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Zwergstaat mit „kreativer Außenpolitik“

Modelabels, Luxushotels, Fußballklubs: Das kleine arabische Emirat Katar ist scheinbar ständig auf Einkaufstour. Katar finanziert außerdem Prestigeobjekte - wie den Londoner Wolkenkratzer „The Shard“ - in den Metropolen der Welt, ist Teilhaber von Energieriesen und wird 2022 mit der Fußballweltmeisterschaft das weltgrößte Sportereignis austragen.

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Hinter den Investitionen Katars steht fast immer die Qatar Investment Authority (QIA), die 2005 gegründet wurde. Alleine 2012 standen dem Staatsfonds durch Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft 30 Mrd. Dollar (22,7 Mrd. Euro) für Investitionen zur Verfügung. Dank seiner Erdöl- und Gasressourcen zählt das nicht einmal 12.000 Quadratkilometer große Emirat am Persischen Golf zu den reichsten Ländern der Welt.

Modelabels, Luxushotels, Fußballklubs

Besonders der Luxussektor hat es dem katarischen Staatsfonds angetan: Unter anderem gehört dem Fonds das Londoner Edelkaufhaus Harrods und ein Anteil am französischen Luxusartikelhersteller LVMH, zu dem u. a. das Modelabel Fendi, die Champagnermarken Moet et Chandon und Dom Perignon und der Uhrmacher TAG Heuer gehören. Die Luxushotels Carlton in Cannes und Royal Monceau in Paris gehören den Katarern ebenso wie der Fußballverein Paris Saint-Germain.

2011 wurde bekannt, dass sich QIA beim Luxusartikelhersteller Tiffany eingekauft hat. Der Investmentfonds sei ohne Kenntnis der Geschäftsführung zum größten Aktionär von Tiffany aufgestiegen, berichtete die „Financial Times“. Zudem stieg der Staatsfonds beim britisch-niederländischen Ölriesen Shell ein. Seit 2012 ist Katar einer der größten Aktionäre beim französischen Energiekonzern Total.

Scheich Hamad Bin Chalifa El Thani und seine Ehefrau Scheicha Mosah

AP/Saurabh Das

Mit Scheich Hamad Bin Chalifa Al Thani begann der Aufstieg Katars

„So viel Lärm aus einer Streichholzschachtel?“

Doch Katar hat nicht nur wirtschaftliche Ambitionen - auch der politische Einfluss steigt immer mehr. Der „Economist“ bezeichnete das kleine Emirat unlängst als „Zwerg mit dem Faustschlag eines Giganten“. Katar entwickle sich immer mehr zu einem internationalen Kraftzentrum, sagte der damalige deutsche Außenminister Guido Westerwelle bei einem Besuch in Katars Hauptstadt Doha.

Als Scheich Hamad Bin Chalifa Al Thani 1995 seinen Vater mit einem Putsch absetzte, sah er sich mit finanziellen Problemen konfrontiert - die Staatskassen Katars waren praktisch leer. Trotzdem schaffte der 1952 Geborene in nur wenigen Jahren solide Grundlagen für die Entwicklung Katars. Dank seiner Fähigkeit, große internationale Firmen für sich zu gewinnen, erhielt er schnell bedeutende finanzielle Garantien und langfristige Verträge für die Errichtung einer Gasindustrie.

Für Aufsehen sorgte der Scheich bereits 1996 mit der Gründung des Nachrichtensenders al-Jazeera, die einer Revolution in der Medienlandschaft der arabischen Welt gleichkam. Kein anderes Massenmedium prägte den „arabischen Frühling“ wie der Sender mit Sitz in Doha. „So viel Lärm aus so einer kleinen Streichholzschachtel?“, soll der mittlerweile gestürzte ägyptische Präsident Hosni Mubarak laut „Economist“ verwundert gefragt haben, als ihm 2001 das Al-Jazeera-Hauptquartier gezeigt wurde.

„Katar ist markenbewusst“

Wegen seiner exponierten Lage am Persischen Golf in unmittelbarer Umgebung des Iran und Irak bemühe sich das Emirat um viele Verbündete - größere und kleinere Staaten, auf die es sich etwa bei UNO-Generalversammlungen verlassen könne, so Jane Kinninmont vom Londoner Thinktank Chatham House im „Guardian“. Shadi Hamid vom Brookings Doha Centre in Washington bescheinigt Katar eine „kreative Außenpolitik“.

Karte der arabischen Halbinsel

APA/ORF.at

Katar liegt im Nordosten der Arabischen Halbinsel am Persischen Golf

Katar sei „sehr markenbewusst“, so Kinnimont, egal ob es um die Finanzierung eines Wolkenkratzers in London oder um die Unterstützung des „arabischen Frühlings“ gehe. Die Herrscherfamilie habe lange Zeit eine „Null-Probleme-Politik“ verfolgt und sich darauf konzentriert, Verbündete zu gewinnen und in Krisenfällen zu vermitteln. Mit dem „arabischen Frühling“ kam die Chance, eine aktivere Rolle zu spielen - und Katar habe diese Chance genützt, so Kinnimont.

Milliarden für Rebellen in Libyen und Syrien

Vor einigen Jahren sagte Katars Innenminister noch, das Land wolle gegen niemanden kämpfen. Im März 2011 schickte das Emirat den Rebellen in Libyen Militärberater und Panzerabwehrraketen sowie sechs Mirage-Jets, um die Luftangriffe der NATO zu unterstützen. Das sei der Wendepunkt in Katars Außenpolitik gewesen, schrieb David Roberts vom britischen Royal United Services Institute (RUSI) im Magazin „Foreign Affairs“.

Demokratiedefizite im eigenen Land

Anfang Juli 2012 erhob Libyens UNO-Botschafter Abderrahman Schalgam in einem Interview mit dem TV-Sender al-Asema schwere Vorwürfe gegen die Herrscherfamilie von Katar: Sie habe versucht, Einfluss auf die Besetzung von Ministerposten in der Übergangsregierung zu nehmen. Kronprinz Tamim bin Hamad al-Thani habe ihm gesagt, sein Land habe während des Krieges gegen die Truppen von Diktator Muammar al-Gaddafi Milliarden gegeben, dafür wolle man nun auch mitreden dürfen bei der Besetzung wichtiger Posten.

Während Katar Demokratiebewegungen in der arabischen Welt mit Milliarden unterstützt, ist das Land selbst eine absolute Monarchie mit äußerst schlanker Kommandostruktur: Neben Scheich Hamad sind das nur sein Cousin und Premierminister Scheich Hamad bin Dschassim al-Thani sowie sein Sohn Tamim, der seit Sommer 2013 der neue Machthaber Katars ist. Der Press Freedom Index von Reporter ohne Grenzen stufte Katar 2014 an Position 113 von 180 ein. Es ist die Rede von massiver Zensur, insbesondere bei systemkritischen Veröffentlichungen. Die Position des Landes hat sich damit in den vergangene Jahren noch verschlechtert.

Romana Beer, ORF.at

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