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Kommando retour mit vielen Gründen

Stromsparen, mehr Kostentransparenz und mehr Macht für mündige Konsumenten: All das hat man sich von den „intelligenten“ Stromzählern („Smart Meters“) versprochen - und verspricht es sich gerade im Fall von Österreich, das sich zur flächendeckenden Einführung bis 2019 verpflichtet hat, immer noch. Angesichts von wenig berauschenden Feldversuchen mehren sich aber Rufe nach einer Abkehr.

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Die Bandbreite derer, die inzwischen ein Kommando retour fordern, reicht von der Arbeiterkammer (AK) bis zur FPÖ - mehr dazu in help.ORF.at, mit Datenschützern und unabhängigen Stromerzeugern ebenso wie heimischen Energieversorgern dazwischen. Sie alle berufen sich auf aktuelle Studien mit denkbar schlechten Urteilen über die neue Technologie. Dass die Zähler, die den Stromverbrauch einzelner Geräte abbilden, beim Verbraucher mehr Bewusstsein über die verbrauchte Energie wecken und so Energie sparen helfen, stimmt demnach kaum.

Lust am neuen Gadget verfliegt schnell

Geht es nach einer aktuellen Studie etwa aus der Schweiz, verlieren die Konsumenten schnell die Lust am neuen Gadget im Haushalt. Demnach wird höchstens anfangs kontrolliert, welches Gerät wie viel verbraucht und wie man sparen könnte - etwa durch bewusste Nutzung von Geräten abseits der Spitzenzeiten zu günstigeren Tarifen. Nach einiger Zeit wird die Waschmaschine von den meisten aber wieder eingeschaltet, wenn sich die Schmutzwäsche türmt, und nicht dann, wenn der Tarif passt.

Die Umstellung der europäischen Haushalte auf „Smart Meters“, auch bei Gas, ist allerdings schon auf Schiene: Laut EU-Vorgaben müssen bis 2020 mindestens 80 Prozent aller Haushalte mit einem „Smart Meter“ ausgestattet sein. Österreich will schon 2019 bei 95 Prozent liegen und sich damit in die Liga der europäischen „Smart Meter“-Vorreiter einreihen, zu denen bisher etwa Italien und Schweden gehören.

Warum Österreich den „Musterschüler spielt“

Dass Österreich bei „Smart Metering“ „den Musterschüler spielen will“ (AK), hat mehrere Gründe: Während etwa Deutschland nicht einmal vier Prozent Strom aus eigenen Fließkraftwerken gewinnt, kommt der in Österreich erzeugte Strom fast zur Hälfte aus Fließkraftwerken, deren Leistung nicht beliebig hoch- und heruntergefahren werden kann. Österreichs Energiewirtschaft hat schon deshalb Interesse, den Stromverbrauch möglichst gleichmäßig über den Tag zu verteilen.

Das starke Engagement heimischer Firmen in Sachen „Smart Metering“, vor allem Kapsch und Siemens Österreich, trägt wohl ebenfalls zu Österreichs „Musterschüler“-Rolle bei. Und schließlich haben auch die Energieversorger von den „intelligenten“ Zählern Vorteile: Weder für das Ablesen, noch für das Ein- und Ausschalten oder das Ummelden der ferngesteuerten Zähler müssen Mitarbeiter aus dem Haus. Trotzdem wächst auch bei den Versorgern der Widerstand.

Wiener Kritik an „voreiliger“ Entscheidung

Die niederösterreichische EVN und die Wiener Netze haben den Roll-out der „Smart Meters“ bereits offiziell verschoben. Wiener-Stadtwerke-Energievorstand Marc Hall meinte schon Ende November, Österreich sei mit seiner strikten „Smart Meter“-Vorgabe „voreilig“ gewesen. Auch die Steiermark zögert bei der weiteren Bestückung von Haushalten. Oberösterreich umgekehrt liegt mit der „Smart Meter“-Durchdringung gut im Plan und sieht auch keinen Grund, von dieser Strategie abzugehen.

Der neue Widerstand bei den Energieversorgern hat mit der inzwischen revidierten Kosten-Nutzen-Rechnung zu tun: Der Austausch der rund 5,5 Millionen alten Stromzähler wird laut Angaben der Energiewirtschaft rund zwei Milliarden Euro kosten. Zudem werden die neuen Geräte öfter ausgetauscht werden müssen, während altmodische Zähler eine deutlich längere Lebensdauer aufweisen. Die heimische E-Control verspricht den Konsumenten, dass die Umstellungskosten sie nicht zusätzlich belasten werden.

Verfassungswidrig?

Zudem schlummert in den heimischen Normen zum „Smart Meter“ ein ungelöster Widerspruch: Im Sommer gab der Nationalrat durch eine Gesetzesabänderung den Konsumenten die Möglichkeit, den intelligenten Zähler per Opt-out zu verweigern. Kombiniert man das mit der Vorgabe der Bestückung von 95 Prozent aller Haushalte, hieße das, dass die ersten fünf Prozent der Kunden dürfen, was die restlichen 95 Prozent nicht mehr dürfen. Das könnte gleichheitswidrig sein.

Verwaltungsrechtsexperte Daniel Ennöckl bestätigte gegenüber ORF.at, dass die Zusammenschau der beiden Normen „gleichheitsrechtliche Fragen aufwirft“. Darüber, ob sie als verfassungswidrig aufgehoben werden könnten, will der Wiener Universitätsprofessor aber keine Prognosen anstellen: Man könne „nie vorhersehen, was die Verfassungsrichter sagen“. Das Wirtschaftsministerium sieht jedenfalls keinen Grund, an der bestehenden Verordnung etwas zu ändern.

Ministerium spielt Ball an E-Control weiter

Gegenüber ORF.at verwies das Ministerium darauf, dass die Einführung ohnehin in einem Stufenplan erfolgen solle, der der „E-Wirtschaft ausreichend Zeit und Planungssicherheit“ gebe. Demnach müssen bis Ende 2015 zehn Prozent und zwei Jahre später 70 Prozent aller Zähler ausgetauscht sein. Im Hinblick auf die Probleme bei der Opt-out-Regelung verweist das Ministerium auf den Gesetzestext, wonach der „Wunsch eines Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhalten“, zu „berücksichtigen“ sei.

Das Ministerium stellt sich auf den Standpunkt, dass „die Vollziehung der Smart-Meter-Einführung jetzt bei den Netzbetreibern liegt“ und Sache des heimischen Energieregulators E-Control als unabhängiger Behörde sei. Dort wiederum verwies Vorstand Martin Graf gegenüber ORF.at darauf, dass man „durch Gesetz und Verordnung determiniert“ sei, also die beschlossenen Normen vollziehen muss, ob man will oder nicht. Graf glaubt jedoch, dass der brenzlige Fall, dass mehr als fünf Prozent der Konsumenten die „intelligenten“ Zähler verweigern, gar nicht eintreten wird.

Mit Absicht schlechtgemacht?

Die Energieversorger haben aus Grafs Sicht auch die Aufgabe, die Kunden über die Vorteile des „Smart Metering“ zu informieren. Dass der Technologie die Zukunft gehört, glaubt Graf weiterhin. Man dürfe nicht nur den „verkürzten“ Blick auf den Endkunden im Auge haben, sondern müsse „den gesamten Nutzen zusammenrechnen“, also auch die bessere Position des Stromversorgers beim Energiekauf durch genauere Informationen, wann wo wie viel Energie benötigt wird.

Statt auf die Vorteile der „intelligenten“ Zähler hinzuweisen, werde die Diskussion darüber derzeit zum Teil auch bewusst „in eine andere Richtung getrieben“, vermutet Graf. Dass gerade auch Energieversorger immer weniger Sympathien für „Smart Meters“ zeigen, könnte laut Graf gerade mit den Vorteilen des Geräts für die Endkunden zu tun haben - konkret dem dann wesentlich einfacheren Wechsel des Stromanbieters.

Lukas Zimmer, ORF.at

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