Sex, Drogen und ganz viel Geld
„Die Gier ist gut. Die Gier ist richtig, die Gier funktioniert.“ Schon in den 1980er Jahren hat Michael Douglas als Gordon Gekko eindrucksvoll gezeigt, welch tiefe Abgründe sich im internationalen Börsenparkett auftun können. In Martin Scorseses neuem Film „The Wolf of Wall Street“ legt Leonardo DiCaprio als amoralischer Banker noch einen drauf und lädt zur enthemmten Orgie der Geschmacklosigkeiten.
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Der Schauspieler verkörpert Jordan Belfort, auf dessen Autobiografie der Film basiert und der mit seinem eigenen Maklerunternehmen Stratton Oakmont schon mit Mitte 20 zum Multimillionär wurde. Es gelang ihm, die Brokerfirma zu einer der größten in den Vereinigten Staaten zu machen, bevor er wegen Verwicklung in Wertpapierbetrügereien und Geldwäsche zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde.
Die permanente Jagd nach hohen Provisionen
Scorsese setzt bei Belforts Anfängen an der Wall Street an. Als junger Broker lernt er von seinem Mentor Mark Hanna (Matthew McConaughey) schnell das Wesentliche an seinem neuen Job: Es geht nicht um das Wohl der Klienten oder strategische Entscheidungen nach ethischen Maßstäben, sondern vielmehr darum, durch hohe Provisionen das Maximum für sich selbst herauszuholen.

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Jordan Belfort (Leonardo DiCaprio) macht ein Millionenvermögen mit Verkaufstalent und Betrug
Weil er beim großen Börsenkrach von 1987 seinen Job verliert, sucht er sich am fast unregulierten Markt der Penny-Stocks ein neues Betätigungsfeld und wird durch sein Verkaufstalent schnell vom Underdog zu einer der schillerndsten Gestalten der Hochfinanz. Statt sein Vermögen mit der noblen Geheimniskrämerei der Superreichen zu verprassen, ist bei Belfort alles laut, schrill und protzig.
Nackte Frauen als Statussymbole
Vom weißen Ferrari („wie der von Sonny Crockett in ‚Miami Vice‘“) bis zur Superjacht, dem Haus in den Hamptons und dem eigenen Hubschrauber gibt es wohl kein Statussymbol, das er sich nicht umhängen würde. Als solche fungieren auch die Frauen in seinem Leben. Kein Wunder also, dass er die biedere Jugendliebe Teresa (Cristin Milioti) schnell mit der ebenso schillernden wie anspruchsvollen Naomi (Margot Robbie) austauscht. Die meisten anderen Frauen in seinem Leben (und das sind viele) sind namenlos, perfekt proportioniert und meistens nackt.

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Gemeinsam mit seinen recht zwielichtigen Freunden tut Belfort alles, um sein Geld vor dem Finanzamt zu verstecken
Dass DiCaprio sich mit seiner Rolle für die ganz großen Filmpreise empfohlen hat, verwundert nicht, sieht man ihn doch so in völliger Ungehemmtheit, mit einem beeindruckenden Maß an Körperlichkeit drei Stunden lang permanent unter Hochspannung. Er schnupft Kokain in rauen Mengen, gern auch vom Hintern einer jener Prostituierten, die sich wie ein Harem ständig um ihn scharen. Wenn Belfort Charakterzüge hat, die annähernd so stark ausgeprägt sind wie seine Gier, dann ist es Vergnügungs- und Geltungssucht.
Keine Zeit für Zwischentöne
Scorsese zeichnet den Börsenhai als moralisch völlig verkommenes Drogenwrack ohne Skrupel - und doch schwingt ein großes Maß an Bewunderung für dessen Genialität in den Bereichen Verkauf und Betrug mit. Mit Systemkritik oder Zwischentönen hält sich der Regisseur dabei gleich gar nicht auf. Sein Film ist eine einzige lange laute Party, von Gruppensexorgien im Büro (und im Hotel, im Flugzeug, im Strandhaus) bis zum Dauerrausch. Auf Substanzielles und Erklärungen verzichtet er dafür weitgehend.
Der „echte“ Wolf, Jason Belfort, scheint gar kein Problem mit seiner Porträtierung durch Scorsese zu haben. Im Gegenteil: Er wirbt auf seiner Website mit dem Film für seine Verkaufstrainings und -strategie. So gesehen ist ihm mit dem Verkauf der Filmrechte an seinen zuvor als Buch erschienenen Memoiren ein erneuter Supercoup gelungen. Wer könnte sich sonst schon ein dreistündiges Imagevideo von Scoresese mit einem Produktionsbudget von 100 Mio. Dollar leisten?
Der erste Oscar für DiCaprio?
Es ist bereits die fünfte Zusammenarbeit von DiCaprio und Scorsese, den der Schauspieler für den „größten lebenden Regisseur“ hält. Kein Wunder, erntete er für die gemeinsamen Produktionen nicht nur viel Lob, sondern auch eine ganze Reihe an Auszeichnungen und Nominierungen. Seine Rolle in „Wolf of Wall Street“ könnte ihm nun einen der wenigen Preise einbringen, die ihm in der Sammlung noch fehlen: den Oscar. DiCaprio war dafür zwar schon dreimal nominiert (für die beste Nebenrolle in „Gilbert Grape“, für die besten Hauptrollen in „Aviator“ und „Blood Diamond“), gewonnen hat er ihn aber noch nie. 2014 ist die Konkurrenz im Rennen um die goldene Statue erneut groß, doch DiCaprios Chancen stehen nicht schlecht - spätestens seit dem Gewinn des Golden Globes am Sonntag zählt er jedenfalls zu den großen Favoriten.
Sophia Felbermair, ORF.at
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