Themenüberblick

Umstrittenes Großprojekt

Nach zehn Jahren Bauzeit ist im Oktober des Vorjahres in Venedig erstmals ein Teil des milliardenteuren Dammprojekts MOSE (Modulo sperimentale elettromeccanico) getestet worden, das die Lagunenstadt vor Überflutungen schützen soll.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

In Anwesenheit von Infrastrukturminister Maurizio Lupi, dem nun zurückgetretenen Bürgermeister von Venedig, Giorgio Orsoni, und Hunderten Medienvertretern wurden mit Erfolg vier der insgesamt 78 beweglichen Barrieren ausprobiert, die bei drohendem Hochwasser die drei Eingänge der Lagune versperren können. Sie waren im Sommer installiert worden.

Vollbetrieb für 2017 anvisiert

Bei normalem Wasserpegel liegen die Elemente mit Wasser gefüllt auf dem Meeresgrund. Sobald das Wasser auf 110 Zentimeter über den Normalwert steigt, wird Luft in die Barrieren gepresst, so dass sie sich aufrichten und der Flut den Weg in die Lagune versperren. Bis zur geplanten Fertigstellung werden die Baukosten auf 5,4 Milliarden Euro veranschlagt, viermal mehr als in der ersten Planungsphase vorgesehen. „Dieses großes Infrastrukturprojekt ist ganz auf italienische Technologie zurückzuführen. Darauf sind wir sehr stolz“, betonte Minister Lupi. Das MOSE-System soll 2017 in Betrieb genommen werden.

Projekt der Superlative

Die Idee zu dem mobilen Deichsystem entstand bereits in den 60er Jahren, nachdem 1966 eine Flut katastrophale Schäden in der Stadt verursacht hatte. Nach weiteren schweren Überschwemmungen erklärte die Regierung in Rom die Rettung Venedigs zu einer Angelegenheit von nationalem Interesse. Jedes der 78 Module, die auf vier Abschnitte verteilt sind, ist 20 Meter hoch, bis zu fünf Meter breit und zwischen 18 und 28 Meter lang. Erste Experimente fanden in den 80er Jahren statt.

„Wir haben Jahre damit zugebracht, verschiedenen Hypothesen nachzugehen. Aber keine erwies sich als ausreichend effektiv. Doch dann kamen wir zu dem Schluss, dass es die beste Lösung ist, die Lagune im Notfall zu schließen“, sagte der Ingenieur Alberto Scotti, der Vater des Projekts. Jahrelang wurde über das Vorhaben gestritten, bis es schließlich im September 2002 grünes Licht für MOSE gab. Ein Jahr später begannen die Bauarbeiten. Den Planern zufolge wird MOSE der Stadt und ihren einzigartigen Kunstschätzen hundert Jahre lang Schutz bieten.

Seit Jahren umstritten

Das MOSE-Projekt ist schon seit Jahren umstritten. Umweltaktivisten befürchten massive Schäden für das Ökosystem der Lagune. Laut den Umweltschützern wird es aufgrund der weltweiten Klimaveränderung künftig in Venedig weit häufiger Hochwasser geben, als es die Techniker des MOSE-Projekts kalkulierten. In Hochwassermonaten wären die Stadt und die Lagune dann fast ständig von der Zufuhr von Frischwasser abgeschnitten, das stehende Wasser könnte sich schnell in eine Kloake verwandeln.

Das MOSE-Projekt beschäftigt zudem immer wieder die Justiz. Zuletzt wurden 35 Personen, darunter auch Orsoni, wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet. Auch für die ehemalige Chefetage des zuständigen Konsortiums Venezia Nuova klickten bereits die Handschellen.

Links: