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Von Goya bis Picasso

„Einige Werke und Dokumente können den Besucher schockieren“ - diese für ein Museum eher ungewöhnliche Warnung ist vor den Eingangstüren zur Ausstellung „Sade. Attaquer le soleil“ (Sade. Die Sonne angreifen) im Pariser Musee d’Orsay zu lesen. Was zu sehen ist? Ein neues Lust- und Gewaltbild in der Malerei, das seine Inspiration in der libertären Lebenshaltung des Autors von „Die 120 Tage von Sodom“ gefunden hat.

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Die Megaschau mit rund 500 Arbeiten von Francisco de Goya, Jean-Auguste-Dominique Ingres, Auguste Rodin, Pablo Picasso, Max Ernst und Hans Bellmer findet zum 200. Todestag des Marquis de Sade statt. Sie dauert bis zum 25. Jänner.

Goya bildet Kannibalen ab, die ihre Opfer vorbereiten; Gustave Courbet zwei nackte, eng ineinander verschlungene Frauen; Paul Cezanne einen Mann, der auf dem Bett eine Frau erdrosselt; Rodin eine Frau, die sich selbst zu befriedigen scheint. Werke, auf denen Bestialität und Lust weitgehend von religiösen, mythologischen oder historischen Motiven befreit sind.

„Zeigen, was man nicht sagen konnte“

Illustriert wird De Sade als Wegbereiter eines von Normen befreiten Bildes von Körperlichkeit, Begierde und Gewalt in der Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts. „De Sade hat das 19. Jahrhundert dazu angeregt, das zu zeigen, was man noch nicht sagen konnte“, erklärte Laurence des Cars, eine der beiden Kuratorinnen.

De Sade hat seinem animalischen Eros freien Lauf gelassen, weswegen seine Bücher oft der Zensur unterlagen. „Wir haben keine Ausstellung gemacht, um zu provozieren“, betonte Des Cars. Der Promoclip ist aber doch provokant: Er zeigt nackte Menschen in einer ästhetischen, aber sinnlich-lasziven Choreografie. Nicht alles, was mit der bildhaften Darstellung von Lust und Gewalt zu tun hat, wird auch ausgestellt. Man habe durchaus „Selbstzensur“ geübt und auf Werke mit päderastischem Charakter verzichtet, präzisierte die Kunsthistorikerin.

„Die Surrealisten erhoben ihn zu ihrem Ahnen“

In der Literatur ist Sade gemeinhin als Inspirationsquelle bekannt. Seine Werke wurden zwar verboten, doch waren zahlreiche illegale Drucke im Umlauf. Autoren wie Charles Baudelaire, Mary Shelley und Joris-Karl Huysmans beriefen sich auf den Verfasser von „Justine oder Vom Missgeschick der Tugend“. In der Kunst sei sein unmittelbarer Einfluss schwerer nachzuweisen. „Nur die Surrealisten erhoben De Sade zu einem ihrer Ahnen“, sagte die Kuratorin. Nach dem Beispiel des französischen Adligen forderten sie unbegrenzte Imaginationsfreiheit und Fantasie.

„De Sade im Orsay-Museum. Warum nicht?“, schreibt Guy Cogeval, der Direktor der Pariser Institution, in dem begleitenden Katalog. Er wagt es, eine Werkschau zu zeigen, auf die der Louvre in letzter Minute verzichtet hatte.

Sabine Glaubitz, dpa

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