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Toter Politiker als Auslöser

Das ukrainische Militär will seinen über Ostern unterbrochenen Einsatz im Osten des Landes fortsetzen. Der „Anti-Terror-Einsatz“ laufe in vollem Umfang wieder an, erklärte Übergangspräsident Alexander Turtschinow in Kiew. In der Nähe der Stadt Slawjansk seien die Leichen „brutal gefolterter“ Menschen gefunden worden, hieß es in einer Erklärung Turtschinows.

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Unter den Toten bei Slawjansk sei auch ein Lokalpolitiker seiner Batkiwschtschyna-Partei, der vor kurzem von Terroristen entführt worden sei, sagte Turtschinow. Diese Verbrechen seien mit Unterstützung Russlands verübt worden. Er rufe die Sicherheitskräfte zu wirksamen Maßnahmen auf, um ukrainische Bürger im Osten vor Terroristen zu schützen, so der Präsident, der dem Lager der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko angehört.

Militärmaschine beschossen

Über Slawjansk wurde nach ukrainischen Angaben eine Militärmaschine bei einem Aufklärungsflug von mehreren Gewehrkugeln getroffen Die Maschine vom Typ Antonow AN-30 habe mehrere Einschüsse, aber niemand sei verletzt worden, teilte das Verteidigungsministerium in Kiew am Dienstagabend mit. Die Maschine sei auf ihren Militärstützpunkt zurückgekehrt und weiter einsatzbereit.

Offenbar US-Journalist gefangen genommen

Zudem wurde laut Medienberichten in Slawjansk ein US-Journalist von bewaffneten prorussischen Kräften gefangen genommen. Das US-Magazin „Vice“ berichtete am Dienstag, mit dem Außenministerium in Washington in Kontakt zu stehen, „um die Sicherheit und den Schutz für unseren Freund und Kollegen Simon Ostrovsky zu gewährleisten“.

Zuvor hatte der selbst ernannte Bürgermeister der Stadt, Wjatscheslaw Ponomarjow, laut einem Bericht der russischen Gazeta.ru bei einer Pressekonferenz mitgeteilt, dass der Reporter und Filmemacher in den Händen der Separatisten sei. Die OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, Dunja Mijatovic, forderte in einer Mitteilung die sofortige Freilassung Ostrovskys.

Slawjansk ist eine der Hochburgen prorussischer Separatisten. Nach einem Scharmützel mit mehreren Toten am Sonntag wurde die Kleinstadt zum Zentrum der Auseinandersetzungen. Ponomarjow verhängte eine Ausgangssperre und bat Russland um die Entsendung von „Friedenstruppen“.

Genfer Vereinbarung bedroht

Damit wurde schon am Osterwochenende die brüchige Friedensvereinbarung gefährdet. Am Donnerstag vergangener Woche hatten sich die Außenminister der Ukraine und Russlands bei einem Krisentreffen in Genf auf ein Abkommen zur Entschärfung des Konflikts geeinigt. Beschlossen wurden die Entwaffnung illegaler bewaffneter Gruppen, die Räumung besetzter Gebäude und eine Amnestie. Umgesetzt wurden die Vereinbarungen bisher aber nicht - und mit der Androhung eines neuen Militäreinsatzes scheint der Plan praktisch hinfällig.

Kreml-Chef Wladimir Putin hatte den Militäreinsatz Kiews gegen die eigene Bevölkerung schon am Donnerstag kritisiert: „Sind sie da jetzt völlig verrückt geworden? Panzer, Schützenpanzerwagen und Kanonen!“ Er hatte sich für den Ernstfall zum Schutz russischer Bürger die Vollmacht für einen Militäreinsatz in der Ukraine geben lassen.

Kerry droht mit weiteren Sanktionen

US-Außenminister John Kerry drohte seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow erneut weitere Sanktionen an. Kerry habe sich in einem Telefonat der beiden „zutiefst besorgt über den Mangel an positiven russischen Schritten zur Deeskalation“ der Lage im Osten der Ukraine geäußert, teilte das Außenamt in Washington am Dienstag mit.

Kerry habe dabei auf zunehmende Beweise verwiesen, dass prorussische Separatisten immer mehr Gebäude besetzten und Journalisten sowie andere Zivilisten gefangen nähmen. Moskau müsse seine „eskalierende Rhetorik“ dämpfen, diplomatisch mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) und der ukrainischen Regierung zusammenarbeiten sowie die Besetzer öffentlich zur Aufgabe aufrufen. Sollten diese Punkte aus dem in Genf vereinbarten Friedensfahrplan nicht eingehalten werden, käme es zu verschärften Sanktionen.

In einem Telefonat mit dem ukrainischen Regierungschef Arseni Jazenjuk lobte Kerry wiederum Kiews Schritte zur Deeskalation der Lage. Er ermutigte die prowestliche ukrainische Regierung, das Gesetz zur Amnestie für die Besetzer der Gebäude in der Ostukraine zu verabschieden.

USA schicken Soldaten nach Polen und ins Baltikum

Am Dienstag hatte US-Vizepräsident Joe Biden bei einem Besuch in Kiew mit Hilfszusagen für die Ukraine der prowestlichen Führung demonstrativ den Rücken gestärkt. Er betonte nach einem Treffen mit Übergangsregierungschef Jazenjuk in Kiew, die US-Regierung habe der Führung in Moskau deutlich gemacht, dass weitere Provokationen Folgen haben würden.

Die US-Regierung kündigte an, rund 600 Soldaten nach Polen, Litauen, Lettland und Estland zu schicken, um an Militärübungen teilzunehmen. Ziel sei eine „andauernde Präsenz“, so Pentagon-Sprecher John Kirby. Die je 150 Mann starken Kompanien sollen am Mittwoch in Polen und in den kommenden Tagen im Baltikum eintreffen und nach einem Monat ausgewechselt werden. Hintergrund sei auch der andauernde Konflikt in der Ukraine.

Russland startet Manöver

Das russische Militär begann einem Medienbericht zufolge ein Manöver, an dem auch die Marine im Kaspischen Meer beteiligt ist. Die Übung werde sieben Tage dauern, meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax am Mittwoch. Zehn Schiffe und 400 Seeleute nähmen daran teil. Russland erhöhte die Zahl seiner Militärmanöver seit Beginn der Ukraine-Krise. Die NATO schätzt, dass die russische Truppenpräsenz an der Grenze zur Ukraine auf rund 40.000 Mann gestiegen ist. Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres sind neben Russland der Iran, Kasachstan, Turkmenistan und Aserbaidschan. In der Region verlaufen zahlreiche Öl- und Gaspipelines.

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