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Alles kein Problem?

Österreich ist alles andere als barrierefrei, und gleiches Recht für alle gilt ebenfalls nicht für Menschen mit Lernschwierigkeiten: Das haben Vertreter von Vienna People First und dem Kompetenzzentrum von Jugend am Werk im Gespräch mit ORF.at kritisiert. ÖBB und Sozialministerium reagierten auf entsprechende Vorwürfe.

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Bei einem Lokalaugenschein auf dem Wiener Westbahnhof zeigten Oswald Föllerer und Günther Leitner von Vienna People First, wie kompliziert für Menschen mit Lernschwierigkeiten dort vieles ist. Kleine Schilder, komplexe Leitsysteme, uneindeutige Pfeile, zu kleine Schrift bei Hinweistafeln. Und insgesamt wird kritisiert, dass es an immer mehr Bahnhöfen nur Automaten statt Kassen gibt - eine große Hürde für Betroffene.

Zu letzterem Punkt hält die ÖBB-Pressestelle fest: „Heute werden bereits über 75 Prozent aller Fahrkarten an ÖBB-Fahrkartenautomaten oder online bzw. mobil über den ÖBB-Ticketshop gekauft. Und die starken Zuwachsraten bei diesen Vertriebskanälen zeigen, dass sich dieser Trend künftig fortsetzt. Wir werden daher keine weiteren Personenkassen eröffnen. Für Interessierte bieten wir viele Möglichkeiten der Unterstützung beim Kauf von Tickets an ÖBB-Fahrkartenautomaten.“

„Intuitiv“ und „selbsterklärend“

Dass immer mehr Menschen die Tickets bei Automaten kaufen, wenn es keine Personenkassen mehr gibt, verwundert nicht weiter. Es wird darauf verwiesen, dass die Automaten „intuitiv“ und „selbsterklärend“ bedienbar seien und es außerdem eigene Infoveranstaltungen gebe, wo man den Umgang mit ihnen erlernen kann. Auf den großen Bahnhöfen mit Reisezentren stünden zur Unterstützung Mitarbeiter bereit. Auf kleinen Bahnhöfen hilft das im Moment Betroffenen nicht viel - und sie finden die Bedienbarkeit nicht intuitiv.

Auch was den Westbahnhof betrifft, verteidigen sich die ÖBB. Sämtliche internationalen Normen für Menschen mit reduzierter Mobilität seien eingehalten und überprüft worden. Die Leitsysteme würden ebenfalls internationalen Standards entsprechen. Eine Konsultation von Selbstvertretern von Menschen mit Lernschwierigkeiten hat offenbar nicht stattgefunden. Aber immerhin: Für Anregungen sei man immer offen.

Der Nationale Aktionsplan

Der Politik wiederum hat Föllerer, Vorsitzender von Vienna People First, vorgeworfen, dass sie ihn als Feigenblatt missbrauchen würde. Er sitze zwar in Arbeitsgruppen - dort werde aber in „Schwerer Sprache“ gesprochen, eine echte Teilnahme sei deshalb nicht möglich. Außerdem geht ihm bei der Umsetzung der Forderungen von Menschen mit Lernschwierigkeiten alles viel zu langsam. Offenbar habe das Thema keine Priorität.

Das Sozialministerium verweist auf den Nationalen Aktionsplan Behinderung 2012 – 2020, den die Regierung zur Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention beschlossen hat. Dazu gebe es eine Begleitgruppe, wo Selbstvertreter von Betroffenenorganisationen dabei seien. Diese hätten aus den 250 Maßnahmen des Aktionsplans die wichtigsten ausgewählt, damit Prioritäten gesetzt werden können.

Leichte Sprache als „Herausforderung“

Zum Vorwurf der „Schweren Sprache“ heißt es: „Bei den Sitzungen der Begleitgruppe haben die Selbstvertreter Gelegenheit, sich einzubringen. Der Inhalt der Diskussionen wird auch immer wieder in Leichter Sprache zusammengefasst, und auch die Protokolle sind – soweit als möglich – in Leichter Sprache gehalten. Eine wirklich barrierefreie Kommunikation ist jedoch eine Herausforderung, die nicht leicht zu realisieren ist.“

Und: „Um die Partizipation der Menschen mit Lernbehinderung in relevanten Gremien zu erhöhen, sollen Selbstvertreter Sitz und Stimme im Bundesbehindertenbeirat erhalten.“ Außerdem sei im Aktionsplan vorgesehen, dass die Selbstvertretung von Menschen mit Lernbehinderung gestärkt werden soll.

Simon Hadler, ORF.at

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