Themenüberblick

Kiew stellt Russland Ultimatum

Wenige Tage vor dem umstrittenen Referendum auf der Krim hat die russische Armee eine Übung mit etwa 3.500 Fallschirmjägern angesetzt. Die Luftlandetruppen sollten bei einem parallelen Absprung mit Hilfe von 36 Transportflugzeugen ihre Kampfbereitschaft proben, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau der Staatsagentur Ria Nowosti am Dienstag zufolge mit.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die Übung stehe nicht im Zusammenhang mit der Krise auf der Krim, versicherte das Ministerium. Die moskautreue Führung der ukrainischen Halbinsel im Schwarzen Meer hat das Referendum über einen Beitritt zu Russland für Sonntag angesetzt. Als Vorbereitung darauf erklärte am Dienstag das prorussische Parlament der Krim die Halbinsel formell für unabhängig von der Ukraine.

Zur Begründung hieß es, der Schritt sei juristisch notwendig für den geplanten Beitritt der Krim zur Russischen Föderation wie auch für die Durchführung des umstrittenen Referendums darüber am Sonntag. Die Zentralregierung in Kiew, die EU und die USA halten den gesamten Abspaltungsprozess für völkerrechtswidrig.

Ukraine will Nationalgarde aus Veteranen bilden

Nur kurz vor der Bekanntmachung des russischen Militärmanövers hatte die ukrainische Führung angekündigt, ihr Militär verstärken zu wollen. Übergangspräsident Alexander Turtschinow sagte am Dienstag, sein Vorgänger Viktor Janukowitsch habe die Armee völlig heruntergewirtschaftet, dass sie praktisch von null wiederaufgebaut werden müsse. Er will nun eine Nationalgarde aus Veteranen aufstellen.

Aufgabe der Nationalgarde werde es sein, die ukrainischen Bürger gegen Kriminelle sowie Aggressoren aus dem In- und Ausland zu verteidigen. Eine Teilmobilmachung von Freiwilligen für die Truppe solle beginnen. Nach Angaben des Übergangsverteidigungsministers verfügt die Infanterie der Ukraine nur über 6.000 gefechtsbereite Soldaten, während Russland mehr als 200.000 Mann an der ukrainischen Ostgrenze stehen habe.

Ultimatum an Russland

Das ukrainische Parlament forderte Russland nachdrücklich auf, seine Truppen sofort von der Krim abzuziehen und seine „aggressive Politik“ zu stoppen. Das Abgeordnetenhaus in Kiew appellierte zudem an die Krim-Bevölkerung, nicht an dem „illegalen“ Referendum am Sonntag teilzunehmen. Ferner hat die prowestliche Regierung russische TV-Sender landesweit aus dem ukrainischen Netz verbannt. „Wir haben die Streitkräfte in volle Kampfbereitschaft versetzt und eine landesweite Militärübung angesetzt“, sagte Übergangspräsident Turtschinow.

Als Reaktion auf die Erklärung setzte das ukrainische Parlament der regionalen Volksvertretung auf der Krim ein Ultimatum bis Mittwoch, um das geplante Referendum über eine Abspaltung abzusagen. Andernfalls müsse das Regionalparlament mit seiner Auflösung rechnen, hieß es in der am Dienstag in Kiew verabschiedeten Resolution.

Mutmaßlich russische und ukrainische Soldaten

AP/Darko Vojinovic

Mutmaßlich russische Soldaten (ohne Abzeichen) und ukrainische Soldaten stehen einander auf einem Militärstützpunkt gegenüber

Der ukrainische Sicherheitsdienst nahm am Dienstag einen mutmaßlichen russischen „Saboteur“ fest, der im östlichen Donezk prorussische Aktivisten ausgebildet und mit Waffen ausgestattet haben soll. Der 37-Jährige habe Verbindungen zu einem russischen Sicherheitsdienst und habe „Sabotagegruppen für Angriffe bei Kundgebungen ausgebildet“, sagte Behördenchef Valentin Naliwaitschenko am Dienstag in Kiew. Eine Sprecherin ergänzte, der Mann habe die Aktivisten mit „Waffen und Sprengstoff“ beliefert.

Janukowitsch ruft zur Befehlsverweigerung auf

Der vom ukrainischen Parlament abgesetzte Janukowitsch rief die Streitkräfte des Landes indessen zur Befehlsverweigerung auf. Er sei nach wie vor der rechtmäßige Staatschef und somit auch Oberbefehlshaber des Militärs, sagte Janukowitsch am Dienstag auf einer Pressekonferenz im russischen Rostow am Don. Die Armee solle keine „kriminellen Befehle“ befolgen.

Eine „Bande von Ultranationalisten und Neofaschisten“ habe die Macht in Kiew übernommen. „Ich möchte die westlichen Schutzpatrone dieser dunklen Mächte fragen: Seid Ihr blind geworden? Habt Ihr vergessen, was Faschismus ist?“ Er bezeichnete die Vorgehensweise gegen ihn als „Terror“. „Wenn es die Umstände zulassen, kehre ich nach Kiew zurück“, so Janukowitsch.

Flughafen besetzt, nur noch Flüge nach Moskau

Die Krim schottet sich unterdessen immer weiter von der Ukraine ab: Im Vorfeld des Referendums wurden mit Ausnahme der Verbindungen aus Moskau alle Flüge in die Krim-Hauptstadt Simferopol ausgesetzt. Prorussische Bewaffnete übernahmen am Dienstag die Kontrolle über den Flughafen und sagten sämtliche Flüge bis auf jene aus Moskau ab, berichtete ein AFP-Reporter. Einer Maschine aus Kiew wurde die Landeerlaubnis verweigert, so dass sie umkehren musste. Die Milizionäre hinderten Reporter daran, mit Flughafenmitarbeitern zu sprechen.

Russische Muttersprachler sollen unterdessen nach dem Willen der Regierung in Moskau künftig einfacher die russische Staatsbürgerschaft erhalten. Der Schritt mitten in der Krim-Krise zielt nach Ansicht von Experten auf Millionen Menschen auf der ukrainischen Halbinsel sowie im Osten und Süden des Nachbarlandes.

Krim will Schiffe nicht herausgeben

Die selbst ernannte Führung der Krim will außerdem die in Häfen der Halbinsel stationierten ukrainischen Kriegsschiffe beschlagnahmen und nicht an die Regierung in Kiew zurückgeben. Der Fahrweg in Sewastopol sei bereits blockiert, sagte der moskautreue Regierungschef Sergej Axjonow am Dienstag der Agentur RIA Nowosti.

„Die dortige ukrainische Flotte wird in vollem Umfang verstaatlicht - wir sind nicht im Begriff, die Schiffe herauszugeben“, betonte er. Die Autonome Halbinsel entscheidet am Sonntag in einem Referendum über einen Beitritt zu Russland. Die prowestliche Führung in Kiew sowie die EU und die USA halten die Befragung für verfassungswidrig.

NATO rüstet an Grenzen zu Ukraine auf

Die NATO kündigte angesichts der Ukraine-Krise an, über Polen und Rumänien Kampfflugzeuge patrouillieren zu lassen. Das sei Teil der Bemühungen der Militärallianz, „die Krise in der früheren Sowjetrepublik zu beobachten“, teilte ein NATO-Beamter in Brüssel mit. Die USA beschlossen zudem die Verlegung von zwölf F-16-Kampfjets nach Polen.

Innenaufnahme eines Aufklärungsflugzeuges der NATO

Reuters/Yves Herman

AWACS-Maschinen starten vom deutschen Geilenkirchen und vom britischen Waddington aus

Kampfflugzeuge der NATO patrouillieren routinemäßig über den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, die der westlichen Militärallianz angehören, aber selbst über keine schlagkräftige Luftwaffe verfügen. Die Verantwortung für den Einsatz wechselt alle vier Monate zwischen den Verbündeten, seit Jänner fliegen bereits vier US-Kampfjets vom Typ F-15 über dem Baltikum. Polen, wo man sich zuletzt besonders besorgt über Russlands Präsenz auf der Krim gezeigt hat, hat selbst 48 F-16-Kampfflugzeuge.

Die Regierung in Stockholm beschloss, eine militärische Übungsmaschine vorübergehend in die Ukraine zu entsenden. Kiew habe Schweden im Rahmen der OSZE-Militärzusammenarbeit „Open Skies“ (Vertrag über den offenen Himmel) darum ersucht, sagte Verteidigungsministerin Karin Engström am Dienstag. Geplant ist laut der Ministerin ein Flug über der Ukraine zur Einholung von „unabhängigen Informationen über die Situation in der Ukraine. Das dürfte einen Beitrag zur Stabilisierung der gespannten Lage leisten“, zitierte die schwedische Nachrichtenagentur TT die Ministerin.

US-Manöver begonnen

Mit eintägiger Verspätung begann unterdessen am Mittwoch im Schwarzen Meer ein gemeinsames Marinemanöver der USA mit Bulgarien und Rumänien. An der mehrtägigen Übung nimmt der US-Lenkwaffenzerstörer „Truxtun“ mit einer Besatzung von 300 Marinesoldaten teil. Nach Angaben der bulgarischen Marine gehören auch die bulgarische Fregatte „Drazki“ und drei rumänische Schiffe zu dem Übungsverband. Das Manöver findet gegenüber der Krim statt. In Polen finden gleichzeitig Luftwaffenmanöver statt, an denen die USA ebenfalls beteiligt sind. Zudem entsandte die NATO AWACS-Flugzeuge zur Kontrolle des Luftraums rund um die Ukraine.

Links: