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„Die Reise hat gerade erst begonnen“

Mit dem Ö haben es die Dänen bekanntlich nicht so. Die historisch gewollte Änderung der Ö-Schreibung brachte das durchgestrichene O. Was einen grundsätzlich in unseren Breitengraden nicht besonders tangieren müsste, stünden nicht ständig so viele dänische Bands vor der Tür, um Europa pop-missionarisch zu inspirieren. Im Moment lauert eine Frau mit durchgestrichenem O auf ihrem Weg zum Kontinent: MÖ gilt im Moment als das Phänomen auf dem dänischen Popmarkt. Gegenüber ORF.at erklärt sie ihren Spagat zwischen Zerbrechlichkeit und Aggressionen.

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ORF.at: Der Name MÖ spielt ja neben den Initialen für Marie Örsted auch auf die Idee eines unschuldigen Mädchens an. Wenn man MÖ auf der Bühne sieht, ist aber nicht viel von diesem Mädchen übrig.

Karen Marie Örsted: MÖ spielt mit der Idee, dass es hier nur sehr vordergründig um ein Mädchen geht, und dass es da um eine Menge an Spannungen geht zwischen Rolle und Person und den vielen Zuständen, in denen man nun auftritt: zerbrechlich, aggressiv. Meine Songs spiegeln das in gewisser Weise wider. Und ich mag genau diese Spannung mit meinen Liedern über die Bühne bringen.

Sängerin MÖ sitzt auf einem Fensterbrett

Thomas Skou

ORF.at: Wie lässt sich die Musik von MÖ beschreiben? Auf der einen Seite gibt es sehr zerbrechlich melodische Teile, auf der anderen Seite sind da diese Hip-Hop-Attitüde und diese Wut auf die ganze Welt.

Örsted: Ja, die Musik drückt letztlich aus, wie ich mich fühle: zerbrechlich. Auf der anderen Seite ist da dieses Moment an Aggression, die man einfach braucht, um all das rauszulassen, was in einem steckt. Und mit der Musik möchte ich einfach ganz Ich sein. Das ist einfach immer etwas sehr direktes, das einen frontal erreicht.

ORF.at: Wann kam die Erkenntnis, dass Sie so eine ungemeine Wirkung auf der Bühne entfalten können?

Örsted: Ich glaube, das Entscheidende ist, sich selbst treu zu bleiben und auf die Bühne zu treten und eine Geschichte zu erzählen, wer man ist, was man darstellt. Ich wusste ungefähr, seit ich 7 war, dass ich mal eine Musikerin werden will, aber das Gefühl auf der Bühne fühlte sich zunächst so strange an. Aber mit der Zeit habe ich erkannt, man muss ganz man selbst sein, dann kommt auch der Rest von selbst. Und letztlich habe ich gemerkt: Man muss einfach das rauslassen, was in einem steckt, sich irgendwie komplett gehen lassen, eins werden mit seinen Songs - so fühlt sich das an.

Sängerin MÖ sitzt auf einem Sofa-Sessel

MÖ Official Instagram

ORF.at: Der Aufstieg von MÖ war im letzten Jahr beinahe kometenhaft. Wie sind die Erfahrungen im Musikgeschäft?

Örsted: Ich hatte viel Glück gehabt. Alles ging so schnell. Ich habe einen super Produzenten. Live ging es gut, das Album läuft gut. Alles dreht sich recht schnell und ehrlich gesagt, habe ich gar nicht so viel mitbekommen von der Musikindustrie als solche. Es ist eigentlich immer: reisen, reisen, reisen. Wir sind auf einer Reise, und die hat eigentlich gerade erst begonnen. Ich komme da gar nicht viel zum Nachdenken. Wichtig ist es, besser zu werden und sich auf diesen Prozess einzulassen, samt der ganzen vielen Menschen, die man auf dieser Reise trifft.

ORF.at: Hilft es im Moment, Teil der dänischen Musikszene zu sein, die beinahe als Trademark wahrgenommen wird.

Örsted: In den letzten Jahren hat es viel Aufmerksamkeit gegeben für die dänische Musikszene - und ich bin sehr froh, dass ich an diesem Trend teilhaben kann. Bis jetzt hat man ja immer vom schwedischen Popwunder gesprochen, aber es sieht im Moment so aus, als hätte Dänemark die am schnellsten wachsende Musikszene.

ORF.at: Hilft es, dass man dänische Musik mehr mit dem Independent-Bereich verbindet?

Örsted: Ja, ich glaube, die dänische Musik ist durchaus kantiger. Kein Zweifel, Schweden ist großartig in dem Feld, großen Pop zu produzieren. Aber Dänemark knüpft im Moment sehr an eine internationale Erwartung im Pop an, dass Musik ihre Kantigkeit braucht, ein bisschen abgründiger ist und eben diesen Hauch von Underground atmet.

Sängerin MÖ legt den Finger auf die Stirn

Sony Music

ORF.at: Sie kommen aus Odense und leben und produzieren jetzt in Kopenhagen. Muss man in einem Land, das eine große Hauptstadt hat und sonst viele andere deutlich kleinere Städte in die Hauptstadt gehen, um sich durchzusetzen?

Örsted: Also bei mir passierte das eher zufällig, dass ich nach Kopenhagen gezogen bin, als meine Karriere ihren Lauf nahm. Dänemark ist halt insgesamt so kompakt, dass man auch von einer kleineren Stadt kommen kann. Man kommt sehr schnell von A nach B in unserem Land.

Das Gespräch führte Gerald Heidegger, ORF.at

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