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Größter Importeur von Schweinefleisch

Italien ist der größte Nettoimporteur für frisches und gefrorenes Schweinefleisch innerhalb der EU. Nur rund die Hälfte des Schweinefleisches, das in Italien verarbeitet wird, stammt aus dem Land selbst. Der Rest kommt vor allem aus der EU, aber auch aus Ländern, die nicht Teil der Union sind wie der Türkei, berichtete der „Corriere della Sera“ unlängst.

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Dabei lasse sich die Herkunft des Fleisches für Spezialitäten wie Posciutto, Salami und Mortadella aber oft nicht feststellen. Für ein mit dem EU-Siegel IGP geschütztes geografisches Produkt ist es ausreichend, wenn eine der Herstellungsstufen - Erzeugung, Verarbeitung oder Herstellung - in einem bestimmten Herkunftsgebiet stattfand. Eine Herkunftsbezeichnung ist es nicht - und damit auch keine Garantie, dass die geschlachteten Schweine nach italienischen bzw. europäischen Standards gezüchtet und gehalten wurden.

Herkunft ohne Einschränkungen

„Es gibt keine geografische Beschränkung bezüglich der Herkunft des Schweinefleisches“, zitiert der „Corriere“ etwa die Produktbeschreibung von Prosciutto di Norcia - eine der bekanntesten der italienischen IGP-geschützten Marken. Exakt angeführt werden bei der Beschreibung die Kriterien, denen die Schweinekeulen in Größe und Eigenschaften entsprechen müssen. Sogar die Zuchtstandards, insbesondere in Bezug auf die Art des Tierfutters, werden bei Norcia laut „Corriere“ aufgelistet, nicht aber die Herkunft des Fleisches.

Salamiwurst neben einem Prosciuttoschinken

AP/J. Scott Applewhite

Die Herkunft des verarbeiteten Schweinefleisches lässt sich oft nicht feststellen

Auch auf den Etiketten anderer regionaler Spezialitäten gebe es keine Herkunftsangaben - auch wenn die Markennamen das oft suggerieren würden. Beispiele dafür sind etwa der luftgetrocknete Schweinenacken Coppa di Parma, der Schweinefuß Zampone von Modena und die Mortadella di Bologna, der Spanferkelbraten Porchetta di Ariccia, der Südtiroler Speck und die Kochwurst Cotechino di Modena.

Schweinefleisch gehöre zu den am wenigsten rückführbaren in Europa, schreibt der „Corriere“ weiter. Im April tritt zwar eine neue EU-Verordnung über die Rückverfolgbarkeit von Schweinefleisch in Kraft, sie betrifft aber - der Rindfleischkennzeichnung entsprechend - nur die Herkunft von frischem Fleisch, nicht aber jene von in Würsten und Salami verarbeitetem Fleisch.

Zu wenige Schweine in Italien

Dass der Gehalt der Salami längst nicht mehr italienisch ist, begründen Produzenten damit, dass der heimische Markt nicht genügend Schweine liefern könne. Laut dem italienischen Statistikamt ISTAT könne Italien nur rund die Hälfte des Schweinefleischbedarfs decken. „In den letzten Jahren haben wir in Italien einen markanten Rückgang der Zahl der Tiere verzeichnet“, klagte die Präsidentin der Schweinefleischzunft im Agrarverband Confagricoltura, Giovanna Parmegiani. 2013 sei die Zahl von 650.000 auf 500.000 gesunken.

Schinkenerzeuger hängt seine Ware zum Reifen auf

Reuters/Stefano Rellandini

Parmaschinken darf nur aus in Norditalien aufgezogenen Schweinen hergestellt werden

Von den geschätzten zwölf Millionen italienischen Schlachtschweinen würden 70 Prozent in Produkten mit dem Schutzsiegel DOC landen - wie etwa dem Parmaschinken, der zur Auflage hat, nur Fleisch aus den Regionen Nord- und Mittelitaliens zu verarbeiten. Bei dem restlichen Fleisch - einschließlich der Waren mit IGP-Stempel - sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man es mit billigerem Importfleisch zu tun hat. „Zwei von drei Schinken, die in Italien verkauft werden, stammen von Schweinen aus den Niederlanden, Dänemark, Frankreich, Deutschland und Spanien, ohne dass das auf dem Etikett aufscheint“, so der Landwirtschaftsverband Coldiretti.

Verschiebung nach Osten

Zugleich verlagere sich die Schweinefleischproduktion zunehmend nach Osten, beobachtet Coldiretti. In den letzten zehn Jahren hätten multinationale Unternehmen in Osteuropa Milliarden in die Schweinefleischindustrie investiert - oft mit der finanziellen Unterstützung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE). Die Unternehmen hätten - angezogen durch niedrigere Produktionskosten, laschere Kontrollen und geringeren Umwelt- und Tierschutzstandards - in die riesigen stillgelegten Fabriken aus der Ära des Kommunismus investiert, um einen Fuß in den EU-Markt zu setzen.

Globalisierung und die Folgen

So habe beispielsweise die US-Firma Smithfield Foods innerhalb weniger Jahre Länder wie Polen und Rumänien buchstäblich „kolonisiert“ und exportiere nun von dort Schweinefleisch in die ganze EU. Zugleich ist Smithfield der größte Aktionär des spanischen Riesen und europäischen Marktführers für verpacktes Fleisch: Campofrio Food Group. Der gewaltige Fleischkonzern besitzt wiederum die bekannte italienische Metzgereimarke Fiorucci. 2013 wurde Smithfield selbst von der chinesischen WH Group, dem weltgrößten Schweinefleischproduzenten, um knapp fünf Milliarden Dollar geschluckt.

Die Globalisierung der Schweinefleischindustrie habe Europa und damit auch Italien viel durchlässiger für die Einfuhr von Fleisch auch außerhalb der EU werden lassen, so der „Corriere“. So beziehe beispielsweise Norcia für seine Schinken- und Wurstwaren Schweine vor allem aus der Türkei, berichtet die Zeitung unter Berufung auf Züchter und Insider. Auch eine Delegation aus der südchinesischen Provinz Yunan habe sich im vergangenen Monat mit lokalen Behörden der umbrischen Stadt getroffen, um, wie der „Corriere“ zitiert, „eine kommerzielle Zusammenarbeit (...) vor allem in der Lieferkette von Schweinefleisch“ zu entwickeln.

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