Nicht nur uneigennützige Motive
Mit der Intervention in Mali Mitte Jänner und dem derzeitigen Einsatz in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) hat Paris in diesem Jahr bereits zweimal in Afrika militärisch eingegriffen. Fakt ist, dass Frankreich die einzige Militärmacht an Ort und Stelle ist, die dazu in der Lage – und vor allem – bereit ist. Völlig uneigennützig ist der Eifer sicher nicht, aber auch nicht ganz freiwillig.
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Paris wird seine Rolle als der „Gendarm“ Afrikas aus historischen und aktuellen Gründen nicht recht los. Dabei haben sich bereits mehrere Präsidenten davon losgesagt. Als einer davon hatte der Vorgänger des derzeitigen sozialistischen französischen Präsidenten Francois Hollande, der Konservative Nicolas Sarkozy (2007 bis 2012), die Ära „Francafrique“ für beendet erklärt („Francafrique, c’est fini“). Damit meinte er die spezifische Form der Diplomatie, die stets auch eine aktive Beteiligung an diversen Machtspielen in früheren afrikanischen Kolonien beinhaltet hatte – das Stützen und Stürzen diverser Machthaber inklusive.

APA/Margret Schmitt; ORF.at
Frankreich ist mit seinen Streitkräften und der eingegliederten Fremdenlegion in Afrika ständig präsent
Erst vor wenigen Tagen stellte nun Hollande fest, Afrika müsse seine Zukunft selbst in die Hand nehmen und auch für seine Sicherheit selbst sorgen können. Paris wolle in Zukunft wenn, dann nur noch unterstützend - etwa in der Ausbildung von Soldaten für Friedenstruppen der Afrikanischen Union (AU) - tätig werden. Praktisch gleichzeitig erteilte Hollande allerdings grünes Licht für die Entsendung von bisher 1.600 Soldaten zu einem Kampfeinsatz nach Zentralafrika.
„Wir haben eine Geschichte“
Auf der Suche nach Gründen für diesen Widerspruch werden Paris nun die unterschiedlichsten Motive unterstellt - von neokolonialen Interessen der „Grande Nation“ bis hin zu Ablenkungsmanövern von innenpolitischen Miseren. Schließlich hat Hollande nicht die besten Umfragewerte, die Wirtschaftsdaten sind schlecht, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Alle Erklärungen haben ihr Für und Wider.
Viele Menschen würden sich fragen, weshalb Frankreich militärisch in Zentralafrika eingreife, zitierte der britische „Independent“ den französischen Staatschef aus einem Statement am Wochenende. „Es ist unsere Rolle. Wir haben eine Geschichte. Wir haben Werte.“ Es habe nach dem Ende der Kolonialzeit zahlreiche französische Militäraktionen in Afrika gegeben. „Sie waren immer dazu da, Diktatoren zu verteidigen oder zu stürzen. Ich verteidige lieber Menschen.“
Auch handfeste Wirtschaftsinteressen
Dass es nur darum geht, nimmt man Hollande aber nicht ab. Paris gehe das hohe Risiko in Zentralafrika sicher „nicht aus reiner Nächstenliebe ein. Die militärische Präsenz ermöglicht es Frankreich, einen Fuß im frankophonen Afrika zu behalten, wo es im Schatten von China zunehmend zur Quantite negligeable (vernachlässigbaren Größe, Anm.) wird“, hatte kürzlich die „Neue Zürcher Zeitung“ („NZZ“) kommentiert.
Das SRF ortete wiederum ähnliche Gründe: Vom Wirtschaftsboom der afrikanischen Nationen profitierten derzeit „andere, allen voran China - auch deswegen will Hollande in den ehemaligen Kolonien wieder an Einfluss gewinnen“, so der Schweizer öffentlich-rechtliche Sender. Gleichzeitig fühle sich Frankreich aber auch aus seiner historischen Rolle heraus für Afrika verantwortlich – und ist auch faktisch die einzige ernstzunehmende und ständig präsente Militärmacht auf dem Kontinent, spätestens seitdem sich der strategische Fokus der USA stärker nach Asien verlagert hat.
„Schwächling zu Hause, Krieger in Afrika“
Der „Independent“ titulierte den französischen Präsidenten als „einen Schwächling zu Hause und einen Krieger in Afrika“. Innenpolitisch herrsche eher Reformflaute, dafür könne Hollande in der Außenpolitik „sehr entschlossen“ sein. Schließlich sei da aber auch noch die Erinnerung an den schrecklichen Völkermord in Ruanda im Jahr 1994, so die britische Tageszeitung. Damals hatte Frankreich eingeräumt, die wahre Dimension der Tragödie nicht erkannt zu haben.

Reuters/Joe Penney
Französischer Radpanzer in der Zentralafrikanischen Republik
Kolonialer „Klotz am Bein“
Ziemlich überzeugt davon, dass Frankreich seine Rolle wieder einmal nicht ganz freiwillig spielt, zeigte sich kürzlich die linksliberale „Liberation“. Hollande äußere „unverdrossen den frommen Wunsch“, dass Afrika „eines Tages seine eigene Sicherheit wird sicherstellen können“. Dazu brauche es allerdings ein stärkeres Engagement der internationalen Gemeinschaft – und die fehlt. Ohne koordinierte Politik und eine starke afrikanische Eingreiftruppe „wird Paris noch lange den Klotz seines postkolonialen Erbes am Bein haben“.
Dass es die „Gendarmen“-Rolle relativ allein spielen muss, ärgert Frankreich zusehends, vor allem, weil man nicht auch noch die finanzielle Last alleine stemmen will. Zuletzt forderte Hollande nun nicht nur eine Art gemeinsame „Kriegskassa“, sprich eine finanzielle Beteiligung der EU-Partner an Einsätzen wie dem in Zentralafrika. Paris dachte auch laut über eine europäische Beteiligung am Truppenkontingent nach. Als erste widersprach die deutsche Bundesregierung am Donnerstag quasi postwendend entsprechenden „Gerüchten“.
Bereits 1.600 Soldaten in der ZAR
Frankreich hat mittlerweile gut 1.600 Soldaten in der ZAR („Operation Sangaris“) stationiert, darunter auch Kräfte der Legion etrangere, der Französischen Fremdenlegion, die meist für Spezialaufgaben vorgesehen sind. Sie versuchen gemeinsam mit der afrikanischen AU-Friedenstruppe MISCA (Mission internationale de soutien en Centrafrique, Internationale Unterstützungsmission in Zentralafrika) der AU, die seit Monaten anhaltende Gewalt zwischen muslimischen und christlichen Milizen zu beenden.
In dem Konflikt starben alleine in der letzten Woche Hunderte Menschen, laut Schätzung der UNO befinden sich bereits 160.000 auf der Flucht. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) legte am Donnerstag einen Bericht vor, wonach die mehrheitlich muslimischen Rebellenmilizen als Rache für Morde durch Christenmilizen in wenigen Tagen beinahe 1.000 Zivilisten - und damit fast doppelt so viele wie davor geschätzt - getötet haben sollen. Begonnen hatten die Unruhen mit dem Sturz von Staatschef Francois Bozize bereits im März. Insgesamt will die AU 6.000 Soldaten in die ZAR entsenden. Die UNO billigte ein „robustes“ internationales Mandat, das heißt, einen Kampfeinsatz wie Anfang des Jahres in Mali.
In dem westafrikanischen Wüstenstaat hatten französische Truppen erstmals im Jänner aktiv in den Kampf gegen islamistische Rebellen eingegriffen. Nach dem Putsch gegen Präsident Amadou Toumani Toure im März 2012 hatten unterschiedliche islamistische, teils Al-Kaida-nahe Gruppen immer größere Teile des westafrikanischen Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Paris setzte bei der „Operation Serval“ mindestens 2.500 Soldaten - schwere Verbände und Kampfflugzeuge inklusive - ein. Die Kosten für die Militäraktion wurden auf rund 650 Mio. Euro geschätzt.
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