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„Nur Gott quält mit Feuer“

Die in der islamischen Welt geachtete Azhar-Universität in Kairo hat die Gewaltakte der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) scharf verurteilt. Großmufti Scheich Ahmed al-Tajib erklärte am Mittwoch, nach dem Feuertod einer jordanischen Geisel, nur die strengstmögliche Strafe - Kreuzigung, andere Tötungsformen oder die Amputation von Gliedmaßen - sei für IS-Terroristen angemessen.

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Der IS sei eine „teuflische“ Organisation, die einen Krieg gegen Gott führe, wurde Tajib in seiner Auslegung des Koran zitiert. Ihre Barbarei werde von Gott nicht anerkannt. Man müsse die Terroristen daher auf gleiche Weise bestrafen, wie sie ihren Opfern Gewalt antun. Die IS-Extremisten hatten am Dienstag im Internet ein Video veröffentlicht, das die grausame Tötung des seit Dezember als IS-Geisel gehaltenen jordanischen Piloten Muas al-Kasasba zeigt.

Ablehnung auch bei IS-Sympathisanten

Obwohl die Dschihadisten sich auf islamische Rechtsprechungen beriefen, gebe es keinerlei Grundlagen, die diese Art der „Strafe“ rechtfertigen, sagte Tajib. „Das ist ein bösartiger Akt, der von allen Religionen abgelehnt wird.“ Tajib ist Imam der Al-Azhar-Mosche, die zur Universität gehört. Die Al-Azhar ist mit ihrer Rechtsprechung für Millionen Muslime sunnitischer Glaubensrichtung wegweisend. Sunniten kämpfen auch aufseiten des IS. Der Imam sprach dem jordanischen König Abdullah II. und der jordanischen Bevölkerung sein Beileid aus.

Tajib war bei weitem nicht der einzige muslimische Gelehrte, der die Tat mit entsprechenden Worten verurteilte - inklusive solchen, die den Dschihadismus des IS bisher zumindest nicht rundheraus verurteilen wollten. Der wegen islamistischen Terrorismus jahrelang in Jordanien inhaftierte Salafist Abu Sajaf erklärte etwa, der Islam verlange es, Kriegsgefangene gut zu behandeln. Mit der Veröffentlichung des Videos am Dienstag habe sich IS „die Gesellschaft zum Gegner gemacht“.

Christen und Muslime in Trauer vereint

Auch der südjemenitische Religionsführer Scheich Hussein bin Schuaib stellte klar, der Prophet habe sich gegen die Verbrennung von Menschen ausgesprochen. Der saudische Kleriker Salman al-Odah erklärte das Verbrennen von Menschen nicht nur zu einem „abscheulichen Verbrechen“, sondern auch zu Blasphemie: „Nur Gott quält mit Feuer.“ Das Außenministerium des schiitischen Iran erklärte, der brutale Mord an Kasasba habe „weder etwas mit dem Islam noch mit Menschlichkeit zu tun“.

In Jordanien gedachten Muslime und Christen des ermordeten Piloten. Gläubige sprachen am Mittwoch in Moscheen Gebete für das IS-Opfer, berichtete das jordanische Staatsfernsehen. Kirchen ließen ihre Glocken läuten. Die jordanische Regierung ordnete zudem eine dreitägige Staatstrauer an. In der Nacht auf Mittwoch hatte Jordanien bereits das 2006 ausgesprochene Todesurteil gegen die Dschihadistin Sadschida al-Rischawi und einen weiteren islamistischen Terroristen vollstreckt, die IS mit der Gefangennahme von Kasasba freipressen wollte.

Rufe nach Rache

Die Hinrichtung nannte Israels Außenminister Avigdor Lieberman eine „schnelle und kraftvolle“ Antwort auf die Verbrechen des IS. Terror könne „nicht mit Worten und Erklärungen bekämpft werden, sondern nur mit harten Maßnahmen“, so Lieberman. Terroristen müssten „vernichtet und ausgerottet werden“. In Jordanien fordern weite Teile der Bevölkerung wie auch der Politik nun eine demonstrative Politik der Rache gegen IS. Der Politiker Mohammed al-Rousan forderte am Mittwoch im TV: „Lasst uns ihre Kinder töten! Lasst uns ihre Frauen töten!“

Hundert IS-Tötungen in einem Monat

IS hat in Syrien und im Irak seit Anfang des Jahres Berichten zufolge fast 100 Gefangene getötet. Mehreren Opfern schlugen die Extremisten den Kopf ab, andere wurden gesteinigt oder auf öffentlichen Plätzen gekreuzigt. Manchen sei Blasphemie, Prostitution oder Homosexualität vorgeworfen worden, berichtete die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch. Andere habe der IS getötet, weil sie angeblich Spione für das syrische Regime oder ausländische Geheimdienste gewesen seien.

Karte zur Ausbreitung des IS

APA/ORF.at

In Syrien ermordeten die Extremisten laut den Menschenrechtlern mindestens 50 Gefangene. 25 weitere Menschen seien von anderen radikalen Gruppen getötet worden, unter ihnen die Al-Nusra-Front, der syrische Al-Kaida-Ableger. Im Nachbarland Irak berichteten Bewohner von Gebieten unter IS-Kontrolle und Sicherheitskräfte seit Jahresbeginn von 48 Tötungen, darunter zwei Christen, zwei Journalisten und drei Rechtsanwältinnen. Die meisten Opfer wurden in Mossul und im Umkreis der nordirakischen Stadt öffentlich erschossen.

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