Ungewisse Zukunft
Nacktes Entsetzen bei den deutschen Freidemokraten: Erstmals in ihrer Geschichte ist die FDP bei der Wahl am Sonntag aus dem Bundestag ausgeschieden - erdrutschartig und mit einem zweistelligen Minus. Damit wurde Schwarz-Gelb abgewählt. Auch die Zweitstimmenkampagne zulasten der Union verpuffte. Der Niedergang der Partei hatte sich schon länger abgezeichnet. Nun muss sie ums Überleben kämpfen.
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Im Wahlkampf hatte die von Rainer Brüderle als Spitzenkandidat angeführte Partei versprochen, dass keine Steuern erhöht werden sollten. Die Liberalen wollten angesichts einer guten Konjunktur Schulden abbauen, den Haushalt sanieren und den Mittelstand stärken. Nichts davon werden sie nun umsetzen können.
Seit Jahren in der Krise
Die Liberalen sind zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik nicht mehr im Bundestag. Ein Dauerproblem waren seit 2010 anhaltend schlechte Meinungsumfragen, die hart an der Fünfprozentmarke lagen. Zwei schwere Führungskrisen hatten zum Niedergang beigetragen.
Bei der Bundestagswahl zuvor hatte die FDP aus der Opposition heraus mit 14,6 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis geschafft. 2011 begann eine Serie von Verlusten bei Landtagswahlen. Nacheinander blieb die FDP dabei unter fünf Prozent - zuletzt vor einer Woche in Bayern. In Hessen schaffte sie den Einzug am Sonntag in letzter Sekunde. Nach den letzten Misserfolgen regiert sie künftig wohl nur noch in Sachsen mit. 2011 begann mit dem Abgang von Guido Westerwelle von der Parteispitze auch der große interne Kampf, der die Partei seit damals praktisch lähmt.
Spitze vor dem Abgang
„Das ist eine schwere Stunde für die FDP. Als Spitzenkandidat übernehme ich dafür Verantwortung“, sagte Fraktionschef Brüderle, der lange anhaltenden Applaus bekam. Hinter ihm auf der Bühne standen viele Minister. FDP-Chef und Vizekanzler Philipp Rösler sagte: „Es ist die bitterste, die traurigste Stunde in der Geschichte der Freien Demokratischen Partei.“ Brüderle und Rösler werden beim Neuaufbau der FDP keine Rolle mehr spielen. Brüderles politische Karriere wird mit 68 Jahren zu Ende sein. Auch Rösler, der zumindest bis 45 in der Politik bleiben wollte, ist wohl mit 40 Jahren politisch ebenfalls am Ende.
Kaum Konturen
Dem Absturz war eine Mischung aus Selbstüberschätzung, fehlender Courage und Panik vorausgegangen. Nach dem 3,3-Prozent-Desaster in Bayern hieß es „Jetzt geht’s ums Ganze“. Doch der auf die Plakate geklebte Wahlspruch, die alte Masche der FDP, zog nicht mehr.
Auch die Zweitstimmenkampagne im Wahlkampffinish verpuffte, auch weil die Union gnadenlos dagegenhielt. Die FDP dachte, ein „Angstwahlkampf“ gegen rot-grüne Steuererhöhungen und die fleischlosen Kantinentage der Grünen reichten für ein gutes Ergebnis. In der NSA-Geheimdienstaffäre ließ die FDP, die sich ansonsten als Bürgerrechtspartei begreift, völlig aus. Auch ansonsten ließ die Partei zuletzt politische Konturen völlig vermissen.
Neubeginn unter Lindner?
Der Verlust einer finanziell gut ausgestatteten Bundestagsfraktion trifft die Partei nun hart. Die Landesverbände müssen dafür sorgen, dass die FDP nicht völlig von der politischen Bildfläche verschwindet. Alle Hoffnungen ruhen jetzt auf Christian Lindner. Der 34-jährige Ex-Generalsekretär brachte im Vorjahr die FDP bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen von zwei Prozent in den Umfragen mit 8,6 Prozent in den Landtag. In Düsseldorf dürfte künftig das neue Zentrum einer FDP in der außerparlamentarischen Opposition liegen.
Lindner zeigte sich am Abend als erster der FDP-Prominenten: „Wir haben offensichtlich die Erwartungen nicht erfüllt. Auch im Stil hat die FDP nicht überzeugt.“ Die Partei müsse sich jetzt grundsätzliche Gedanken machen. „Die Situation ist sehr ernst. Deutschland braucht eine liberale Partei, wie sie die FDP traditionell einmal war.“ Eine schwere Aufgabe wartet auf Lindner.
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