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Regierung fordert rasches Handeln

Das Chaos auf dem Hauptbahnhof im deutschen Mainz wird größer. Die Einschränkungen des Bahnverkehrs treffen neben Fernreisenden nun auch Tausende Pendler im ganzen Rhein-Main-Gebiet. Doch die Probleme der Deutschen Bahn (DB) im Stellwerk Mainz sind kein Einzelfall: Auch an anderen Schaltstellen des Unternehmens sei die Personaldecke zu dünn, so DB-Netz-Vorstandschef Frank Sennhenn am Montag in der ARD.

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„Wir haben bundesweit eine angespannte Situation.“ Man sei dabei, alle Stellwerke mit ähnlich kritischer Lage personell nach Kräften abzusichern. 2013 wolle die DB 600 neue Fahrdienstleiter einstellen. Das Problem sei, dass die Schulung sieben Monate dauere, so dass die Mitarbeiter nicht kurzfristig eingesetzt werden könnten.

Menschenleere Bahnsteige am Mainzer Bahnhof

APA/dpa/Fredrik von Erichsen

Mittlerweile werden auch tagsüber Pendler- und Fernzüge an Mainz vorbeigeleitet

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sprach erneut von einer falschen Personalpolitik, die sich nicht nur bei den Stellwerken auswirke: „Wir haben auch in anderen Bereichen eine Reduzierung des Verkehrs, weil Personal fehlt“, sagte EVG-Chef Alexander Kirchner Reuters TV in Mainz.

Ganztägige Umleitungen mit weitreichenden Folgen

Am Montag verschärfte sich die Lage auf dem Mainzer Hauptbahnhof weiter: War bisher abends und nachts der Regional- wie Fernverkehr schon stark ausgedünnt, müssen jetzt Züge auch ganztägig umgeleitet werden. Das wirkt sich mittlerweile weit über die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt hinaus aus. „Wegen des entsprechend höheren Zugsaufkommens durch Umleitung ist mit Verspätungen im gesamten Rhein-Main-Gebiet und Südhessen zu rechnen“, kündigte die DB an.

Das staatliche Unternehmen versucht in Mainz nun Fahrdienstleiter aus dem Urlaub zurückzuholen. „Das kann nur auf freiwilliger Basis geschehen“, betonte Sennhenn. Das Stellwerk dort ist laut DB wegen unerwartet vieler Krankmeldungen in der Urlaubszeit seit gut einer Woche nicht voll einsetzbar. Das Unternehmen erwartet auch keine Normalisierung in diesem Monat mehr, will sich aber am Dienstag dazu äußern, wie es in Mainz weitergeht.

DB-Chef bricht Urlaub ab

Aufgrund der Lage entschloss sich DB-Chef Rüdiger Grube am Montag selbst, seinen Urlaub abzubrechen. Er wolle an diesem Mittwoch an einem Spitzengespräch mit Personalmanagern der DB und der Führung der Gewerkschaft (EVG) teilnehmen, verlautete aus DB-Kreisen. Damit wurde ein Bericht der „Bild“-Zeitung (Dienstag-Ausgabe) bestätigt.

Das Blatt zitierte aus einer E-Mail Grubes an seine Mitarbeiter: „Aus diesem Grund habe ich meinen Urlaub abgesagt, um gemeinsam mit meinen Vorstandskollegen und den Kollegen der DB Netz AG aktiv an Lösungen zu arbeiten.“ Es gehe darum, eine Lösung für „die Situation am Stellwerk in Mainz“ zu finden.

Alterung lange Zeit ignoriert

Hintergrund der Personalknappheit sind auch Alterung und Nachwuchsmangel. Das Durchschnittsalter in der Netzsparte liegt bei 47 Jahren und damit noch über dem Konzerndurchschnitt. Dokumente aus der Personalabteilung, die Reuters vorliegen, zeigen, dass die Überalterung bei Fahrdienstleitern seit mindestens vier Jahren bekannt war. Bis vergangenes Jahr änderte sich daran aber kaum etwas.

In Konzernkreisen hieß es, die Mängel in der Personalplanung hätten auch mit der Ablösung des Chefs der Netzsparte, Oliver Kraft, Anfang 2013 zu tun. Kraft hatte die Netzsparte zum wichtigsten Gewinnlieferanten des Konzerns gemacht. Über Jahre wurden gerade in diesem Bereich jährlich Tausende Stellen abgebaut. Zugleich wurden allerdings die Stellwerke wegen verzögerter Investitionen im Zuge des geplanten Börsengangs 2008 langsamer als zunächst geplant durch moderne, vollelektronische ersetzt, was zu einer Personalentlastung geführt hätte.

„Das muss ein Ende haben“

Auch vonseiten der Regierung steigt der Druck auf die DB. „Das muss ein Ende haben“, sagte eine Sprecherin des Verkehrsministeriums am Montag in Berlin. Ressortchef Peter Ramsauer (CSU) unterstütze die Konzernführung in ihren Bemühungen, bei denen die Prämissen gelten müssten: „Einstellen, ausbilden, bereithalten.“ Auf Initiative der Regierung soll sich der DB-Aufsichtsrat in seiner kommenden Sitzung mit dem Thema befassen. Ins Geschäft des eigenständigen Unternehmens mische sich das Ministerium aber nicht ein, hieß es.

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