Facebook will neue Plattform etablieren
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ist überzeugt, dass virtuelle Realität (Virtual Reality, VR) das „nächste große Ding“ ist, und lässt sich die Übernahme des VR-Spezialisten Oculus über zwei Mrd. Dollar kosten. Mit diesem Investment verärgert Facebook allerdings einige Spieleentwickler und viele frühe Unterstützer der VR-Brille.
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Nur wenige Wochen nach der 19 Milliarden Dollar teuren Übernahme der Messaging-Plattform WhatsApp ist Facebook wieder auf Einkaufstour: Am Dienstag gab das Soziale Netzwerk bekannt, für bis zu 2,3 Mrd. Dollar das Start-up Oculus VR zu übernehmen. Das vor zwei Jahren gegründete Unternehmen stellt Datenbrillen her, mit denen Nutzer bei Computerspielen in eine virtuelle Realität eintauchen können.
Virtuelle Welten für alle Bereiche
„Wir gehen eine langfristige Wette ein, dass eine umfassende, virtuelle und erweiterte Realität ein Teil des Alltags der Menschen wird“, so Zuckerberg bei der Bekanntgabe des Deals. „Oculus hat die Chance, die sozialste Plattform aller Zeiten zu erschaffen und damit die Art und Weise zu verändern, wie wir arbeiten, spielen und kommunizieren.“ Facebook bereite sich auf die Zukunft vor, so Zuckerberg.
Facebook mit inzwischen einer Milliarde Nutzern soll nicht nur bei Spielen von Oculus profitieren. Es gebe noch jede Menge weitere Anwendungsmöglichkeiten für solche Datenbrillen, so Zuckerberg. Sportfans könnten sich die besten Plätze im Stadion sichern, virtuelles Lernen würde verbessert, ebenso Gespräche mit dem Arzt. Man fühle sich „wahrhaft anwesend“. Facebook wolle mit der Übernahme eine neue Plattform erschaffen wie einst Google mit der Übernahme von Android, zitierte die IT-Website The Verge den Investor Chris Dixon von Andreessen Horowitz.
Noch kein serienreifes Produkt
Oculus VR hat bisher kein serienreifes Produkt auf den Markt gebracht. Das Unternehmen hat jedoch mehr als 40.000 Entwicklerversionen seiner Rift genannten Computerbrille verkauft. Die eher klobige Datenbrille gaukelt dem Benutzer über zwei kleine, getrennte Bildschirme eine 3-D-Umgebung vor, die sich entsprechend den Kopfbewegungen verändert. Im ersten Schritt sollten vor allem Spiele dafür entwickelt werden, doch nun scheint mehr geplant zu sein.
Oculus wolle größer ins Geschäft einsteigen, sagte Oculus-Geschäftsführer Brendan Iribe gegenüber The Verge. Laut Oculus-Gründer Palmer Luckey will Facebook dem Anbieter die Ressourcen zur Verfügung stellen, um die nötige Hardware für virtuelle Welten zu verbessern. Die Brille werde nun besser und billiger, so Luckey. Zudem wolle Oculus auch deutlich mehr Geld und Entwicklungszeit in Inhalte investieren.
Bis jetzt habe Oculus vor allem auf günstigere Komponenten gesetzt, wie sie auch in Handys verbaut wird, schreibt The Verge weiter. Laut dem Bericht gab es auch schon länger Gespräche mit Facebook, das Soziale Netzwerk sei von den jüngsten Entwicklungen bei Oculus begeistert gewesen. Ob es in Zukunft eine gemeinsame virtuelle Welt mit Facebook geben wird, wollte Iribe gegenüber The Verge nicht sagte. Zuckerberg kündigte allerdings schon an, dass auch die Werbung eine große Rolle bei der Datenbrile spielen soll.
Oculus verärgert Crowdfunding-Investoren
Zuletzt hatte Oculus immer betont, mit einem Budget von rund 100 Mio. Dollar genug finanzielle Reserven zu haben und unabhängig bleiben zu wollen. 2,4 Mio. Dollar wurden von frühen Unterstützern über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter aufgebracht, rund 90 Mio. Dollar kamen vergangenes Jahr von Investoren. Vor allem die Unterstützer auf Kickstarter hat Oculus mit dem Verkauf nachhaltig vergrämt, wie das „Wall Street Journal“ schreibt.
Je nach Geldeinsatz bedankte sich Oculus bei den Unterstützern auf Kickstarter mit einem T-Shirt und einem Dankeschön. Nun zahlt Facebook für Oculus VR 400 Millionen Dollar in bar und 23,1 Mio. Facebook-Aktien. Hinzu kommen später bis zu 300 Millionen Dollar, wenn bestimmte Ziele erreicht werden. Von diesem Geld werden die rund 10.000 Unterstützer auf Kickstarter allerdings nichts sehen. Entsprechend negativ seien die Kommentare auf der Kickstarter-Plattform gewesen, so das „Wall Street Journal“.
Große Investoren cashen ab
Der Investor Marc Andreessen profitiert dafür gleich doppelt von dem Deal: Er war Investor bei Facebook und Oculus und sitzt bei beiden Firmen im Vorstand. Er selbst will bei dem Deal nicht involviert gewesen sein, habe aber davon gewusst, schreibt er auf Twitter. Laut der Website Quartz lukrierte seine Investmentfirma Andreessen Horowitz bei der Übernahme von Instagram durch Facebook 78 Mio. Dollar - und das mit einem Investment von 250.000 Dollar. Bei Oculus dürfte der Profit noch höher sein, schreibt Quartz.
Spieleentwickler verärgert
Doch es gibt noch mehr Kritiker, nicht zuletzt unter den Spieleentwicklern, die bisher wichtigsten Partner für Oculus. Er werde die Zusammenarbeit mit Oculus nicht fortsetzen, schreibt etwa der Entwickler des erfolgreichen Spiels „Minecraft“, Markus Persson, in seinem Blog. „Ich möchte gerne ein Teil von VR sein, aber ich will nicht mit Facebook zusammenarbeiten“, so Persson, der selbst einst über Kickstarter in Oculus investierte. Facebooks Motive, auch in Bezug auf seine Partner, seien nicht klar genug und würden sich ständig ändern. Facebook sei nur darauf aus, Nutzerzahlen zu steigern, in der Vergangeheit habe Facebook nichts gemacht, um sein Vertrauen zu stärken. „Facebook macht mir Angst“, so Persson auf Twitter.
Facebook als Plattform „beängstigend“
Persson schreibt in seinem Blog allerdings auch, dass die jüngsten Entwicklungen von Oculus sehr beeindruckend seien und er gerne mit dem begeisterten Team zusammengearbeitet habe. Viele der ersten Probleme mit der Brille seien gelöst worden, und erst vor zwei Wochen habe der „Minecraft“-Anbieter die Arbeit für eine Umsetzung seines Spiels für die Brille begonnen. Diese habe er nun allerdings gestoppt, so Persson, der sich weiters überzeugt zeigt, dass VR gerade bei sozialen Anwendungen besonders sinnvoll ist.
Kommentatoren sehen die Übernahme ebenfalls kritisch, auch wenn sie VR gleichfalls viel Potential etwa bei Videokonferenzen, im Unterricht und auch bei medizischen Untersuchungen zuschreiben. Wie schon in Science-Fiction-Romanen könne Neues aufregend und fantastisch sein oder auch bedrohlich, schreibt The Verge - die Vereinigung von Oculus und Facebook habe Potential für beide Entwicklungen. Als Service sei Facebook inspirierend, als Plattform „beängstigend“ - man werde sehen, in welche Richtung sich das Ganze entwickeln werde.
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