Armee fordert „dringende Schritte“
Am Freitag hat sich das ukrainische Militär an Präsident Viktor Janukowitsch gewandt und von ihm als Oberbefehlshaber des Militärs akute Maßnahmen gefordert, um die Lage im Land wieder zu stabilisieren. Unterdessen dauern die Proteste weiter an. Die Opposition will den einen Tage zuvor gefällten Amnestiebeschluss nicht akzeptieren, weil er an zu viele Bedingungen geknüpft ist.
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„Die Soldaten und Angestellten des Verteidigungsministeriums rufen den Oberkommandeur der Streitkräfte (den Präsidenten) auf, im Rahmen der aktuellen Gesetze dringende Schritte zu ergreifen, um die Situation im Land zu stabilisieren und Einverständnis in der Gesellschaft zu erreichen“, hieß es in einer am Freitag auf der Website des Verteidigungsministeriums veröffentlichten Erklärung.
In dem Schreiben werden weiters „die Erstürmung öffentlicher Gebäude und die Versuche, die Regierung an der Erfüllung ihrer Aufgaben zu hindern“, als „inakzeptabel“ kritisiert. Die Soldaten und Angestellten warnten davor, dass eine „Verschärfung der Konfrontation die territoriale Integrität“ der Ukraine bedrohe. In der Ukraine gibt es seit Ende November teils gewaltsame Proteste der proeuropäischen Opposition gegen Präsident Viktor Janukowitsch.
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen zeigte sich angesichts der Forderungen über ein mögliches Eingreifen des Militärs „besorgt“. „Das Militär der Ukraine genießt hohes Ansehen und muss neutral bleiben“, schrieb Rasmussen am Freitag im Kurzmitteilungsdienst Twitter. „Ich verfolge die Entwicklung weiterhin mit Sorge.“
Schwere Kritik von Menschenrechtlern
Menschenrechtler kritisierten indes, Polizeieinheiten hätten während der Straßenschlachten mit radikalen Regierungsgegnern absichtlich auch Journalisten und Ärzte angegriffen. Die Opposition beklagt zudem, dass etwa 30 Aktivisten verschleppt worden seien, angeblich von angeheuerten Schlägerbanden.
Acht Tage nach seinem Verschwinden wurde ein entführter Regierungsgegner schwer misshandelt gefunden. Seine Peiniger hätten ihn massiv gefoltert und einen Teil seines Ohrs abgeschnitten, berichtete der Aktivist Dimitri Burlatow - mehr dazu in iptv.ORF.at. Der Oppositionspolitiker Witali Klitschko sprach von einem „Akt der Einschüchterung“.
Gespräche mit EU-Vertretern
Der Ex-Boxweltmeister hat am Freitag gemeinsam mit seinem Oppositionskollegen Arseni Jazenjuk in München aufbrechen bei der Sicherheitskonferenz um Unterstützung geworben. Geplant seien Gespräche mit US-Außenminister John Kerry und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, teilte Klitschkos Partei Udar (Schlag) mit. Auch der amtierende ukrainische Außenminister Leonid Koschara wurde in München erwartet, wo er sich unter anderem mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow sowie dem für Nachbarschaftspolitik zuständigen EU-Kommissar Stefan Füle treffen will.
Der russische Vizeregierungschef Dimitri Rogosin kritisierte das Treffen von Kerry mit der ukrainischen Opposition als „Zirkus“. Moskau hatte dem Westen wiederholt vorgeworfen, sich in die inneren Angelegenheiten der früheren Sowjetrepublik einzumischen und den Machtkampf in Kiew anzuheizen. Die Proteste in der Ukraine waren ausgebrochen, nachdem Präsident Janukowitsch Ende November auf Druck Russlands ein historisches Partnerschaftsabkommen mit der Europäischen Union auf Eis gelegt hatte.
Die USA forderten Janukowitsch auf, weitere Zugeständnisse an die Opposition zu machen. Außenminister John Kerry sagte am Freitag bei einem Besuch in Berlin: „Die Angebote von Präsident Janukowitsch haben noch kein angemessenes Maß erreicht.“ Der Opposition sei es deshalb noch nicht möglich, in eine „Art Regierung der Einheit“ einzutreten. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte: „Mein Eindruck ist, dass Janukowitsch den Ernst der Lage immer noch nicht erkannt hat.“ Beide Minister forderten die Konfliktparteien in Kiew zum politischen Dialog ohne Gewalt auf.
Asarow in Wien?
Unterdessen soll sich laut einem Bericht der „Kronen Zeitung“ (Onlineausgabe) der am Dienstag zurückgetretene Regierungschef Nikola Asarow nach Österreich abgesetzt haben. Mit seinem Privatjet habe er sich zu seinem Sohn nach Wien bringen lassen, schrieb die Zeitung am Freitag. Die ukrainische Botschaft in Wien wollte die Angaben auf APA-Anfrage nicht bestätigen. „Wir haben dazu offiziell keine Informationen“, so eine Sprecherin. Laut „Krone“ hat Asarow angeblich vor, „für eine längere Zeit in Wien unterzutauchen“.
Wie das Nachrichtenmagazins „Format“ in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, besitzt der Sohn des zurückgetretenen ukrainischen Premiers eine Villa in Wien-Währing (Pötzleinsdorf). Zudem soll er an diversen Firmengeschäften beteiligt sein. Wien soll als „Angelpunkt millionenschwerer Finanz- und Immobiliendeals“ für Asarow und Präsident Viktor Janukowitsch dienen, so das „Format“.
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