„Namhafter ukrainischer Beraterclub“
Nach seinem Rücktritt im August ist der frühere Vizekanzler, Finanzminister und ÖVP-Chef Michael Spindelegger weitgehend von der öffentlichen Bildfläche verschwunden. Immer wieder war Spindelegger aber für diverse Jobs im Gespräch - nun wurde er offenbar fündig.
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Am Dienstag wurde beim Kongress „Ukraine Tomorrow“ im Wiener Palais Ferstel nicht nur die neue „Agentur zur Modernisierung der Ukraine“ (AMU), sondern auch Spindelegger als deren Direktor vorgestellt. Dem deutschen Bundestagsabgeordneten Karl-Georg Wellmann - Mitbegründer der Agentur - zufolge werde Österreichs Ex-Vizekanzler als Geschäftsführer und Hauptkoordinator eine zentrale Rolle in seinem neuen Betätigungsfeld spielen.
Spindelegger wird nicht alleiniger AMU-Direktor: „Wir werden drei Geschäftsführer sein“, so Spindelegger zur APA, wobei er neben dem deutschen Unternehmer Udo Brockhausen mit Ex-SPÖ-Innenminister Karl Schlögl gleich einen weiteren ehemaligen österreichischen Politiker nannte. Der heutige SPÖ-Bürgermeister von Purkersdorf sprach laut APA von einem „interessanten Projekt“. Er müsse allerdings mit Spindelegger „noch nähere Gespräche führen und etwa den Arbeitsaufwand klären“, so Schlögl im APA-Telefongespräch weiter: Sein grundsätzliches Interesse habe er aber signalisiert.
„Selbstständiger Unternehmer“
An ihn herangetreten sei man vor drei Wochen, so Spindelegger, „ich wurde dann in das Advisory Board eingeladen, und so haben wir Stück für Stück begonnen, das ganze Projekt aufzusetzen“. Weder über das Budget der Agentur noch über sein eigenes Gehalt wollte der Ex-Vizekanzler ins Detail gehen: „Ich mache das als selbstständiger Unternehmer und werde das, was üblich ist, in die Verhandlungen einbringen.“ Noch habe er keinen Vertrag, der soll in den nächsten Tagen unterschrieben werden.

APA/dpa/Maurizio Gambarini
Laut Medien ebenfalls mit an Bord: Deutschlands Ex-Finanzminister Steinbrück
Neben Spindelegger ist bei dem „namhaften ukrainischen Beraterclub“ (Zitat „Der Spiegel“) gleich eine Reihe weiterer ehemaliger und noch amtierender europäischer Spitzenpolitiker an Bord. Für einzelne Arbeitsbereiche der Agentur wurden unter anderen der ehemalige deutsche EU-Kommissar Günter Verheugen und der frühere französische Außenminister Bernard Kouchner gewonnen. Auch Deutschlands Ex-Finanzminister und ehemaliger Kanzlerkandidat Peer Steinbrück „arbeitet künftig mit ukrainischen Oligarchen“, wie der „Spiegel“ mit Verweis auf die mutmaßlichen Geldgeber weiter berichtet.
„Arbeite nicht für eine Person“
Zu den Hauptinitiatoren der neuen Organisation gehöre auch der französische Philosoph Bernard-Henri Levy. Als Motor der Bemühungen um die neue Ukraine-Agentur wurde der ukrainische, auch von Wien aus operierende Industrielle Dmytro Firtasch genannt. Firtasch, der auch Vorsitzender des ukrainischen Arbeitgeberverbandes ist, ist dem Vernehmen nach auch der Hauptfinancier der Initiative.
„Natürlich“ werde auch Firtasch einen finanziellen Beitrag leisten, sagte Spindelegger: „Aber wir wollen natürlich auch andere gewinnen, diesen Prozess zu begleiten, mitzuarbeiten und auch mitzufinanzieren.“ Firtasch war im Vorjahr in Wien auf einen US-Haftbefehl hin festgenommen und dann gegen eine Rekordkaution von 125 Millionen Euro wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Er wartet nun in Österreich auf eine Entscheidung über seine Auslieferung an die USA. Dort soll ihm wegen Bestechungsverdachts und anderer Vorwürfe der Prozess gemacht werden.
Die Initiative zu der Agentur komme von den ukrainischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden, antwortete Spindelegger auf die Frage, ob er sich nicht dafür hergebe, dass Firtasch sich in Österreich und den USA beliebt machen wolle. „Ich arbeite für die Agentur, nicht für eine Person oder einen Verband“, so der Ex-Minister, „ich weiß auch nicht mehr über das Verfahren (gegen Firtasch, Anm.), als in den Medien geschrieben steht.“ Eingeladen worden sei er von den drei Gründungsmitgliedern der AMU, wobei hier neben Wellmann und Levy auch der britische Oberhausabgeordnete Lord Risby genannt wurde.
„Achillesferse der Promiinitiative“
In Deutschland sorgt die Ukraine-Agentur dennoch bereits für Diskussionen. „Was steckt hinter der Ukraine-Mission?“, fragt etwa der „Spiegel“ mit Blick auf die „Achillesferse der Promiinitiative“ und damit jene „Oligarchen, die eine noch nicht näher quantifizierte Finanzierung zugesagt haben“. Neben Firtasch wurden von dem Magazin dabei nicht nur weitere Namen wie Rinat Achmetow und Wiktor Pintschuk, die ebenfalls zu den Förderern zählen sollen, genannt, mit Verweis auf Wellmann wurde auch gleich die Antwort mitgeliefert. „Salopp gesagt: Wir wollen deren Geld, um unsere Arbeit zu machen“, wird der deutsche Politiker zitiert. Zudem könne man „die Ukraine nicht ohne oder gegen die Oligarchen reformieren“.
„Millionenhilfe von Kiews Tycoons“
„Mit Millionenhilfe von Kiews Tycoons“ soll die neue Agentur nun „die aus den Fugen geratenen Staatsfinanzen in Kiew neu ordnen“, so das deutsche „Handelsblatt“. Wien werde der Zeitung zufolge „erneut zum Schauplatz für den Versuch, Russlands Dominanz im Osten zu schmälern und die Ukraine zu stabilisieren“. Mit Verweis auf das nicht weniger engagierte Pipelineprojekt „Nabucco“, mit dem die Vormacht des russischen Gasmonopolisten Gasprom gebrochen werden sollte, erinnerte das „Handelsblatt“ auch daran, dass „der letzte Versuch, von Wien aus Europa zu verändern, kläglich scheiterte“.
Unklar bleibt die zeitliche Dimension des Engagements: Firtasch sagte, die Agentur solle innerhalb von 200 Tagen einen „Masterplan“ für Wirtschafts-, Steuer- und Verfassungsreformen in der Ukraine ausarbeiten. „Das ist meine Aufgabe“, so Spindelegger, „darauf stelle ich mich ein.“
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