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FDP schafft Einzug offenbar nicht

Die Hochrechnungen für die Bundestagswahl in Deutschland deuten auf ein politisches Erdbeben hin. Die Union von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt laut Prognose der ARD auf 41,7 Prozent. Die SPD mit Spitzenkandidat Peer Steinbrück erreicht nach derzeitigem Stand 25,6 Prozent. Die FDP verliert stark, kommt nur noch auf 4,7 Prozent und würde damit aus dem Bundestag fallen.

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Auch die Grünen müssen Einbußen hinnehmen und liegen bei 8,3 Prozent. Die Linkspartei hält bei 8,6 Prozent. Die europakritische Alternative für Deutschland (AfD) kann derzeit mit 4,8 Prozent auf einen Einzug in den Bundestag hoffen. Die Piraten sind mit 2,2 Prozent deutlich gescheitert. Nach manchen Hochrechnungen zuvor sah es sogar nach einer absoluten Mehrheit für die Union aus.

ARD-Hochrechnung der Deutschland-Wahl von 20.57 Uhr

ARD

Ganz ähnlich sieht die aktuelle Hochrechnung des ZDF aus: Demnach kommt die CDU/CSU auf 42,1 Prozent, die FDP liegt bei 4,6 Prozent, die AfD bei 4,9 Prozent. Die SPD landet demnach bei 25,6 Prozent, die Linke bei 8,7 Prozent und die Grünen bei 8,2 Prozent.

Union als großer Sieger

Großer Wahlsieger ist damit die Union: Erstmals nach fast 20 Jahren knackte sie wieder die 40-Prozent-Marke. Zuletzt waren CDU und CSU 1994 mit 41,4 Prozent über diese Grenze gekommen. Schaffen FDP und AfD den Einzug in den Bundestag tatsächlich nicht, ist sogar eine absolute Mandatsmehrheit der Union möglich. Schafft die FDP den Einzug doch, wird es dennoch knapp, ob das für eine Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition reicht. Eine Koalition von SPD und Grünen geht sich – wie erwartet – keinesfalls aus.

Jubel bei der CDU und Angela Merkel

APA/dpa/Michael Kappeler

Jubel bei der Union

Lange Wahlnacht erwartet

Die großen deutschen Fernsehsender veröffentlichen traditionellerweise jeweils eigene Prognosen und Hochrechnungen, die oft deutlich voneinander abweichen. Auch die Hochrechnungen im Laufe des Abends werden wohl noch deutliche Unterschiede aufweisen. Das vorläufige amtliche Endergebnis wird in der Nacht erwartet.

Bei der Bundestagswahl 2009 kam die Union aus CDU und CSU auf 33,8 Prozent. Die SPD holte 23 Prozent. Drittstärkste Kraft wurde die FDP mit dem Rekordergebnis von 14,6 Prozent. Die Linkspartei kam auf 11,9 Prozent und die Grünen auf 10,7 Prozent.

Höhere Wahlbeteiligung

Am Nachmittag zeichnete sich eine höhere Wahlbeteiligung ab als 2009. Bis 14.00 Uhr hätten 41,4 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, teilte der Bundeswahlleiter in Berlin mit. Die Briefwähler sind dabei nicht berücksichtigt. Vor vier Jahren hatten zur selben Zeit nur 36,1 Prozent der Berechtigten gewählt. Erwartet wurden nun 72, 73 Prozent Gesamtwahlbeteiligung. 2009 war die Beteiligung nach Schließung der Wahllokale bei 70,8 Prozent gelegen, was die niedrigste in der Geschichte der Bundesrepublik war.

Merkel gab ihre Stimme in Berlin-Mitte ab, Steinbrück wählte in Bonn. Er zeigte sich trotz des Rückstands von SPD und Grünen gegenüber CDU und FDP in den Umfragen optimistisch: „Die SPD ist in der Lage gewesen, in den letzten vier Wochen wirklich deutlich zu mobilisieren“, sagte er.

Jubelnde CDU

Merkel zeigte sich hocherfreut über das Ergebnis. „Das ist ein Superergebnis“, sagte die strahlende CDU-Chefin unter dem Jubel ihrer Anhänger. „Wir werden damit verantwortungsvoll und sorgsam umgehen.“ Neben den CDU-Mitgliedern bedankte sich Merkel besonders bei der CSU und ihrem Vorsitzenden Horst Seehofer für die Unterstützung - Video dazu in iptv.ORF.at.

Über möglichen Regierungsbündnissen wollte sie noch nichts sagen. „Wir warten jetzt erst einmal das Wahlergebnis ab“, sagte die CDU-Vorsitzende. Es sei noch zu früh, um genau zu sagen, wie die Union vorgehen werde. „Wir freuen uns irre“, sagte die stellvertretende CDU-Vorsitzende Ursula von der Leyen. Ein solches Resultat habe es „seit 20 Jahren nicht mehr gegeben“. „Wir haben einen überwältigenden Regierungsauftrag“, sagte von der Leyen weiter.

SPD will von Großer Koalition noch nichts wissen

SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück lehnte Aussagen zu einer möglichen Regierungsbeteiligung der SPD in einer Großen Koalition ab. „Die Lage ist sehr unklar, deshalb wird die SPD gut daran tun, heute keinen Spekulationen nachzugeben, wie denn eine Regierungsbildung aussehen könnte“, sagte er. „Der Ball liegt im Spielfeld von Frau Merkel, sie muss sich eine Mehrheit besorgen.“

SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück

APA/dpa/Kay Nietfeld

„Wir haben nicht das Ergebnis erzielt, das wir wollten“, sagte Steinbrück

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles äußerte sich leicht enttäuscht über das Ergebnis ihrer Partei. „Wir machen heute Abend keine Koalitionen fest“, betonte Nahles mit Blick auf ein mögliches Regierungsbündnis mit der Union. Das müssten zunächst die Gremien der SPD entscheiden.

FDP verbittert, Linke zufrieden

FDP-Chef Philipp Rösler und -Spitzenkandidat Rainer Brüderle übernehmen nach eigenen Worten die politische Verantwortung für das Debakel ihrer Partei. Beide deuteten ihren Rücktritt an. „Das ist das schlechteste Ergebnis, das wir bislang mit der FDP erreicht haben“, sagte Brüderle. Über persönliche Konsequenzen sprach der FDP-Vize nicht direkt. „Das ist nicht das Ende der Partei. Es wird schwieriger, aber die Arbeit wird weitergehen“, sagte Brüderle. „Das ist die bitterste, die traurigste Stunde in der Geschichte dieser Freien Demokratischen Partei“, sagte Rösler. „Deshalb werde ich persönlich natürlich auch politisch dafür die notwendige Verantwortung übernehmen.“

Rainer Brüderle und Philipp Rösler (beide FDP)

APA/dpa/Maurizio Gambarini

Lange Gesichter bei der FDP

Linke-Fraktionschef Gregor Gysi zeigte sich zufrieden mit dem Abschneiden seiner Partei. „Wer hätte das 1990 gedacht, dass diese Partei die drittstärkste politische Kraft der Bundesrepublik Deutschland wird“, rief er am Sonntagabend seinen Anhängern in einem ersten Statement zu.

Einige grüne Stimmen für Koalition

Der Spitzenkandidat der Grünen, Jürgen Trittin, räumte die Niederlage seiner Partei bei der Bundestagswahl ein und forderte eine schonungslose Analyse der Ursachen. Gleichzeitig machte er am Sonntag in Berlin „mächtige Interessengruppen“ aus, deren massivem Gegenwind die Grünen im Wahlkampf ausgesetzt gewesen seien.

Er schloss Gespräche über ein schwarz-grünes Bündnis nicht aus. „Wir sprechen mit allen demokratischen Parteien“, sagte Trittin in der ARD. „Aber die Wahrscheinlichkeit, dass dabei etwas rauskommt, halte ich nicht für besonders hoch.“ Er verwies unter anderem auf die Differenzen zur Union bei der Umsetzung der Energiewende.

Der Chef der Anti-Euro-Partei AfD, Bernd Lucke, wertete das Abschneiden seiner Gruppierung als Denkzettel für die etablierten Parteien. Es sei ein „kräftiges Zeichen des Widerspruchs“, dass die AfD wenige Monate nach ihrer Gründung an die Fünfprozentmarke herangekommen sei, sagte Lucke. „Wir haben die anderen Parteien das Fürchten gelehrt.“

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