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„Strukturelles Nulldefizit“ bis 2016

Im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz haben die Parteichefs von SPÖ und ÖVP, Werner Faymann und Michael Spindelegger, Freitagabend das Regierungsprogramm der Großen Koalition vorgestellt. Als erklärtes großes Ziel der künftigen Regierung gilt ein „strukturelles Nulldefizit“ bis 2016. Erreicht werden soll das notwendige Sparvolumen über Steuererhöhungen und Einsparungen.

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Der genaue Weg ist allerdings nur vage vorgezeichnet, Zahlen (zuletzt war von einem Sparbedarf von rund 18 Milliarden Euro die Rede) zum Budgetpfad 2014 bis 2018 finden sich in dem Vertragswerk nicht. Der Begriff des Nulldefizits selbst findet sich übrigens nur in der Präambel des Paktes, und zwar als notwendige Maßnahme, um aus der Krise gestärkt herauszugehen. Ins Auge fällt zudem, dass im Kapitel „Finanzen“ die vorgesehenen Maßnahmen unter „Finanzierungsvorbehalt“ gestellt werden.

Reihe neuer Steuern

Um das notwendige Sparvolumen zu schultern, wurde eine Reihe von einnahmen- und ausgabenseitigen Maßnahmen vereinbart. So soll die Tabaksteuer stufenweise um insgesamt 45 Cent angehoben werden, die 2005 abgeschaffte Schaumweinsteuer kommt wieder und soll einen Euro pro Liter betragen. Die Alkoholsteuer soll um 20 Prozent steigen. Im Umweltbereich sollen die Normverbrauchsabgabe für Neuwagenkäufe und die motorbezogene Kfz-Steuer umgestaltet werden. Erklärtes Ziel: höhere Steuern für PS-starke Fahrzeuge.

Kommen soll auch eine Abschaffung von steuerlichen Begünstigungen auf „Golden Handshakes“ und von Managergehältern über 500.000 Euro. Verlängert wird die Solidarabgabe für Spitzenverdiener (ab rund 186.000 Euro Jahresbrutto). Festgehalten wird an der Bankenabgabe, diese soll aber neu aufgestellt werden. Beschränkungen soll es bei der Gruppenbesteuerung geben. Auch sollen in Zukunft Nicht-EU-Bürger kapitalertragssteuerpflichtig werden.

Weitere Mittel sollen durch eine verstärkte Bekämpfung von Steuerbetrug lukriert werden, dafür ist ein eigenes Amt im Finanzministerium vorgesehen. Auch steuervermeidende Maßnahmen wie Offshore-Konstruktionen in Niedrigsteuerländern sollen eingeschränkt werden.

Weiter Warten auf Lohnsteuerreform

Keine zeitliche Vorgabe gibt es im Programm für die geplante Entlastung der Lohn- und Einkommensteuer, die eine Senkung des Eingangssteuersatzes von derzeit 36,5 in Richtung 25 Prozent zum Ziel hätte. Diese Maßnahme soll erst erfolgen, „sobald eine ausreichende Gegenfinanzierung oder budgetäre Spielräume gegeben sind“.

Fix ist lediglich die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die bis Ende 2014 einen „Reformpfad“ zur Harmonisierung und Steuervereinfachung vorlegen soll. Ein entsprechendes Gesetz soll bis Ende 2015 vorliegen, wann dieses in Kraft treten soll, bleibt offen. Ein Gesetzesentwurf bis Ende 2015 wurde zudem für eine Gebührenreform angekündigt.

ÖIAG-Reform

Als standortfördernde Maßnahmen sollen indessen die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Konkret sollen die Beiträge zum Insolvenzentgeltfonds und zur Unfallversicherung um je 0,1 Prozentpunkte sinken. Neu aufgestellt werden soll die Staatsholding ÖIAG. Privatisierungen sollen bis zu einer Sperrminorität von 25 Prozent ermöglicht werden. Neben den bereits bekannten Offensivmaßnahmen wie etwa dem Ausbau der Kinderbetreuung sollen 2014 und 2015 je 100 Mio. Euro zur Stärkung von Wachstum und Beschäftigung bereitgestellt werden.

Aus für Doppelgleisigkeiten bei Förderungen

Im Bereich der Förderungen sollen Doppelgleisigkeiten beseitigt werden. Dazu soll das Finanzministerium bis Ende März 2014 den Gebietskörperschaften einen Vorschlag für eine Reform vorlegen.

Neuer Anlauf für Spekulationsverbot

Einen neuen Anlauf nimmt die Regierung, um ein bundesweites Spekulationsverbot in den Verfassungsrang zu heben. Ebenfalls auf dem Plan der Regierung steht eine Harmonisierung der Haushaltsregeln aller Gebietskörperschaften mit Wirkung spätestens 2018. Der Finanzausgleich wird bis Ende 2016 verlängert, bis dahin soll eine umfassende Reform vorbereitet werden.

Faktisches Pensionsantrittsalter soll steigen

In Sachen Pensionen gilt die Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters bis 2018 - und zwar um 1,7 Jahre auf 60,1 Jahre - als Kernziel. Zur Überprüfung der eingeleiteten Maßnahmen wird ein halbjährliches Monitoring installiert. Gibt es bis Ende 2015 keine Erfolge, werden nicht näher konkretisierte Maßnahmen in Aussicht gestellt. Um ältere Arbeitnehmer länger im Job zu halten, wird für Arbeitgeber ein Bonus-Malus-System eingeführt. Für Arbeitnehmer ab einem Alter von 62 Jahren soll zudem die Möglichkeit einer Teilpension geschaffen werden.

„Kinderbetreuungsgeldkonto“

Im Familienbereich ist eine Systemumgestaltung des Kindergeldes geplant: Ein „Kinderbetreuungsgeldkonto“ soll eine Fixsumme enthalten, Dauer und Bezugshöhe sollen frei wählbar sein (bisher vier Varianten). Das Modell des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgelds bleibt bestehen.

Außerdem kommen soll die Erhöhung der Familienbeihilfe. Startzeitpunkt und Höhe sind im Regierungsprogramm allerdings nicht festgelegt. Der Ausbau der Kinderbetreuung soll mit den bereits angekündigten 350 Mio. Euro des Bundes in den nächsten vier Jahren erfolgen.

Zweites Gratiskindergartenjahr

Zudem soll es ein zweites Gratiskindergartenjahr für Vier- und Fünfjährige geben. Dieses soll für Kinder mit Sprach- und Entwicklungsdefiziten verpflichtend sein, dazu soll bei Vierjährigen der Entwicklungsstand festgestellt werden. Das letzte Kindergartenjahr soll Teil einer Schuleingangsphase werden, für Kinder mit Sprachförderbedarf werden verpflichtende Sprachkurse eingerichtet.

Geprüft werden soll eine Verkürzung des Anspruchs auf Elternteilzeit vom siebenten auf das fünfte Lebensjahr - bzw. eine weitere Senkung auf das vierte Lebensjahr parallel zum Ausbau der Kinderbetreuung. Ebenfalls geprüft werden soll die Einführung des „Papamonats“ auch in der Privatwirtschaft.

Neuerlich Absichtserklärung bei Beamten

In Sachen Beamtendienstrecht gibt die Regierung einmal mehr die Absichtserklärung ab, ein modernes und einheitliches Dienstrecht auf Bundesebene vorzubereiten. Gelten soll es für künftige Vertragsbedienstete und Beamte und es soll eine einheitliche, flachere Besoldungsstruktur bringen. „Überstandspersonal“ bei ÖBB, Post und Telekom Austria soll durch Anreize und Umschulung zum Wechsel in andere Dienststellen bewogen werden. Auch der Aufnahmestopp soll offenbar aufrechterhalten bleiben.

Justizanstalt mit Jugendabteilung

„Verbesserten Zugang zum Recht“ hat sich die Koalition in der Justiz auf ihre Fahnen geschrieben - und will Gerichte entlasten, Gerichtsgebühren evaluieren und eine neue Justizanstalt mit eigener Jugendabteilung im Raum Wien errichten. Weiterverfolgt werden soll eine Reform des Strafgesetzbuches (samt Beseitigung der Ungleichgewichte bei den Strafen). Ernst machen will Rot-Schwarz offenbar mit der Bezirksgerichtsreform: Die Länder sollen ihr Vetorecht dazu verlieren.

Finanzierbares Wohnen

Zur Schaffung von finanzierbarem Wohnraum ist unter anderem eine Absicherung der Wohnbaufördermittel und deren Zweckwidmung im Rahmen des ab 2017 geplanten Finanzausgleichs vorgesehen.

Mehr Ganztags-, weniger Sonderschulen

Im Schulbereich nimmt sich die Regierung vor, künftig die Zahl der verschränkten Ganztagsschulen anzuheben. An jedem Standort mit mehr als einer Jahrgangsklasse bzw. „in zumutbarer Entfernung“ soll es eine Klasse geben, die nach diesem Modell geführt wird - sobald etwa 15 Schüler dafür angemeldet werden.

Ergriffen werden soll auch ein Schritt hin zur Abschaffung der Sonderschulen, dazu sollen Modellregionen konzipiert und die bestehenden Sonderschulen weiterentwickelt werden. Außerdem geplant ist, den Schulen künftig mehr Autonomie zu ermöglichen.

Studiengebührenfrage bleibt offen

Im Hochschulbereich fehlt das Thema Studiengebühren komplett, es dürfte also bei der derzeit eingeschränkten Gebührenpflicht nur für Langzeit- und Nicht-EU-Studenten bleiben. Die Zugangsbeschränkungen dürften auf mehr als die derzeitigen fünf Studienfelder ausgeweitet werden, die Platzzahl in den betroffenen Studien darf nicht unter die derzeitige Marke rutschen.

Außerdem sollen bis zu 200 Professorenstellen geschaffen werden. Einmal mehr wird die Steigerung der Investitionen für Unis und Fachhochschulen auf zwei Prozent des BIP bis 2020 versprochen.

Zahnspange auf Krankenkassenkosten

Im Gesundheitsbereich ist beabsichtigt, dass die Kosten für Kieferregulierungen, festsitzenden Zahnersatz und Mundhygiene für Kinder und Jugendliche künftig von den Krankenkassen übernommen werden. Außerdem soll der Spitalskostenbeitrag für Kinder und Jugendliche abgeschafft werden. Geplant ist auch ein Gesundheitspass für Sieben- bis 18-Jährige.

Amtsverlust für verurteilte Politiker

Im Bereich der Wahlordnung sollen Vorzugsstimmenhürden gesenkt werden. Zum Demokratiepaket ist eine Enquete-Kommission vorgesehen - ebenso zum Sterbehilfeverbot. Betreffend schärfere Regeln für den Mandats- und Amtsverlust für strafrechtlich verurteilte Politiker wird für das erste Halbjahr 2014 ein Begutachtungsentwurf angekündigt. Gleiches gilt für das Vorhaben der Lockerung des Amtsgeheimnisses.

Ausstiegsklausel

Eingebaut haben Rot und Schwarz wie schon 2008 ein Überstimmungsverbot. Sollte gegen den Willen einer Koalitionspartei im Plenum oder in den Ausschüssen des Nationalrats ein Beschluss gefasst werden, dann gilt die Zusammenarbeit als beendet. Dasselbe gilt für die Durchsetzung einer Volksabstimmung gegen den Willen des Partners. In diesen Fällen wären die Parteien verpflichtet, „gemeinsam einen Neuwahlantrag zu beschließen“.

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