Mogherini vor UNO-Sicherheitsrat
Vor dem UNO-Sicherheitsrat hat die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Montag für ein Mandat für einen Militäreinsatz gegen Schlepper geworben. Schon im Vorfeld wurden Warnungen dagegen laut. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International etwa fürchtet, dass sich durch einen solchen Einsatz die Lage weiter verschärfen werde.
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„Wenn die EU ihre Pläne umsetzt, sitzen die Flüchtlinge vollends in der Falle“, sagte die Generalsekretärin von Amnesty Deutschland, Selmin Caliskan. Es sei entscheidender, dass die EU eine gemeinsame Seenotrettung auf dem Mittelmeer einrichtet, deren Einsatzgebiet bis vor die libysche Küste reicht. Zudem müssten mehr Aufnahmeplätze für Flüchtlinge geschaffen werden.
Angesichts der zunehmenden Gewalt in Libyen forderte Amnesty auch die Nachbarländer Tunesien und Ägypten auf, ihre Grenzen für Flüchtlinge offen zu halten. In einem am Montag veröffentlichten Bericht wies die Menschenrechtsorganisation auf die verheerende Lage der Flüchtlinge in Libyen hin. Flüchtlinge und Migranten würden dort „regelmäßig ausgeraubt, gefoltert, entführt und sexuell missbraucht“.
Fischerboot oder Flüchtlingsboot?
Auch die Caritas sieht die EU-Pläne kritisch: „Wer unterscheidet Fischerboote und Flüchtlingsboote?“, fragte Caritas-Präsident Michael Landau. „Die Konsequenzen werden sein: noch kleinere Boote und eine noch größere Zahl von Toten.“ Wichtiger sei, legale und sichere Zugänge zu Asylverfahren zu schaffen. „Wenn wir die ‚Geschäftsgrundlage‘ der Schlepper (...) zerstören wollen, dann sicher nicht militärisch“, ergänzte Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger. Man müsse die Lebensbedingungen der Menschen an Ort und Stelle verbessern.
Zweifel auch bei EU-Mitgliedern
Auch unter den 28-EU-Mitgliedsstaaten wuchsen die Zweifel an der geplanten Strategie, die Schlepperboote zu zerstören. Befürchtet wird, dass Flüchtlinge etwa bei Luftangriffen auf Schlepperboote versehentlich getötet und sogar gezielt als „menschliche Schutzschilde“ eingesetzt werden, um Schiffe zu schützen.
Die EU will sich dennoch stärker auf den Kampf gegen Schlepper konzentrieren. Schlepperboote sollen noch vor ihrem Einsatz „identifiziert, aufgebracht und zerstört“ werden. Das hatten die EU-Staats- und -Regierungschefs bei einem Krisengipfel beschlossen, nachdem Mitte April über 750 Flüchtlinge vor der libyschen Küste ertranken.
Ziel sei es, das „Geschäftsmodell“ der Schlepper zu zerstören, sagte ein Diplomat in Brüssel. Denn die Flüchtlinge müssen den Menschenhändlern für die Überfahrt nach Europa oft Tausende Euro bezahlen und werden dann in kaum seetüchtige Boote gesetzt. Häufig setzten Schleuser dann selbst einen Notruf ab, um die Flüchtlinge retten zu lassen, so der Diplomat.
UNO-Mandat notwendig
Mogherini soll diese Militäroperation nun vorbereiten. Denn rechtlich bewegt sich die EU hier auf dünnem Eis. Ohne UNO-Mandat dürften EU-Länder nicht in libyschen Hoheitsgewässern operieren. In Libyen, einem wichtigen Ausgangspunkt für die Überfahrt nach Europa, gibt es bei zwei konkurrierenden Regierungen, Dschihadisten und zahlreichen rivalisierenden bewaffneten Milizen keine Autorität, die einem solchen Einsatz zustimmen könnte. Auch Schiffe, die unter einer Landesflagge auf hoher See fahren, wären für den EU-Einsatz nach internationalem Recht ohne UNO-Mandat grundsätzlich tabu.
Russland gegen Zerstörung der Boote
Die UNO-Vetomacht Russland kündigte Widerstand gegen die EU-Pläne an: „Wir können nichts unterstützen, das so weit geht, die Zerstörung von Schiffen ohne Entscheidung der Justiz oder des Landes zu erlauben, unter dessen Flagge sie fahren“, sagte der russsische EU-Botschafter Wladimir Tschischow. „Das würde gegen internationales Recht verstoßen.“ Er definierte aber schon vor der UNO-Sicherheitsratssitzung einen möglichen Rahmen - in engeren Grenzen. Die Schiffe nur „zu stoppen“ wäre „eine andere Sache“, sagte der russische Diplomat.
Die EU versucht Insidern zufolge jedenfalls schrittweise, die Zusammenarbeit im Kampf gegen die Schlepper zu verbessern, Geheimdienstdaten austauschen, Informationen über die Menschenhändler und ihre Arbeitsweise zu sammeln. Dabei könnten Luftaufnahmen, Radar- und eine gezielte Telefonüberwachung helfen. Geht alles nach Plan, wolle die EU mit der geplanten Mission schon im Juni beginnen, so ein Diplomat: „Die Italiener sind bereit, das Hauptquartier und das Kommando der Operation zu stellen.“
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