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Keine Zeit für nordische Melancholie

„Vor zehn Jahren war Kopenhagen in Sachen Pop noch ein verschlafener Ort“, findet Jeppe Kjellberg - einer der Masterminds des dänischen Dance-Pop-Trios WhoMadeWho -, mittlerweile altersmäßig in einem Reifezustand, um einen gewissen Zeitraum an Musikgeschichte überblicken zu können. Als man selbst vor zehn Jahren ins internationale Popgeschäft aufbrach, suchte man sich ein deutsches Label. Mittlerweile hat sich das geändert. Dänemark ist, auch dank staatlichem Support, ein Musikexportland geworden.

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Dass die dänischen Grenzen zwischen Indie und Mainstream mehr als fließend sein können, lässt sich in den kommenden Wochen in Österreich überprüfen. Deutlich wird auch: In einem Land, das wenig Berührungsängste kennt zwischen Indie und Breitenpop, kann der musikalische Untergrund sehr schnell zum Großhallenevent werden, wie die Sängerin Karen Marie Örsted alias MÖ beweist. MÖ wird mittlerweile als die bestverkaufte Newcomerin des Landes auf internationalen Bühnen gehandelt, was auch die länger gedienten Bands aus Dänemark freut.

Bandporträt

WhoMadeWho

Tomas Höffding, Jeppe Kjellberg und Tomas Barföd - zusammen seit gut zehn Jahren als WhoMadeWho

Screenshot von Video mit ironischem Times Cover

WhoMadeWho

„Wir wollen jetzt positive Songs machen“: Szenenausschnitt aus dem „Heulbuben“-Video „Every Minute Alone“

„Als wir mit WhoMadeWho angefangen haben, wollten wir eigentlich gar nicht als typische dänische Band wahrgenommen werden“, erzählt Kjellberg im Gespräch mit ORF.at. „Wir waren auf der Bühne viel zu sehr an guter Laune orientiert, und das bringt man ja gemeinhin ja nicht so mit der düsteren skandinavischen Art in Verbindung“, kokettiert der Musiker, der zusammen mit Tomas Barföd und Tomas Höffding ein Trio bildet, das nicht zuletzt auf der Bühne sehr spontanistisch die eigenen Musiknummern zu Festival-tauglichen Late-Night-Dance-Tracks streckte.

Dänischer Untergrund wird Mainstream

„Dass man jetzt so viele dänische Bands im Ausland sieht und dass das letztlich der dänische Underground ist, der da so um die Welt geht, finden wir großartig“, so Kjellberg. Unterstützt hätten diesen Trend Festivals wie das alljährlich in Aarhus stattfindende Spot-Festival, bei dem gerade internationale Booker auf die interessantesten Newcomer aus Skandinavien aufmerksam werden können.

Und auch etablierte Festivals wie Roskilde geben speziell den Bands aus der Region im Rahmen von Warm-up-Tagen die Möglichkeit, sich im ganz großen Rahmen zu präsentieren. MÖ nutzte das blaue Zelt in Roskilde im vergangenen Jahr, um als alleiniger Abend-Headliner fast 20.000 Menschen anzuziehen. Beweisen konnte sie in diesem Rahmen, dass sie auch auf großen Bühnen ein überzeugender Liveact zwischen Indie-Pop und frontaler Hip-Hop-Attitüde ist. Internationale Beobachter rückten sie in die Nähe von Grimes, andere sahen ein wenig Lana Del Ray unter dem Einfluss von Hip-Hop-Juckpulver in ihr. Mittlerweile ist sie zudem bei Sony unter Vertrag.

Livevild von MÖ

MÖ/Facebook

Schwimmt im Moment ganz oben auf der dänischen Musikwelle: Karen Marie Örsted alias MÖ (und eigentlich durchgestrichenem O)

„Was sicherlich hilft“, erzählt Kjellberg, "ist im Moment das Umfeld, in dem Musik in Dänemark produziert wird. Musikredakteure von Sendern wie P6 Beat (einem Webradiosender des öffentlich-rechtlichen dänischen Rundfunks) haben ein wirklich gutes Händchen, neue Sachen aufzugreifen, die dann wieder recht rasch auch von den mainstreamigeren Stationen gespielt werden.

MÖ: „Man muss sein Ding durchziehen“

Auch MÖ betont im Gespräch mit ORF.at, dass sie im Moment die dänische Musikmodewelle nutzen könne. „Eigentlich habe ich vom gesamten Musikbusiness gar nicht so viel mitbekommen“, so die 25-jährige Musikerin, die im letzten Jahr national einen beinahe kometenhaften Aufstieg hingelegt hat. Ihr helfe dabei, dass sie seit dem Umzug aus ihrer Heimatstadt Odense nach Kopenhagen einfach weiter ihr „Ding“ durchziehen und das nun auch live weiterentwickeln könne. „Für mich bleibt entscheidend: Kann ich mir selber treu bleiben, ohne zu viele Kompromisse zu machen?“

Mö auf der Bühne in Austin

MÖ/Facebook

MÖ: Innerhalb Dänemarks halfen Spot-Festival und die Warm-up-Tage von Roskilde für den raschen Aufstieg der Musikerin

Hilfreich war für sie wohl auch, dass man besonders in Europa jedes Jahr bereits auf einen neuen angesagten Act aus Dänemark - etwa über die Musikexportschiene „Spot on Denmark“ - wartet. Ihre Erklärung für den Erfolg dänischer Bands: „Ich glaube, die dänische Musikszene knüpft im Moment an eine internationale Erwartung im Pop an - und die ist nun mal, dass Pop kantiger und ruppiger sein darf.“ Ende April kommt MÖ nach Wien.

„Unmöglich, uns nicht zu mögen“

Und WhoMadeWho beehren Österreich bereits Ende März. Sie setzen, jetzt wo man sich altersmäßig dem 40er nähert, auf die seriösere Nummer (oder behauptet diese mal). Mit dem neuen Album „Dreams“ habe man so etwas wie den klassischen Popsong ins Auge gefasst. „Es ist unmöglich, ‚Dreams‘ nicht zu mögen“, scherzt Drummer Tomas Höffding - und in der Tat loben Musikkritiker das Album mit seinen klaren, melodischen Popsongs und den ins Falsett hochgezogenen Refrains.

Livebild Who Made Who auf der Bühne

WhoMadeWho

Die Dance-Lastigkeit früher Alben und Auftritte macht WhoMadeWho auf der ganzen Welt zu einer fixen Größe im Konzertzirkus - hier bei einem Auftritt in Kasachstan

„Wir müssen uns ganz schön anstrengen bei den nächsten Konzerten und dürfen nicht mehr so viel trinken wie früher, wenn wir die neuen Songs über die Bühne bringen wollen“, sinniert Kjellberg über die Tracks, die mittlerweile eher im Gefilde zwischen Miike Snow und Zoot Woman angesiedelt zu sein scheinen. Eine dänische Band, die selbstproklamiert „positiv über Gefühle“ singen will, nährt freilich den Verdacht, dass da ein doppelter Boden mitschwingt.

Soundinstallation auf einem WC

WhoMadeWho

Soundinstallation mit eigenem Humor: Remix zum Song „Hiding in the Darkness“

Konzerthinweise

Dänische Bands zurzeit auf Tour durch Österreich:

  • WhoMadeWho (31. März, Wien, brut)
  • Reptile Youth (27. April, Wien, Fluc)
  • MÖ (30. April, Wien, Fluc)

„Wir haben so einen schönen, positiven Song gemacht, und dann kommt Lasse (Martinussen, Anm.) mit seinem kranken Humor und macht so ein Video“, scherzt Höffding über die durchaus eigenwillige Umsetzung des Songs im Videoclip. Überhaupt will man ja jeden Anflug von „skandinavischer Melancholie“ zurückweisen.

Den Song „Hiding in the Darkness“ stellte man als 32-Spur-Soundinstallation in einem Kopenhagener Club, genauer gesagt auf dem Männerklo, aus. Wer immer sich einer bestimmten Position des Pissoirs näherte, löste Sensoren aus und mischte den Song damit neu ab. Kann so jemand in Konzerten seriöse, ernsthafte und positive Erwartungen nähren? Sollte WhoMadeWho in Wien doch wieder erwarten ein Romantikkonzert passieren - nur wenige Wochen später versprechen Reptile Youth als mittlerweile dänische Daueraufwühler der heimischen Konzertlandschaft Heilung.

Gerald Heidegger, ORF.at

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