Für Experten „an der Untergrenze“
Von einem „Budgetloch“ wollen Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und ÖVP-Vize Michael Spindelegger am Mittwochabend nicht sprechen, klar ist jedoch, dass bis zum Jahr 2018 im Staatshaushalt etwa 18,44 plus 5,8 Milliarden Euro fehlen werden. Die Verhandler der künftigen Regierung konzentrieren sich in ihrer Berechnung der 18,44 Mrd. auf das strukturelle Defizit, das nach bestimmten EU-Vorgaben berechnet wird.
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Wirtschaftsforscher und manche Politiker hatten davor den Sparbetrag mit 30 bis 40 Milliarden angegeben. Dass die Regierung deutlich darunter kalkuliert, liegt daran, dass im strukturellen Defizit Konjunkturschwankungen nicht berücksichtigt werden. Eingerechnet sind darin praktisch nur die Fixausgaben des Staates, also beispielsweise Beamtengehälter, Pensionen, Gesundheitssystem. Wirtschaftliche Schwankungen, also auch höhere oder niedrigere Steuereinnahmen, sowie einmalige Ausgaben werden nicht berücksichtigt.
Laut den Koalitionsverhandlern ist es aber gerade die magere Konjunkturentwicklung, die das Loch in das Budget reißt. Die Prognosen würden sich schließlich ändern, hieß es von Spindelegger und Faymann am Mittwoch. Alle drei Monate würden die Wirtschaftsforscher neue Prognosen vorlegen. Die 18 Milliarden seien bis 2018 errechnet, da werde sich noch 20-mal etwas ändern, aber es sei wichtig, ein Ziel zu haben, so der Bundeskanzler.
Großer Brocken bei Pensionen fehlt
Aufgrund der Heranziehung des strukturellen Defizits werden die prognostizierten Einmalzahlungen in der Höhe von 5,8 Mrd. für marode Banken extra ausgewiesen. Nur etwa zur Hälfte eingerechnet ist auch der Fehlbetrag bei den Pensionen (8,7 Mrd. Euro bis 2018). Außerdem wurden zusätzliche Ausgaben von sechs Mrd. Euro abgesagt, die in der ursprünglichen Berechnung noch enthalten waren.
Darunter fallen neben der höheren Familienbeihilfe (etwa eine Milliarde) auch die Aufnahme zusätzlicher Beamter (der Aufnahmestopp wird verlängert) sowie die Erfüllung der Forderung der EU-Kommission, das strukturelle Defizit schon 2015 (und nicht erst 2016) auf 0,45 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu senken.
Keuschnigg: Schieflaufen darf nichts mehr
Laut IHS-Chef Christian Keuschnigg zog die Regierung für ihre Berechnung zudem Prognosen des WIFO heran, die etwas „günstiger“ ausfielen als jene der EU-Kommission. „Dann kommt man insgesamt auf die 18,4 Milliarden strukturelles Defizit“, erklärte Keuschnigg. Voraussetzungen dafür, dass die Pläne aufgehen, seien unter anderem: „keine Sonderrisiken“ und keine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums. Denn Spielraum gebe es damit keinen mehr. Mit den angekündigten Maßnahmen halte man die EU-Vorgaben ein, „wenn nichts schiefläuft“, sagte er zur APA.
Keuschnigg sagte, auch wenn das konjunkturbereinigte „strukturelle Nulldefizit“ im Jahr 2016 erreicht werde, bleibe Tatsache: „Das tatsächliche Defizit (nach Maastricht, Anm.) ist natürlich höher.“ Das „dürfe“ auch höher sein: „Da die Konjunktur schwach ist - zieht sie an, wird es niedriger. Ich finde, das kann man legitimieren, es ist halt an der Untergrenze.“
Die Berechnungen der Regierung, von manchen als zu niedrig bezweifelt, kann Keuschnigg nachvollziehen. Denn der ursprünglich genannte Betrag über 30 Milliarden Euro liege nach anderer Berechnung nach wie vor auf dem Tisch. Tatsächlich wird auch in der Regierung der Fehlbetrag mit 31,3 Milliarden Euro beziffert, wenn man die Maastricht-Kriterien anlegt.
Aiginger: „Untergrenze eines realistischen Szenarios“
Ähnlich äußerte sich Karl Aiginger, Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts, im Ö1-Mittagsjournal: Die von der Regierung genannten Zahlen seien „die Untergrenze eines realistischen Szenarios“ - mehr dazu in oe1.ORF.at. Beim Finanzrahmen habe man noch ein „zweckoptimistisches Szenario“ gewählt, die letzten Zahlen mit einer Lücke von bis zu 40 Milliarden wären dagegen der „schlechteste Fall, dass uns der Himmel sicher auf den Kopf fällt“, so Aiginger. Dass nun die Wirtschaftsforscher wegen der unterschiedlichen Prognosen mit Kritik eingedeckt werden, nimmt er gelassen: „Experten und Narren sind oft daran schuld, wenn etwas schiefgeht.“
Rechnungshof-Präsident Josef Moser sieht angesichts der nun vorliegenden Budgetzahlen die kommende Regierung gefordert, „massive Maßnahmen“ zu ergreifen, um das strukturelle Nulldefizit 2016 noch zu erreichen. Es sei aber „absolut“ machbar, betonte der Präsident, der darauf hinwies, das auch schon der bisher geplante Finanzfahrplan aufgrund ausgebliebener Strukturreformen in Gefahr gewesen sei. Keuschnigg hingegen zeigte sich skeptisch, ob das strukturelle Nulldefizit bis 2016 eingehalten werden kann - und Aiginger wollte sich erst gar nicht auf ein Jahr festlegen.
Opposition: Wähler getäuscht
Kritik gab es am Donnerstag von der Opposition: Grünen-Klubchef Werner Kogler und Team-Stronach-Klubchefin Kathrin Nachbaur rechnen mit einem höheren Fehlbetrag. Kogler ist sicher, dass allein schon für die Banken mehr Geld nötig sein werde - und warf der Regierung eine „Budgetlüge“ vor den Wahlen vor.
Nachbaur bezweifelte, „dass diese Zahlen korrekt sind“ - und attestierte SPÖ und ÖVP auch, „reine Wählertäuschung“ begangen zu haben. Auch FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache sieht das Budgetloch „kleingerechnet“. Man werde bei der Nationalratssitzung kommenden Mittwoch einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung einbringen.
NEOS nutzt die Debatte, um abermals auf eine „mutige“ Pensionsreform zu pochen. „Wie konnte das Budgetloch die letzten Tage so schrumpfen? Weil man einen Teil hinter 2018 geschichtet hat“, so Klubobmann Matthias Strolz. Er forderte am Donnerstag bei einer Pressekonferenz einen Automatismus, einen Solidarbeitrag, die Abschaffung von Privilegien sowie die schnellere Angleichung des Frauenantrittsalters.
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