Warten auf UNO-Mandat für Mission
Trotz heftiger Kritik setzt die EU weiterhin auf ihren Plan, mit einer Militärmission gegen Schlepper vorzugehen - lediglich auf See. Bodentruppen und damit ein Einsatz an libyschen Stränden kämen nicht infrage, hieß es bisher aus Brüssel. Unklar ist, ob bei der geplanten Mission „EUNAVFOR Mittelmeer“ auch ein Einsatz an Land infrage kommt.
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Diplomaten zufolge gibt es beim Kampf gegen Menschenschmuggler zahlreiche ungelöste Fragen. Insbesondere die instabile Lage in Libyen bereite der EU Probleme. Mit einem „eindeutigen Nein“ beantwortete die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini die Frage, ob Soldaten zum Einsatz kommen sollen. Bodentruppen und ein Einsatz an libyschen Stränden wurde von Brüssel bisher dezidiert ausgeschlossen. Dem widerspricht der „Guardian“.
Der Fokus liege auf Luft- und Schiffsaktionen im Mittelmeer und in den libyschen Hoheitsgewässern. Um aber das „Geschäftsmodell der Schlepper zu zerstören“, könnten auch Bodenoperationen in Libyen notwendig werden. Das gehe aus dem 19-seitigen Strategiepapier für die EU-Mission in Libyen hervor, das dem „Guardian“ vorliegt: „Eine Präsenz an den Küsten kann ins Auge gefasst werden, wenn es mit den entscheidenden Behörden ein Übereinkommen gibt“, wird aus dem Papier zitiert.
„Hohes Risiko von Kollateralschäden“
Es sei explizit davon die Rede, dass es möglich sei und nicht ausgeschlossen werden könne, Besitztümer der Schlepper, insbesondere ihre Boote, auch „an Land“ zu zerstören. Entscheidend für die Operation seien aber auch das Sammeln und der Austausch von Geheimdienstinformationen. Vorbehaltlich eines UNO-Mandats müssten sich die Militäroperationen auf Aktivitäten in Libyens Gewässern und seinen Küsten fokussieren, berichtete der „Guardian“.
Auch die von Kritikern ins Treffen geführte Gefahr für die Flüchtlinge selbst führt das Strategiepapier an. „Operationen gegen die Schmuggler in Anwesenheit von Migranten bringen ein hohes Risiko von Kollateralschäden, Todesopfer inklusive.“ Aber auch auf hoher See und von der Luft aus, ist das Risiko hoch: Die schwer bewaffneten Milizen in Libyen würden eine ernste Gefahr für in der Nähe operierende Schiffe und Flugzeuge darstellen.
Werben um UNO-Mandat
Am Montag sollen sich die EU-Außenminister auf die Mission einigen. Mogherini erwartet dann grünes Licht für den Militäreinsatz. Beim EU-Gipfel im Juni sollen die Staats- und Regierungschefs den Startschuss geben. Bereits Anfang der Woche warb Mogherini vor dem UNO-Sicherheitsrat um ein UNO-Mandat für die Mission. Während China offenbar auf ein Veto verzichten will, kündigte Russland Widerstand an. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte am Donnerstag, es gehe wohl vor allem um eine geeignete Formulierung. Er gehe davon aus, dass es das UNO-Mandat geben wird, so Steinmeier.
Der Sicherheitsrat müsste für den Militäreinsatz in internationalen Gewässern eine Resolution nach Kapitel 7 der UNO-Charta verabschieden. Diese sieht die Möglichkeit einer militärischen Intervention vor, wenn andere Maßnahmen zur Wiederherstellung des Friedens zuvor erfolglos verlaufen sind. Ohne die Zustimmung des Sicherheitsrates dürften anderenfalls lediglich Schiffe ohne Flagge bzw. bei Zustimmung des Flaggenstaates angegriffen werden.
Ablehnung in Libyen
Auch in Libyen wird die EU nicht mit offenen Armen empfangen. Beide miteinander konkurrierenden Regierungen wiesen die mögliche ausländische Intervention im Kampf gegen Schlepper zurück. Die EU beabsichtige keine Militärintervention in Libyen, sondern einen Marineeinsatz in Zusammenarbeit mit den libyschen Behörden, betonte Mogherini.
In einer ersten Phase werde die EU-Marinemission mit Kriegsschiffen nur Patrouillen auf hoher See im Mittelmeer durchführen und dort auch Rettungs- und Suchaufgaben leisten, auch wenn dies das Mandat nicht explizit vorsehe. In einer zweiten Phase könnten dann Boote von Schleppern in Häfen verfrachtet werden. Erst in einer dritten Phase würde ein Eingriff in libysches Hoheitsgebiet erfolgen, so die EU-Außenbeauftragte.
„Sichere Landeplätze schaffen“
Der Vorschlag von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), im Mittelmeer aufgegriffene Flüchtlinge nach Nordafrika zu überführen, wurde in Brüssel ausgeschlossen. Doch auch die britische Innenministern Theresa May sprach sich dafür aus, Flüchtlingsboote künftig auf dem Mittelmeer zurückzuschicken. Die EU solle sich darum bemühen, „sichere Landeplätze in Nordafrika zu schaffen, unterstützt durch ein aktives Rückführungsprogramm“, so May in einem Kommentar für die Zeitung „The Times“ (Mittwoch-Ausgabe).
Mogherini betonte, die EU sei an die Genfer Flüchtlingskonvention gebunden und könne nicht Menschen in unsichere Gebiete abschieben. Es gelte der völkerrechtliche Grundsatz des „Non-refoulement“ - auf offenem Meer aufgegriffene Flüchtlinge dürften nicht nach Nordafrika zurückgebracht werden. „Wir haben nicht vor, die Genfer Konvention zu missachten“, sagte Mogherini. Das bedeute aber nicht, dass jeder Migrant nach Europa gelangen könne. Auch EU-Kommissionsvize Frans Timmermans betonte: „Die Rückkehr ist ein integraler Bestandteil unseres Plans.“
Experten: Riskanter als EU-Piratenmission
Experten in Brüssel halten die Mission für wesentlich riskanter als den laufenden EU-Einsatz gegen Piraten vor dem Horn von Afrika (Mission „Atalanta“), der gerne als Vorbild herangezogen wird. Während die dortigen Piraten meist lediglich über leichte Waffen verfügen, sind die extremistischen libyschen Milizen, die hinter den Schmugglern stehen, wesentlich besser ausgerüstet. Dennoch gehe man davon aus, dass der Einsatz „zwar schwierig, aber machbar“ sei, sagte ein ranghoher Diplomat in Brüssel. Die EU werde aber „alle nötigen Vorsichtsmaßnahmen ergreifen“.
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