NMS nur neues Kürzel für alte Probleme?
Das einstmals zwischen SPÖ und ÖVP umkämpfte Projekt Neue Mittelschule (NMS) ist durch den nun veröffentlichten unerfreulichen Evaluierungsbericht offenbar nicht gefährdet. Die ÖVP machte am Mittwoch klar, dass sie dem Schulmodell weiterhin keine große Liebe entgegenbringt, aber statt einer Kehrtwende vor allem rasche Verbesserungen an bestehenden Mankos fordert.
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ÖVP-Bildungssprecher Harald Mahrer erklärte gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal, vor allem die Schulautonomie und die Elementarpädagogik müssten besser aufgestellt werden. Ein Zurück gebe es zum derzeitigen Moment ohnehin nicht: „In dem Moment, wo ein Schulsystem - die Hauptschule - in die Neue Mittelschule umgewandelt wird, kann man das wie bei einer Operation am offenen Herzen nicht stoppen“ - mehr dazu in oe1.ORF.at.
In Wahrheit ein Konflikt ums Geld
Die SPÖ steht ohnehin weiter zur NMS. Bildungssprecherin Elisabeth Grossmann erklärte per Aussendung ebenso wie gegenüber Ö1, man müsse bei dem an sich richtigen Konzept nur „nachschärfen“ und die Ressourcen effizienter und zielgerichteter einsetzen: „Da müssen wir weitergehen - keinen Schritt zurück, das wäre fatal.“ Ressourcen sollten zudem „auch nach den jeweiligen Herausforderungen am Schulstandort verteilt“ werden, so Grossmann weiter. Mahrer setzte dem die Forderung nach mehr „Autonomie“ entgegen.
SPÖ und ÖVP meinen damit in Wahrheit das Geld und seine Verteilung beziehungsweise Umverteilung. Auch der Bericht offenbarte Schwächen der NMS vor allem bei vormaligen Hauptschulen im urbanen Raum. „Es hat früher sehr gute Hauptschulen gegeben, die tolle Ergebnisse geliefert haben. Die gibt es jetzt auch, nur heißen sie halt Neue Mittelschulen“, meinte Mahrer gegenüber der APA am Mittwoch. „Und es gab welche mit Problemen unterschiedlicher Art. Die heißen jetzt eben auch Neue Mittelschulen.“
„Vielleicht teilweise zu rasch“ umgesetzt
Von Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) gab es fast 24 Stunden lang keine Reaktion zum Evaluierungsbericht. Mittwochnachmittag erklärte sie schließlich in einer Aussendung, die Neue Mittelschule (NMS) sei „ein starkes und gutes Projekt“. Die Evaluierung der Schulform habe „gezeigt, wo noch nachzubessern ist, doch die deutliche Verbesserung des Schulklimas und der Schulkultur zeigen den richtigen Weg“, so die Ministerin. Sie plädiert für eine „Weiterführung und noch bessere Umsetzung“.
Die unterschiedlichen Standpunkte von SPÖ und ÖVP bildeten sich auch in der Landespolitik ab. Im Burgenland verteidigte etwa der Landesschulrat die NMS, während die ÖVP Mängel bei der Umsetzung des Modells durch den Bericht als erwiesen ansah - mehr dazu in burgenland.ORF.at. In der Steiermark gestand SPÖ-Bildungslandesrat Michael Schickhofer aber ein, dass das NMS-Modell „vielleicht teilweise in der Umsetzung zu rasch gegangen“ ist - mehr dazu in steiermark.ORF.at.
Auch Lehrer gegen „Abdrehen“
Die ÖVP-dominierte Lehrergewerkschaft ist allerdings ebenso gegen das „Abdrehen“ der NMS, wie Lehrervertreter Paul Kimberger am Mittwoch betonte. Er zeigte sich darüber hinaus vom schlechten Zeugnis für die NMS wenig beeindruckt. Dieses könne „nur Schreibtischattentäter und manche Theoretiker in den Schulbehörden“ überraschen, so auch Kimberger unter Verweis auf die „Inhomogenität der Gruppen“: Ohne Differenzierung zwischen einzelnen Schulstandorten und deren spezifischen Problemen werde man „nicht auskommen“.
Im Hinblick auf die „überfallsartige flächendeckende Einführung“ der NMS weist der Gewerkschafter darauf hin, dass sich Veränderungen im Bildungssystem nur langsam einstellen. Von vielen Seiten werde ihm allerdings bestätigt, dass sich hier in Bezug auf eine neue Lernkultur vieles entwickle, „aber das braucht noch Zeit“. Auch die Salzburger NMS-Direktorin Edeltraud Fellner meint, für eine Evaluierung sei es so kurz nach der Umstellung noch zu früh - mehr dazu in salzburg.ORF.at.
Experte sieht bildungspolitischen „Blödsinn“
Der Bildungsexperte Stefan Hopmann zeigte sich gegenüber der APA überhaupt überrascht, dass die „Anfangsdelle“ zum Start der NMS laut dem Bericht nicht größer ausfiel. Wer glaube, dass sich durch eine Gesetzesänderung Schülerströme verändern oder kurzfristige Leistungszuwächse erzielen lassen, „ist auf dem falschen Dampfer und versteht nichts von Schule“, so Hopmann. Auch aus seiner Sicht war die Fixierung der NMS als Regelschule im Jahr 2012 „voreilig“ und das Gesetz dafür ohnehin schlicht „blödsinnig“.
Durch das Gesetz seien Sachen „eingefroren und vorgeschrieben worden, die überhaupt nicht notwendig waren und die Schulen direkt daran gehindert haben, zum Teil zu tun, was für den jeweiligen Standort richtig gewesen wäre“, so Hopmann. Misserfolge des Modells nun auf die einzelnen Schulen abzuwälzen, will er nicht gelten lassen. Vielmehr müsse die Politik sicherstellen, dass jede Schule sich „die richtige Lösung schneidern“ könne: „Die sieht nun mal in Simmering anders aus als in Hermagor und dort wieder anders als in Feldkirch.“
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