Seit Jahren vergessene Dschihadistin
Für den Islamischen Staat (IS) war Sadschida al-Rischawi seit langem eine Symbolfigur - nach ihrer Hinrichtung in Jordanien dürfte sie der Dschihadistenmiliz nun auch als Märtyrerin gelten. Durch die Versuche des IS, sie in einem Gefangenenaustausch freizupressen, rückte die 44-jährige Irakerin in den vergangenen Tagen ins internationale Rampenlicht.
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Rischawis Freilassung wäre für den IS „ein moralischer Sieg“ gewesen, sagen Experten. Die Miliz hatte zuletzt mit der Tötung des jordanischen Kampfpiloten Muath al-Kasasba und des ebenfalls gekidnappten Japaners Kenji Goto gedroht, sollte die Regierung in Amman Rischawi nicht freilassen. Weil Jordanien als Vorbedingung ein Lebenszeichen des über Nordsyrien abgestürzten Piloten verlangte, verzögerte sich der Austausch. Angeblich war Kasasba zu diesem Zeitpunkt schon seit Wochen tot.
Exekution seit 2006 ausgesetzt
Jordaniens König Abdullah II. deutete erst kurz vor der Veröffentlichung des Videos vom grausamen Mord an Kasasba an, im Austausch für „unseren heldenhaften Piloten“ könne die verhinderte Attentäterin Rischawi nun freikommen. Nach der Veröffentlichung ließ die Antwort Jordaniens nicht lange auf sich warten: Nur Stunden später wurde Rischawi zusammen mit einem weiteren Extremisten hingerichtet. Sie war im Jahr 2005, vier Tage nach einer Anschlagsserie auf drei Hotels in Amman mit 60 Toten, festgenommen worden.
Im April 2006 war Rischawi zum Tode verurteilt worden. In ihren im jordanischen TV übertragenen Geständnissen sagte sie, dass sie es im letzten Moment nicht geschafft habe, den Zünder ihres Sprengstoffgürtels zu betätigen. Gemeinsam mit ihrem Mann, der sich im Radisson-Hotel mitten in einer Hochzeitsfeier in die Luft sprengte, und zwei weiteren Attentätern war sie zu den Parallelanschlägen aufgebrochen. Seither war sie wegen der grundsätzlichen Aussetzung von Exekutionen an Frauen in Jordanien in Haft gewesen.
Enge Verbindungen zu Geburtsstunde von IS
Die Verantwortung für die Gewalt übernahm seinerzeit das Terrornetzwerk Al-Kaida im Irak unter Abu Musab al-Sarkawi, eine sunnitische Salafistengruppe, die sich zum IS entwickelte. Rischawi, von der seit Jahren nicht mehr gesprochen worden war, war „wegen ihrer Verbindungen zu Al-Kaida im Irak und zur folgenschwersten Auslandsoperation dieser Gruppe weiter wichtig“, sagt Aymenn al-Tamini, Forscher am Institut Middle East Forum.
„Sie gehörte zum engen Kreis um Sarkawi, der die Vorläuferorganisation des IS gründete“, sagt auch Hassan Abu Hanieh, ein Experte für islamistische Gruppierungen. „Außerdem ist sie Angehörige eines Sunnitenstamms in der westirakischen Provinz al-Anbar, die heute größtenteils vom Islamischen Staat kontrolliert wird“, fügt er hinzu. Von Bedeutung sei zudem, dass sie „die Schwester eines früheren Kaida-Emirs und engen Sarkawi-Gefolgsmanns ist, der im Kampf starb“, gewesen sei.
„Gefangenenaustausch“ als Hoheitsgeste
„Wegen ihrer moralischen und symbolischen Bedeutung“ habe der IS gezielt Rischawi freibekommen wollen, pflichtet Oraib Rentawi bei, Direktor des Al-Kuds-Zentrums für politische Studien in Amman. „Ihr Name ist direkt mit dem Sarkawis verbunden.“ Der gebürtige Jordanier Sarkawi wurde sieben Monate nach den Anschlägen in Amman bei einem US-Luftangriff nördlich von Bagdad getötet.
Rischawi verbrachte seitdem ihre Tage in einem jordanischen Frauengefängnis mit dem Studium des Koran und im Fernsehraum, wo sie islamische Sender schaute. Der IS wollte mit ihrer Freipressung „wie ein Staat behandelt werden“, sagt Tamini. „Und einen Austausch von Kriegsgefangenen vorzuschlagen - anstelle von Lösegeld, wie es die meisten bewaffneten Gruppen tun - ist auch eine Art, diese Anerkennung zu erlangen.“
William Dunlop, AFP
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