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„Keine Geschäftsbeziehungen mit Linz“

Die Stadt Linz sieht keinen Zusammenhang mit den in der Wohnung eines 79-jährigen Münchners entdeckten etwa 1.500 bisher verschollenen Gemälden von Meistern der klassischen Moderne, die der Nazi-Raubkunst zugeordnet werden.

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In einer Wohnung in München lagerten beim Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, Cornelius, verschollen geglaubte Bilder der klassischen Moderne - Werke, die die Nazis als „entartet“ eingestuft hatten; Werke, von deren Verkauf sie sich wichtige Deviseneinnahmen erwarteten; und Werke, bei deren Verkauf ihnen Kunsthändler halfen, die nicht nur jüdische Wurzeln hatten, sondern die davor gerade dieser Moderne bei der Durchsetzung geholfen hatten.

Die Bilder, die man in der Münchner Wohnung gefunden hat, galten als in den Wirren des Krieges, konkret in einer der Dresdner Bombennächte, verbrannt. Dabei kommt gleich eine andere Geschichte in Erinnerung, die auch von verbrannten Kunstwerken handelt: Hildebrand Gurlitts Cousin Wolfgang Gurlitt, ebenfalls Kunsthändler und Mentor der Moderne, will in der Nacht vom 22. auf den 23. November 1943 in Berlin auch seine gesamte Kunstsammlung verloren haben.

Wolfgang Gurlitt und die Neue Galerie

Wolfgang Gurlitt, 1945 nach Bad Aussee gekommen, wurde Österreicher und wurde auch mit einem Teil seiner Werke zum Begründer der Neuen Galerie in Linz, des heutigen Lentos. Und er half der Moderne nach 1945 in dem nicht gerade progressiven Österreich auf die Sprünge. Die erste Schau zu Oskar Kokoschka in Österreich nach 1945 fand etwa in Linz statt. Zwischen Hildebrand und Wolfgang Gurlitt sollen keine Geschäftsbeziehung bestanden haben: Das meinte jedenfalls der Linzer Kulturdirektor Julius Stieber auf Anfrage am Montag - Einschränkung: „nach heutigem Wissensstand“.

Mehrfamilienhaus

APA/dpa/Marc Müller

Das Mehrfamilienhaus in München-Schwabing, in dem 1.500 Gemälde jahrzehntelang in einer Wohnung lagerten. Teilweise zwischen Saftpäckchen und Gurkengläsern.

Fakt ist auch, dass man im Lentos selbst, etwa im letzten großen Kokoschka-Katalog, von den offenen Fragen in der Biografie Gurlitts gerade in den Kriegsjahren schreibt.

Die Bilder in München

Bei den von den deutschen Zollfahndern beschlagnahmten Bildern handelt es sich unter anderem um Werke von Pablo Picasso, Henri Matisse, Marc Chagall, Emil Nolde, Franz Marc, Max Beckmann und Max Liebermann. Die Nationalsozialisten sollen sie von jüdischen Sammlern geraubt oder als „entartete Kunst“ konfisziert haben.

Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Focus“ kaufte der Vater des 79-Jährigen, der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, die Gemälde in den 30er und 40er Jahren auf und erklärte später, sie seien im Bombenhagel während des Krieges zerstört worden. Laut Stieber hat der Fund in Deutschland für Linz „aller Voraussicht nach keine große Relevanz“. Denn es habe nur eine verwandtschaftliche, aber keine Geschäftsbeziehung bestanden.

1953: Ankauf der Sammlung Gurlitt

Die Sammlung von Wolfgang Gurlitt sei 1953 angekauft worden. Manche Bilder seien aus späterer Sicht von zweifelhafter Herkunft gewesen, deshalb habe man seit längerem Nachforschungen betrieben und auch einige Bilder an ihre rechtmäßigen Eigentümer restituiert. Die Provenienzforschung im Lentos sei inzwischen abgeschlossen. Aktuell seien noch drei Bilder bei der Kunstrückgabekommission.

Auch in die andere Richtung sieht Stieber keinen Zusammenhang mit München. Denn der Bestand Wolfgang Gurlitt sei komplett vorhanden, es würden keine Bilder fehlen. Er glaubt auch nicht, dass sich die drei Klimt- und Schiele-Bilder, die 1951 von einer Leihgeberin an das Museum übergeben wurden und später verschwanden, unter den in München sichergestellten Werken befinden. Trotzdem werde Linz eine Eingabe bei den zuständigen Stellen in Deutschland mit dem Ersuchen um Überprüfung machen.

Die Erben der Leihgeberin haben für zwei Bilder eine Forderung in Millionenhöhe eingeklagt. Der Oberste Gerichtshof gab ihnen inhaltlich recht, ein Gutachter muss noch den Wert bestimmen. Für ein viertes Bild wurden bereits früher 100.000 Euro zugesprochen.

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