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96 gegen 76 Stimmen

Am Dienstag wurde im Nationalrat das Sondergesetz zum Abbau der Hypo Alpe-Adria mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP in einer namentlichen Abstimmung beschlossen. Auch die ehemalige Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP), die im Vorfeld der Abstimmung von einem „Mordsbauchweh“ gesprochen hatte, warf bei der namentlichen Abstimmung einen grauen Zettel, also den zustimmenden, in die Urne.

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96 Abgeordnete stimmten mit Ja, 76 mit Nein. Grünes Licht von Bundespräsident Heinz Fischer und dem Bundesrat stehen allerdings noch aus. Die staatliche Problembank soll nun in eine Gesellschaft übergeführt werden, die ihre giftigen Assets in Milliardenhöhe möglichst wertschonend abbauen soll. Angesiedelt wird die Gesellschaft, die ihre Arbeit im November aufnehmen soll, unter einer Holding im Finanzministerium.

Eine eigene Abbauholding wird auch für die Hypo Italien geschaffen. In der Hypo SEE Holding wird das Balkan-Netzwerk gebündelt, das bis Mitte 2015 laut EU-Vorgaben verkauft sein muss. Dafür gibt es laut Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) heute sieben Bieter. Nachranggläubiger mit Kärntner Landeshaftung werden einem Kapitalschnitt unterzogen (890 Millionen) - trotz Landeshaftung. Neben diesen werden auch die Alteigentümer BayernLB (800 Mio. Euro), Land Kärnten (9,4 Mio. Euro), dessen Landesholding (45,8 Mio. Euro) und Grazer Wechselseitige (9,2 Mio. Euro) einen Beitrag leisten müssen.

Regierung verteidigt Sondergesetz

Vor der Abstimmung hagelte es noch einmal heftige Kritik der Opposition an den Regierungsplänen. Die Opposition warf der Regierung einmal mehr vor, die falsche Lösung für die Hypo durchzusetzen. Sie plädierte für eine Insolvenz der Bank und bekräftigte ihre Forderung nach einem Hypo-U-Ausschuss. SPÖ und ÖVP verteidigten erneut die gewählte Regelung. Der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf (ÖVP) musste mehrmals in den Schlagabtausch eingreifen.

Sondergesetz bringt „wahnsinnig viel Geld“

Das Sondergesetz bringe drei Vorteile, hob Vizekanzler und Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) hervor: Es bringe 1,69 Mrd. Euro Ersparnis für den Steuerzahler, „das ist wahnsinnig viel Geld“, es gebe keine Insolvenz des Bundeslandes Kärnten, und man habe mit dieser Regelung weiter die niedrigsten Zinsen für die Republik.

Spindelegger versuchte erneut die Oppositionsforderung nach einer Insolvenz der Hypo zu entkräften: Folge einer Pleite wäre, dass alle Haftungen des Landes Kärnten schlagend würden, was auch zur Insolvenz des Bundeslandes führen würde - was wiederum „unabsehbare Folgen“ für die Bevölkerung bedeuten würde.

Strache: Hypo-Verstaatlichung ist Kriminalfall

Den Auftakt zur Debatte machte zuvor FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Die Abbaugesellschaft, die SPÖ und ÖVP beschließen wollen, ist für ihn „die schlechteste aller möglichen Lösungen“. Für Strache ist klar, dass es sich bei der Hypo-Verstaatlichung um einen Kriminalfall handelt. Natürlich gehe es darum, „so rasch wie möglich mit der Abbaugesellschaft den Sack zuzumachen, um die Leichen im Keller zu behalten“, so Strache.

Für Strache stellt sich „die Frage, was SPÖ und ÖVP in der Causa Hypo zu verbergen haben“, verwies Strache auf die bisher abgelehnten Anträge auf einen U-Ausschuss, die auf die Notverstaatlichung und die Zeit danach anspielen. Eine „geordnete Insolvenz“ würde den Schaden für den Steuerzahler minimieren, so Strache.

Kogler: „Verbrechen von der Haider-Gang“

Eine „geordnete Insolvenz“ mit Gläubigerbeteiligung hielte auch der Finanzsprecher der Grünen, Werner Kogler, für richtiger. Stattdessen werde nun nur ein kleiner Teil der Gläubiger beteiligt. Er forderte einmal mehr einen Untersuchungsausschuss.

Kogler gestand Spindelegger zwar zu, dass die Sache nicht so einfach sei. Gleichzeitig betonte er in Hinblick auf das „Finanzverbrechen“ aber auch, dass er letztlich einen Schaden von 6.000 Euro pro Familie befürchte. „Ja, es war ein blau-orange organisiertes Verbrechen von der Haider-Gang mit ein paar Gangstern“, aber das entbinde nicht zu schauen, wie die Steuerzahler hier möglichst schonend herausgeholt werden, so Kogler.

SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer sprach nach Straches und Koglers Redebeiträgen von einem „Oppositionsreflex“, immer gegen das zu sein, „was die Regierung macht“. Die vorliegende Lösung sei die beste, so Krainer.

Lopatka: „Mutiger Schritt“

ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka verteidigte das Hypo-Paket: Es sei ein mutiger Schritt. Er erteilte einer Insolvenz der Hypo erneut eine Absage. Eine aufgrund von Landeshaftungen unmittelbar folgende Pleite des Landes Kärnten sei ebenso wenig kalkulierbar wie ein ebenfalls zu erwartender „Bank-Run“ in den Balkan-Staaten, so Lopatka. Letztlich wären davon nicht nur osteuropäische Sparer und Anleger betroffen, sondern auch heimische Exporte und damit Betriebe und Arbeitsplätze.

Lopatka appellierte an die Oppositionsparteien, die notwendige Abwicklung der Hypo nicht weiter für politisches Kleingeld zu missbrauchen und dem Sondergesetz „im Interesse der Steuerzahler“ zuzustimmen.

Auch NEOS fordert Insolvenz

NEOS-Budgetsprecher Rainer Hable verwies auf das Gutachten, das NEOS am Montag mit dem Europarechtler Stefan Griller präsentierte, wonach die Landeshaftungen ungültig seien. Damit breche das Fundament für die Argumentation der Regierung, warum die Notverstaatlichung notwendig war und eine Insolvenz abgelehnt wird, „in sich zusammen“.

Nachbaur: „Wie kann man derart verhandeln?“

Die Klubobfrau des Teams Stronach (TS), Kathrin Nachbaur, forderte die rasche Einsetzung eines U-Ausschusses. „Zwei Gläubigergruppen wurden beim Hypo-Sondergesetz außen vor gelassen: die Bayern und die Kärntner“, so Nachbaur. Anstatt den Eigenkapitaleinsatz der Bayern umzuwandeln - „siehe Kaufvertag“ - hätten die Bayern auch noch Bundesgarantien der Republik. „Wie kann man derart verhandeln?“, fragte Nachbaur. Eigentlich müsse man aus Fehlern lernen, auch aus den Vorgängen bei der Notverstaatlichung der Hypo, so Nachbaur, das vermisse sie aber bei der Regierung.

Der Abbau der Hypo

Grundsätzlich wird die Kärntner Hypo in eine Gesellschaft überführt, die das Vermögen der Bank geordnet abbauend verwaltet. Angesiedelt ist diese unter einer Holding im Finanzministerium. Ihre noch vorhandenen Besitztümer werden nach und nach verkauft werden - mit Verlust. Nachranggläubiger mit Kärntner Landeshaftung werden einem Kapitalschnitt unterzogen.

Fischer will Rat von Juristen

Bundespräsident Fischer hatte sich bereits am Wochenende skeptisch zu dem Sondergesetz geäußert. Er werde es „ganz bestimmt nicht so einfach unterschreiben“. Er werde das geplante Gesetz, das einen Schuldenschnitt von Nachranganleihen trotz Landeshaftung vorsieht, noch sorgfältig mit Juristen besprechen. Denn „dass dieses Gesetz etwas ist, worüber man mit Recht sehr sorgfältig diskutieren muss, ist klar“, so Fischer in der ORF-„Pressestunde“.

Prinzipiell ortete das Staatsoberhaupt aber im geplanten Gesetz einen praktikablen „Mittelweg“ zwischen einem Konkurs, der die schlechteste Möglichkeit dargestellt hätte, und der Anstaltslösung, bei der die Steuerzahler alleine alle Kosten hätten schultern müssen, wie Fischer am Sonntagvormittag im Fernsehen andeutete.

Gutachten: Kärntner Haftungen rechtswidrig?

Für Aufregung sorgte am Montag auch ein neues Rechtsgutachten des Salzburger Verfassungsrechtlers Stefan Griller, das dieser auf einer Pressekonferenz von NEOS präsentierte. Nach Grillers Meinung haben die Haftungen des Landes Kärnten für Hypo-Schulden in der Höhe von fast 14 Milliarden Euro rechtlich nie existiert, da sie EU-Recht widersprächen. In welchem Ausmaß davon Beträge auch heute noch wirksam seien, lasse sich nicht genau feststellen, meinte der Europarechtsexperte, es gehe aber „in die Milliarden“.

Eine EU-Rechtswidrigkeit von Landeshaftungen für ab 2003 neu aufgelaufene Verbindlichkeiten der Kärntner Hypo steht für den Uniprofessor deshalb außer Frage, da „der allerüberwiegendste Teil“ davon „völlig neue Verbindlichkeiten“ gewesen seien, die mit früheren nichts zu tun gehabt hätten. Die beiden Regierungsparteien hatten die Landeshaftung stets als eine Begründung gegen eine Insolvenz der Bank ins Treffen geführt, da in diesem Falle dem Land der wirtschaftliche Zusammenbruch drohe.

Warnung von IWF

Kritik hatten davor bereits Ratingagenturen, Großbanken, Versicherungen, der Internationale Währungsfonds (IWF) und der Europäische Bankenverband geäußert. Sie stoßen sich vor allem an der Tatsache, dass das Gesetz die garantierten Haftungen des Landes Kärntens für Nachranganleihen für nichtig erklärt. Es geht um Papiere im Wert von fast 900 Mio. Euro. Die Gläubiger würden dabei trotz Haftung des Landes durch die Finger schauen - das schädige das Anlegervertrauen, warnte etwa der IWF.

Verfassungsjurist Heinz Mayer zweifelt an der Verhältnismäßigkeit des Eigentumseingriffes, der „allein der Entlastung des Bundeshaushalts ohne Rücksicht auf die Interessen der Gläubiger“ diene, berichtete „Der Standard“ (Mittwoch-Ausgabe). „Zweifellos“ würde ins Eigentumsrecht eingegriffen.

Kopf: „Beste von unattraktiven Lösungen“

Verteidigt hatte am Montag das geplante Gesetz der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf (ÖVP). Er habe Verständnis für den Zorn der Menschen angesichts eines Schadens, der „ausgehend von Kärnten“ angerichtet worden sei, sagte Kopf im Ö1-Morgenjournal. Das Hypo-Gesetz sei aber der Versuch, nicht nur die Steuerzahler, sondern auch die Nachranggläubiger in die Verantwortung zu nehmen. Es sei die „beste von unattraktiven Lösungen“ - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Kein Thema bei Euro-Gruppe

Das Hypo-Sondergesetz war offenbar kein Thema beim Treffen der Euro-Gruppe. Nachdem Spindelegger bereits beim letzten Treffen betont hatte, entgegen der damaligen Ankündigung seines deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble nicht darauf angesprochen worden zu sein, berichtete ÖVP-Finanzstaatssekretär Jochen Danninger am Dienstag Gleiches von der Euro-Gruppe. „Es war ja gestern mein erstes Zusammentreffen. Ich habe heute noch (beim EU-Finanzministerrat, Anm.) Gelegenheit, mich allen vorzustellen. Aber keiner meiner Kollegen ist in dieser Frage auf mich zugekommen“, so Danninger.

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