Studie räumt mit Vorurteil auf
Studierende aus dem Ausland - speziell aus Deutschland - haben in Österreich nicht den besten Ruf. Sie würden österreichischen Studierenden die ohnehin knappen Studienplätze streitig machen, um nach ihrem Abschluss dann gleich wieder in ihr Heimatland zurückzukehren, lautet ein gängiges Vorurteil. Eine Studie aus Deutschland versucht nun, damit aufzuräumen.
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Die vom Prognos-Institut im Auftrag des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD) veröffentlichte Studie hat neben Statistiken über internationale Studierende auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Österreich, Deutschland, den Niederlanden, Polen, der Schweiz und Spanien analysiert. Die Fragestellung ist denkbar einfach: Was kosten die Studierenden aus dem Ausland das Gastland und was bringen sie diesem?
Die Antwort fällt für alle untersuchten Länder ähnlich aus: Zunächst würden die internationalen Studierenden unter dem Strich tatsächlich Kosten für das Gastland verursachen, allerdings auch Erträge bringen. Bleiben aber nur 20 oder 30 Prozent von ihnen nach dem Abschluss im Land, würden die Erträge die Kosten relativ schnell aufwiegen. Experten vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und vom Institut für Höhere Studien (IHS) schätzen die Studie allerdings als zu optimistisch ein. Aus dem Wissenschaftsministerium heißt es, man wolle „das Potenzial internationaler Studierender optimal nützen“.
Studierende schaffen Arbeitsplätze
Untersucht wurden die finanziellen Auswirkungen auf drei Ebenen: Zunächst wurde die Bruttowertschöpfung ermittelt, also der „Wert der durch die studentischen Konsumausgaben nachgefragten Güter und Dienstleistungen“. Durch den Konsum der Studierenden würden, auch wenn diese meist nur über wenig Budget verfügten, zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Von beidem - also vom Konsum der Studierenden und von den dadurch entstehenden Arbeitsplätzen - profitiere schließlich der Staat in Form von „Haushaltseffekten“.
Neben diesen finanziellen Auswirkungen gibt es weitere Effekte, wie etwa den kulturellen Austausch, einen internationalen Qualitätswettbewerb zwischen den Hochschulen und den Aufbau von Fremdsprachenkenntnissen. Diese seien aber kaum quantifizierbar und daher nicht Teil der Untersuchung.
Im Durchschnitt bringe ein internationaler Studierender dem Staat Österreich pro Jahr insgesamt knapp 3.000 Euro, so die Prognos-Studie. Ein Studienplatz verursache dagegen durchschnittlich Kosten von 11.355 Euro pro Jahr. Bei fast 60.000 internationalen Studierenden in den Jahren 2010 und 2011 und einer angenommenen Studiendauer von vier Jahren bedeute das Gesamtkosten von etwa 2,7 Milliarden Euro. Dem stehen Einnahmen von etwa 680 Millionen Euro gegenüber.
25.000 Euro pro Absolvent
Finanziell profitabel wird die Eingaben-Ausgaben-Rechnung laut Prognos-Studie erst dann, wenn die Studierenden auch nach ihrem Abschluss im Land bleiben - schließlich verdienen Absolventinnen und Absolventen mehr als Studierende, konsumieren daher mehr, schaffen mehr Arbeitsplätze und zahlen mehr Steuern. In Österreich bringe jede Absolventin und jeder Absolvent dem Staat pro Jahr insgesamt Einnahmen von 25.000 Euro, so die Studie. Im internationalen Vergleich ist das - hauptsächlich wegen des relativ hohen Steuerniveaus - ein recht hoher Wert.
Die Gesamteinnahmen des Staats hängen dementsprechend davon ab, wie viele der Studierenden tatsächlich im Land bleiben – und das ist nur schwer einzuschätzen. Die Studie operiert deshalb mit zwei Prognoseszenarien: Im ersten Fall geht sie davon aus, dass 20 Prozent der internationalen Studierenden auch nach ihrem Abschluss bleiben, im zweiten sind es 30 Prozent.
Blieben 20 Prozent nach ihrem Abschluss in Österreich, dann dauere es 6,7 Jahre, bis die Gesamtausgaben des Staates gedeckt seien. Blieben 30 Prozent, verringere sich die nötige Dauer auf 4,5 Jahre. Damit seien die Kosten für internationale Studierende in Österreich schneller gedeckt als in allen anderen untersuchten Ländern. In der Schweiz etwa müssten aufgrund des niedrigen Steuerniveaus 30 Prozent der Absolventinnen und Absolventen mehr als 16 Jahre im Land bleiben, damit die Staatsausgaben für ihre Studienplätze gedeckt seien, heißt es in der Studie.
„Möglichst viele sollen bleiben“
Das Wissenschaftsministerium verweist auf Anfrage von ORF.at darauf, dass es bisher keine vergleichbaren Studien zu den wirtschaftlichen Effekten von Auslandsstudenten in Österreich gebe. In Bezug auf die beiden angenommen Szenarien von 20 bzw. 30 Prozent Verbleibsquote heißt es aus dem Ministerium, man halte aufgrund der bisherigen Erfahrungen in Österreich eine Verbleibsquote um die 20 Prozent für realistischer.
Grundsätzlich wolle man „das Potenzial ausländischer Studenten optimal nützen“. Eine bestimmte „Wunschquote“ gebe es nicht, allerdings sei es immer im Interesse des Ministeriums, dass „möglichst viele Absolventen auch nach ihrem Studium in Österreich bleiben“. Wichtig sei in diesem Zusammenhang auch, dass es auf Ebene der EU zu einer stärkeren Verlinkung zwischen Ausbildung und Arbeitsmarkt komme.
WIFO: Nicht genau abschätzbar
Das WIFO verweist auf ORF.at-Anfrage auf einige Probleme bei den Ausgangsdaten, die die deutsche Studie verwendet. Wichtige Faktoren würden außer Acht gelassen, so Jürgen Janger vom WIFO. Zum Beispiel berücksichtige die Studie nicht, dass Studierende aus dem Ausland inländische verdrängen könnten. Außerdem seien die angenommenen Einnahmen des Staats in der Studie „eher am oberen Ende anzusiedeln“.
Grundsätzlich sei ein Zustrom internationaler Studierender dennoch auf jeden Fall zu begrüßen, die möglichen positiven Effekte seien vielfältig. Allerdings würden diese durch die derzeitige Situation der österreichischen Universitäten gemindert. Janger erwähnt in diesem Zusammenhang etwa, dass es keine Möglichkeit einer Auswahl von Studierenden gebe. Grundsätzlich brauchte es aber exaktere und empirisch überprüfbare Daten zur Bleiberate, so dass die Effekte genauer abgeschätzt werden könnten.
IHS: Ungleiche Verteilung auf Studienrichtungen
Auch Martin Unger vom IHS, das in regelmäßigen Abständen - zuletzt 2011 - die Studierenden-Sozialerhebung durchführt, meint gegenüber ORF.at, die Studie sei aufgrund der Datenlage, von der sie ausgeht, „mit Vorsicht zu interpretieren“. Er hält vor allem die angenommenen durchschnittlichen Kosten pro Studienplatz für zu niedrig.
Dafür sprächen vor allem zwei Gründe: Erstens verteilten sich die internationalen Studierenden nicht gleichmäßig auf alle Studienrichtungen, sondern seien tendenziell dort überrepräsentiert, wo die Studienplätze teurer seien - etwa in künstlerischen und medizinischen Fächern. Zweitens gehe die Studie von einer durchschnittlichen Studiendauer von vier Jahren aus, was deutlich zu niedrig sei.
Generell attestiert Unger der deutschen Studie allerdings „großen Wert“. Dieser liege vor allem „im Aufzeigen, dass durch internationale Studierende für das Gastland hohe ökonomische Effekte generiert werden. Wie hoch sie in Österreich genau sind, müsste allerdings detaillierter berechnet werden.“
Jeder Zweite unentschlossen
Letztlich bleibt also die Frage, wie viele der internationalen Studierenden tatsächlich bleiben. Laut Sozialerhebung 2011 ist fast die Hälfte der internationalen Studierenden in Österreich unentschlossen, was ihre Zukunft angeht. Von jenen, die schon Pläne hatten, wollten 14 Prozent in ihr Heimatland zurückkehren und zehn Prozent in ein anderes Land gehen. Immerhin 28 Prozent wollten in Österreich bleiben.
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