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Gegenseitiges Lob nach Einigung

Nach einem 17-stündigen Verhandlungsmarathon steht seit Mittwochfrüh ein Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. Zwar muss die Einigung noch von der SPD-Basis und bei einem kleinen CDU-Parteitag endgültig abgesegnet werden - mit Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) präsentierten sich die Parteichefs dennoch bereits im Stil einer Großen Koalition der Presse.

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Die vereinbarte Koalition will nach Worten von Kanzlerin Merkel wichtige Vorhaben für die Zukunft des Landes umsetzen. „Der Geist dieses Vertrages heißt, dass wir eine Große Koalition sind, um auch große Aufgaben für Deutschland zu meistern“, sagte die CDU-Chefin bei der Vorstellung der schwarz-roten Koalitionsvereinbarung in Berlin.

Lobende Worte fand Merkel für den Verlauf der Koalitionsgespräche. Diese seien, auch wenn es „ein bisschen länger gedauert“ habe, „sehr gut“ und von Vertrauen geprägt gewesen. Den in der Nacht ausgehandelten Vertrag sieht Merkel als eine gute Grundlage für eine erfolgreiche vierjährige Regierungsarbeit. „Wir haben gute Chancen, dass wir 2017 sagen können, dass es den Menschen besser geht als heute.“ Im Mittelpunkt stünden solide Finanzen, die Sicherung des Wohlstands und soziale Sicherheit. Die CDU werde zentrale Wahlkampfversprechen umsetzen. Dazu gehöre, dass es keine Steuererhöhungen gebe. Schwerpunkte seien auch mehr Verkehrsinvestitionen und die Energiewende.

Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) unterschreiben den Koalitionsvertrag

Reuters/Tobias Schwarz

Gabriel, Merkel und Seehofer unterzeichnen den Koalitionsvertrag

„Sehr sorgsam durchgerechnet“

Merkel wies Zweifel an der Finanzierbarkeit der Koalitionsvorhaben zurück. „Wir haben das alles sehr sorgsam durchgerechnet und angeglichen an die realen Möglichkeiten.“ Wegen der begrenzten Finanzspielräume seien in der Endrunde der Koalitionsverhandlungen aber viele Vorhaben noch weggefallen: „Wir mussten mehr streichen, als wir ausgeben konnten“, sagte Merkel. Zuvor hieß es aus Verhandlungskreisen, dass in der kommenden Legislaturperiode mit Mehrkosten von bis zu 23 Milliarden Euro zu rechnen sei.

Auch Seehofer sieht gute Lösung

Auch CSU-Chef Seehofer zeigte sich „hochzufrieden mit dem Inhalt des Vertrags“. Es würden massive Impulse für Forschung, Infrastruktur und Bildung gesetzt. Angesichts von Skepsis über die geplante Pkw-Maut für Ausländer sagte Seehofer: „Die Pkw-Maut steht im Vertrag.“ Der schwarz-rote Koalitionsvertrag beinhaltet nach Seehofers Worten Hilfe für Länder und Kommunen.

Zudem bringe er „massive Investitionen“ in die Infrastruktur und in Bildung. Der Vertrag für eine Große Koalition berge auch eine gerechte Sozialpolitik für die kleinen Leute. Er sei froh, dass die Mütterrente komme, sagte Seehofer. Auch bei dem von der SPD geforderten Mindestlohn sei eine gute Lösung gefunden worden.

Gabriel erwartet „breite Mehrheit“

Von einer Großen Koalition für große Aufgaben sprach SPD-Chef Gabriel. Auch dieser fand lobende Worte für das Gesprächsklima bei den Koalitionsverhandlungen und bezeichnete diese als „faire Veranstaltung“. Gabriel nannte drei große Aufgaben für die neue Regierung: die Stabilisierung Europas und des Euro, die Energiewende und die Reform des bundesstaatlichen Finanzausgleichs.

Angela Merkel zeigt den Koalitionsvertrag mit drei Unterschriften

APA/EPA/Maurizio Gambarini

Der schwarz-rote Koalitionsvertrag umfasst 185 Seiten

Gabriel zeigte sich überzeugt, dass die Koalitionsvereinbarung mit der Union von der Parteibasis gebilligt werde: „Wir werden eine breite Mehrheit für den Koalitionsvertrag finden.“ Sozialdemokraten stünden seit 150 Jahren dafür, das Leben der Menschen zu verbessern. „Deswegen werden die Mitglieder der SPD mit Sicherheit zustimmen“, sagte Gabriel.

Der weitere Fahrplan

Die SPD will noch in dieser Woche den gesamten Text des Koalitionsvertrags mit der Union als Sonderausgabe der Parteizeitung „Vorwärts“ an die Mitglieder verschicken. In den folgenden zwei Wochen wird sich die SPD-Spitze dann in zahlreichen Veranstaltungen der Basis stellen und für die Große Koalition werben. Alle rund 475.000 SPD-Mitglieder sollen per Briefwahl über das Regierungsbündnis abstimmen. Das Ergebnis soll am 14. Dezember vorliegen.

Bei der von der SPD-Spitze erwarteten Zusage könnte Merkel am 17. Dezember im Bundestag zum dritten Mal zur Kanzlerin gewählt werden. Das neue schwarz-rote Kabinett würde noch am selben Tag die Arbeit aufnehmen. SPD und Union waren bereits zwischen 2005 und 2009 unter Merkel gemeinsam an der Regierung. Zuvor gab es zwischen 1966 und 1969 schon einmal eine Große Koalition.

Ministerposten noch offen

Noch offen ist, wer dem Kabinett angehören wird. Laut Union und SPD soll die Zuteilung der Ministerien und deren Besetzung erst nach der Zustimmung der sozialdemokratischen Basis bekanntgegeben werden. Laut Gabriel war es der Wunsch seiner Partei, über die Inhalte des Vertrags zu entscheiden und nicht über Personalfragen. Merkel sagte, die CDU respektiere das, wenngleich man sich schon mit der Frage der Ministerien und der Minister beschäftigt habe. Auch Seehofer gab zu Protokoll, die Entscheidung sei „ausgesprochen klug“.

Soziales als Schwerpunkt

Bei den finalen Koalitionsverhandlungen konnte unter anderem eine Einigung über einen gesetzlichen Mindestlohn gefunden werden. Er soll 2015 kommen und bundesweit 8,50 Euro pro Stunde betragen. Allerdings können die Tarifpartner in einer Übergangszeit bis 2017 auch Abschlüsse vereinbaren, die unter 8,50 Euro liegen. Das kommt Union und Wirtschaft entgegen. Die Verständigungen zu Mindestlohn, Pensionen und zur doppelten Staatsbürgerschaft könnten die kritische SPD-Basis beruhigen.

Der erzielte Pensionskompromiss sieht vor, dass die von der SPD geforderte abschlagfreie Rente mit 63 Jahren nach 45 Beitragsjahren und die von der Union versprochene Besserstellung älterer Mütter, die vor 1992 Kinder bekommen haben, zum 1. Jänner 2014 eingeführt werden. Ferner soll eine „solidarische Lebensleistungsrente“ für Geringverdiener von bis zu 850 Euro pro Monat ab 2017 kommen.

Auch im Streit über die doppelte Staatsbürgerschaft erzielten beide Seiten eine Verständigung. Danach müssen sich in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern künftig nicht mehr bis zum 23. Geburtstag für einen der beiden Pässe entscheiden. Einen Kompromiss gab es auch bei der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung.

Maut weiter heikles Thema

Die Mauteinigung wurde unterschiedlich gewertet. Während die CSU von einem Erfolg für sich ausging, wurde in Kreisen von CDU und SPD die Formulierung für den Koalitionsvertrag lediglich als Prüfauftrag gewertet. Bedingung soll sein, dass die Maut nur ausländische Autofahrer belastet und mit dem Europarecht vereinbar ist. Dazu soll 2014 ein Gesetz verabschiedet werden. Merkel hatte vor der Wahl erklärt, mit ihr werde es keine Pkw-Maut geben.

SPD macht Abstriche bei Ökoprojekten

In der wichtigen Frage des Ausbauziels für erneuerbare Energien soll ein Ökostromanteil von 55 bis 60 Prozent bis zum Jahr 2030 angestrebt werden. Zuvor hatte die Union auf 50 bis 55 Prozent plädiert, die SPD hatte 75 Prozent als Ziel genannt. An der Zahl orientieren sich letztlich auch die Investitionsentscheidungen für neue Windparks und auch für neue konventionelle Kraftwerke.

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