Schwierige Ausgangslage wird konzediert
Auf unterschiedliches Echo stößt der nun vorliegende Budgetentwurf 2014/15 von Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) bei verschiedenen Experten und Interessenvertretern. Allen gemein ist aber, dass sie dringend Strukturreformen fordern und alle bisherigen Reformen als bei weitem nicht ausreichend betrachten. Allzu viel Vertrauen in die Koalition ist diesbezüglich aber nicht spürbar.
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WIFO-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller plädiert dafür, trotz des Sparkurses Spielraum für eine Steuerreform zu schaffen. Sie fordert eine „aufkommensneutrale“ Reform mit Gegenfinanzierung. Die aktuellen Budgetpläne sieht sie im Gespräch mit der APA gemischt: Die Koalition versuche, Konsolidierung und Zukunftsinvestitionen in Einklang zu bringen, Strukturreformen müssten aber folgen.
Positiv, dass Regierung „etwas tun will“
„Die Ausgangssituation ist nicht ganz einfach“, gesteht Schratzenstaller der Regierung mit Blick auf die Belastung durch die Hypo Alpe-Adria sowie durch die für österreichische Verhältnisse nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit zu. Positiv wertet sie, dass die Regierung versucht, Konsolidierung und Investitionen in Zukunftsbereichen in Einklang zu bringen. Außerdem werde zumindest angekündigt, „dass man im Steuerbereich etwas tun will“.
Grundsätzlich pflichtet Schratzenstaller Spindelegger bei, der derzeit keinen Spielraum für eine Steuersenkung sieht. „Es gibt keinen Spielraum für Entlastung“, so die WIFO-Budgetexpertin: „Aber man muss sich einen Spielraum schaffen für die unbedingt nötige Abgabenstrukturreform“, etwa durch die Streichung von Steuerausnahmen sowie durch eine Erbschafts- und eine höhere Grundsteuer.
„Unstrategisches“ Sparen
Wichtig ist aus Schratzenstallers Sicht, dass die Regierung nun die Konsolidierungsvorhaben einhält, um die Staatsschulden wieder zu senken. Gleichzeitig seien die bisherigen Sparmaßnahmen aber „relativ unstrategisch“. Gespart werde nämlich quer durch die Ressorts. „Umfassende Strukturreformen sind nur angedeutet. Die müssen jetzt folgen“, sagt Schratzenstaller. Die WIFO-Budgetexpertin pocht insbesondere auf Reformen beim Finanzausgleich, im Förderwesen sowie im Gesundheitsbereich. „Das sind viele Reformbereiche, wo man die Länder einbeziehen muss“, so Schratzenstaller.
Für ihre Offensivmaßnahmen hat sich die Regierung aus Schratzenstallers Sicht die richtigen Bereiche ausgesucht - etwa Kinderbetreuung, Forschung und Universitäten. Nötig wären aber weitere Schritte wie die (vorerst auf Eis liegende) Breitbandoffensive sowie zusätzliche Mittel für Universitäten und schulische Nachmittagsbetreuung.
IHS-Chef glaubt an Trendwende
IHS-Chef Christian Keuschnigg sieht mit dem Doppelbudget 2014/2015 den Pfad in Richtung Reduktion der Staatsschulden eingeschlagen. „Ich glaube schon, dass es gelungen ist, eine Trendwende - nach einmaliger Erhöhung aufgrund der Hypo - einzuleiten.“ Es herrsche jetzt eine Situation vor, wo es „nichts zu verteilen“ gebe. Umso wichtiger sind für Keuschnig verstärkte Reformschritte, um eine Senkung der Abgabenquote durchführen zu können. Anders als Spindelegger ist Keuschnigg überzeugt, dass die Regierung „grundlegende Reformen im Prinzip weiter aufgeschoben“ hat.
Von einer rein gegenfinanzierten Steuerstrukturreform hält Keuschnigg wenig, wenngleich er sich vorstellen kann, einen solchen Reformschritt einer Senkung der Abgabenquote voranzustellen. Man müsse jedenfalls den Bürgern „das zurückgeben, was in der Vergangenheit über die kalte Progression automatisch (an Steuern, Anm.) zugewachsen ist“. Hinsichtlich der Reformen sei eines der primären Ziele, den Innovationsstandort Österreich auszubauen, vor allem bei der Grundlagenforschung. Mehr Initiative erwartete sich Keuschnigg von der Regierung auch bei den Pensionen.
Nowotny: „Solides“ Budget
Das Doppelbudget sei „solide“ und bringe beim „strukturellen“ Defizit „deutliche Verbesserungen“, sagte der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Ewald Nowotny, am Dienstag. „Insgesamt wird das Budget auch den positiven Erwartungen der Ratingagenturen entsprechen“, so Nowotny. Das Budget sei unter schwierigen Bedingungen erstellt worden und „leistet einen Beitrag zur politischen Stabilität in kritischen Zeiten“. Konkret meine er damit die Entwicklungen in Russland und der Ukraine, präzisierte Nowotny.
Bei den Sonderbelastungen durch die Hypo Alpe-Adria wies der Gouverneur darauf hin, dass die Sonderbelastungen in den nächsten Jahren rasch abgebaut werden sollen. Das Budget baue auf den Beschlüssen der Bundesregierung zur Errichtung einer Abwicklungsgesellschaft auf. Wenn diese Pläne rasch und zeitgerecht umgesetzt werden, dann seien auch die veranschlagten Kosten korrekt dargestellt, so Nowotny.
Wirtschaft pocht auf Reformen
Die Wirtschaftskammer lobte, dass die Regierung trotz der Zusatzkosten durch das Hypo-Desaster den Konsolidierungskurs fortsetze. WKÖ-Chef Christoph Leitl (ÖVP) forderte einmal mehr eine umfassende Verwaltungsreform, da neue Steuern wegen der ohnehin bereits hohen Abgabgelast ausgeschlossen seien und auch „undifferenzierte Einsparungen über alle Ressorts hinweg“ künftig nicht mehr ausreichen werden.
Industrie: „Licht und Schatten“
„Licht und Schatten“ sieht die Industriellenvereinigung (IV) in der Budgetrede. IV-Chef Georg Kapsch forderte einen „nationalen Kraftakt“ für den Standort und eine deutliche Beschneidung der öffentlichen Aufgaben. „Wir müssen hier massiv redimensionieren.“ Positiv sieht Kapsch die geplante Lockerung der Arbeitszeitregeln, das automatische Ablaufdatum für Verordnungen und die Streichung von vier Unternehmensbeauftragten. Problematisch ist für Kapsch dagegen, dass der Finanzausgleich ab 2016 noch offen ist. Damit sei „lähmendem Bund-Länder- und Parteienabtausch wieder Tür und Tor geöffnet“.
AK: Regierung hält Versprechen nicht
Viel offener kritisierte die Arbeiterkammer (AK) den Budgetentwurf: Dieser sei ein „Rückschritt im Vergleich zum Regierungsprogramm“, so AK-Präsident Rudolf Kaske. Wichtige beschäftigungswirksame Projekte würden nicht in vollem Ausmaß umgesetzt, konkret nannte Kaske den Ausbau der Kinder- und Ganztagsbetreuung, den Breitbandausbau sowie die Wohnbauinitiative. Die Ausgabenlast ist laut AK-Chef zudem nicht fair verteilt. Er forderte daher eine Lohnsteuersenkung.
Entwicklungshilfe: „Bankrotterklärung“
Hilfsorganisationen übten scharfe Kritik an den geplanten Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit (EZA). „Wieder einmal bei den Ärmsten der Armen zu sparen ist eine absolute Bankrotterklärung der Regierung“, sagte die Geschäftsführerin des Dachverbandes AG Globale Verantwortung, Annelies Vilim, am Dienstag in einer Aussendung. Die Budgetzahlen widersprächen auch dem Regierungsprogramm.
Laut Vilim soll die direkte Projekthilfe in der EZA von 68 auf 51 Millionen Euro sinken, was einer Kürzung um 25 Prozent entspricht. Im Regierungsprogramm sei dagegen von einem Stufenplan zur Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels bei den EZA-Ausgaben die Rede. Derzeit liegen diese bei 0,28 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Österreich „versucht nicht einmal, seine internationalen Verpflichtungen zu erfüllen“, kritisierte die Geschäftsführerin von World Vision Österreich, Amanda Platzer. „Die radikalen Kürzungen schädigen Österreichs internationales Ansehen“, sagte Johanna Mang von der Organisation Licht für die Welt. Wo Menschen ums Überleben kämpfen, könne man den Gürtel nicht enger schnallen, argumentierte sie. „Es kann nicht sein, dass aufgrund des österreichischen Bankendesasters auf Kosten der Allerärmsten gespart wird“, empörte sich auch Reinhard Heiserer von der Organisation Jugend Eine Welt.
Auch Kürzungen bei UNO-Friedensmissionen
Das Budget des Außenministeriums sieht auch drastische Kürzungen bei den Zuwendungen an UNO-Friedensmissionen vor. So sinkt der österreichische Beitrag für die UNO-Mission in Darfur (UNAMID) heuer von 11,6 auf 6,5 Millionen Euro. Ebenfalls um mehr als ein Drittel gekürzt werden Zahlungen für UNO-Missionen im Sudan, Somalia, Liberia, Kongo, Haiti und im Nahen Osten. Das UNO-Kinderhilfswerk UNICEF bekommt nur noch eine Million Euro statt 1,9 Millionen Euro. Insgesamt sinken die Beiträge für internationale Organisationen laut dem Budgetvoranschlag 2014 von 105,7 auf 80,3 Millionen Euro.
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