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Von der Leyen wird Oberbefehlshaberin

Das hat es noch nie gegeben: Mit Ursula von der Leyen wird erstmals eine Frau deutsche Verteidigungsministerin. Es ist eine echte Sensation. Das neue Amt birgt für die bisherige Arbeitsministerin Chancen, aber auch erhebliche Risiken.

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Eigentlich galt das deutsche Verteidigungsministerium als vergeben. Der bisherige Amtsinhaber Thomas de Maiziere schien für weitere vier Jahre auf einem der schwierigsten Posten des Kabinetts gesetzt zu sein. „Ich habe so viel gesät - jetzt möchte ich mal ernten“, hatte der CDU-Politiker selbst in Anspielung auf die von ihm konzipierte deutsche Bundeswehrreform gesagt, bei der sich die erwarteten positiven Effekte noch nicht eingestellt haben.

Gewinnerin der Regierungsbildung

Jetzt wird den Job jemand anderes fortführen. De Maizieres Parteifreundin von der Leyen wechselt vom Arbeits- ins Verteidigungsministerium. Es ist das erste Mal, dass eine Frau die Befehlsgewalt über die deutsche Bundeswehr erhält. Und es ist die große Sensation der Regierungsbildung. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kann die Personalie als Zeichen der Modernität ihrer Partei verkaufen. Und von der Leyen kann doch noch als Gewinnerin aus der Regierungsbildung hervorgehen - nachdem lange Zeit darüber spekuliert wurde, dass sie ins Gesundheitsministerium „abgeschoben“ wird.

Merkel vermittelte am Sonntag bei der Verkündung der Ministernamen den Eindruck, als sei der Coup schon lange geplant gewesen. „Meine Planungen für die Zusammensetzung des Kabinetts laufen seit Wochen. Meine Vorstellungen gerade an dieser Stelle sind sehr alt“, sagte sie. Zumindest für die breite Öffentlichkeit kam die Entscheidung aber völlig überraschend. Bei allen Spekulationen, die es in den letzten Monaten gegeben hatte - auf von der Leyen als Verteidigungsministerin kam bis zum Wochenende niemand.

Steile Karriere

Vor allem die internationalen Aspekte des Jobs dürften der 55-Jährigen gefallen. Die Mutter von sieben Kinder lebte lange Zeit im Ausland. Einen Großteil der Kindheit verbrachte sie in Brüssel, wo ihr Vater, der spätere niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU), bei der damaligen EG-Kommission arbeitete. 1977 ging sie nach dem Abitur für ein Jahr an die London School of Economics. Nach Medizinstudium, Heirat, Doktortitel und Geburt der ersten Kinder zog von der Leyen zusammen mit ihrem Mann Heiko für fünf Jahre nach Kalifornien. Beide waren an der Universität Stanford tätig.

In der deutschen Regierung war von der Leyen bisher als Familienministerin für den Ausbau der Kindertagesstätten und als Arbeitsministerin für Hartz IV zuständig. Nun soll sie Chefin von 185.000 Soldaten und 70.000 Zivilbeschäftigten werden und verantwortlich für einen Etat von 33,3 Milliarden Euro sein. Bei internationalen Ministertreffen wird sie als Frau nicht ganz alleine sein. In den Niederlanden gibt es eine Kollegin, und Schweden hat mit Karin Enström sogar eine Verteidigungsministerin, die eine Offizierslaufbahn hinter sich hat.

Sprungbrett ins Kanzleramt?

Ob sich der Bendlerblock (Sitz des deutschen Verteidigungsministeriums, Anm.) für von der Leyen als Sprungbrett für die weitere Karriere eignet, ist allerdings noch fraglich. Zum dritten Mal hintereinander zieht jemand mit Chancen auf das Kanzleramt in das Ministerium ein. Vor vier Jahren wechselte Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach der Bundestagswahl vom Wirtschafts- in das Verteidigungsministerium und avancierte innerhalb kürzester Zeit zum Superstar des zweiten Kabinetts Merkel. Die Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit ließ ihn dann allerdings noch schneller abstürzen, als er aufgestiegen war. Nach seinem Rücktritt übernahm de Maiziere die Truppe. Auch er blieb aber nur bis zur Affäre um die Skandaldrohne „Euro Hawk“ eine der wichtigsten Stützen der Regierung und einer der beliebtesten Politiker.

Risikobehaftetes Amt

Von der Leyen ist als Verteidigungsministerin eine ähnliche Medienaufmerksamkeit sicher wie Guttenberg. Sie hat alle Chancen, sich weiter für höhere Würden zu profilieren. Das Amt birgt aber auch erhebliche Risiken. Die Liste der Rücktritte von Verteidigungsministern ist lang. Sie reicht von Franz Josef Strauß über Rudolf Scharping bis Guttenberg.

Allerdings könnte von der Leyen den Rüstungssektor wohl eher in den Griff bekommen als der durch die Drohnenaffäre belastete de Maiziere. Es gibt aber auch noch weitere Baustellen: Der Frust in der Truppe über die deutsche Bundeswehrreform ist groß, der künftige Afghanistan-Einsatz muss organisiert werden. Und dann gibt es da noch eine Aufgabe, für die von der Leyen prädestiniert ist: Der Anteil der Frauen der deutschen Bundeswehr liegt mit rund zehn Prozent noch weit unter der Zielgröße von 15 Prozent.

Michael Fischer und Christoph Sator, dpa

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