ungerechtfertigte Einschränkungen“ wie etwa feste Tarife abgeschafft werden. Die Hürden zu mehr Wettbewerb im Zugsverkehr, vor allem im Personenfernverkehr, soll Berlin ebenfalls aus dem Weg räumen.
Deutschland steht zudem seit Jahren wegen seiner hohen Exportüberschüsse im Visier der EU-Kommission. Der Leistungsbilanzüberschuss dürfte im laufenden Jahr weiter steigen. Die Leistungsbilanz ist eine Art Kassenbuch der Volkswirtschaft, ein Überschuss bedeutet, dass die Wirtschaft mehr produziert, als sie verbraucht. „Eine gute wirtschaftliche Leistung kann nicht bestraft werden“, sagte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici. Überschussländern drohen in Brüssel keine Geldsanktionen. Doch politisch wird der Bilanzüberschuss vor allem von jenen Ländern, die besonders unter den Folgen der Finanzkrise leiden, immer wieder kritisiert.
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