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Die Tücken eines Patchwork-Lebens

Mit „Nader und Simin - eine Trennung“ feierte Asghar Farhadi vor nicht allzu langer Zeit weltweit enorme Erfolge. Sein Beziehungsdrama gewann 2011 erst den Goldenen Bären bei der Berlinale, 2012 folgte der Oscar als bester nicht englischsprachiger Film. Nun stellte der iranische Regisseur im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele Cannes sein mit Spannung erwartetes neues Werk vor.

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„The Past“ ist Farhadis erster in Frankreich und auf Französisch gedrehter Film - mit Berenice Bejo, dem weiblichen Star aus dem Stummfilm „The Artist“, in einer der Hauptrollen. Vieles an „The Past“ (Die Vergangenheit) erinnert an „Nader und Simin“: Wieder geht es um die Trennung eines Paares, wieder gibt es Komplikationen, wieder geraten die Protagonisten in eine emotionale Ausnahmesituation. Hauptdarstellerin Bejo erhielt den Preis für die beste Darstellerin.

Dieses Mal kehrt Ahmad aus dem Iran nach Paris zurück, da sich seine französische Noch-Ehefrau Marie (Bejo) scheiden lassen möchte. Das wird jedoch bald nebensächlich, denn mit Maries älterer Tochter eskaliert der Konflikt. Die akzeptiert den neuen Lebensgefährten der Mutter nicht und offenbart nach einiger Zeit ein Geheimnis aus der Vergangenheit, das die gesamte Patchwork-Familie auf die Probe stellt.

Der iranische Regisseur Asghar Farhadi

APA/EPA/Sebastien Nogier

Regisseur Asghar Farhadi

Die „universelle Erfahrung“ der Familie

Es sei kein Zufall, dass all seine jüngsten Filme in Familien oder familienähnlichen Umgebungen spielten, erzählte Farhadi am Freitag in Cannes. „Ich finde, dass es keine universellere Erfahrung gibt als die in einer Familie.“ Wenn er eine Familie in den Mittelpunkt stelle, müsse er nicht viel erklären, „da ist automatisch eine Verbindung zwischen mir und den Zuschauern“.

So ähnlich einander „The Past“ und „Nader und Simin“ auch sind, im Vergleich der beiden Werke offenbaren sich die Schwächen des jüngsten Farhadi-Films. Denn während der Regisseur in seinen früheren Werken Konfliktsituationen im Familien- oder engsten Freundeskreis in den Mittelpunkt stellte und fast beiläufig gesellschaftliche Missstände thematisierte, fehlt diese übergreifende Ebene in „The Past“.

Farhadi lässt sich diesmal Zeit

Stattdessen lassen einen die Schicksale der Hauptfiguren seltsam kalt, und man bleibt als distanzierter Beobachter in der Ferne. Es wirkt befremdlich, dass sich die Charaktere wegen scheinbarer Kleinigkeiten exzessiv streiten - und den großen Konfrontationen scheinbar emotionslos gegenübertreten. Außerdem lässt sich Farhadi dieses Mal zu viel Zeit, seine Geschichte zu entwickeln. Es gibt immer wieder neue Konflikte und Wendungen, so dass „The Past“ mit über zwei Stunden streckenweise zu zäh daherkommt.

Es scheint, als habe sich Farhadi bei der Entwicklung und Konzeption des Films etwas verloren. Möglicherweise spiegelt das auch seine eigene, neue Situation wider: „The Past“ ist Farhadis erster Film, den er außerhalb des Iran gedreht hat. Wenn er das Land verlasse, lasse er zwar die Restriktionen hinter sich, die von dem Staat ausgingen, berichtete der Regisseur. „Doch es gibt weiterhin die inneren Restriktionen.“ Die, die man nicht kontrollieren könne und sich über Jahre im Iran angeeignet habe. Selbst wenn er in einem freien Land sei, wäre es daher eine Lüge zu sagen, dass er frei sei. „Ich habe nun zwei Jahre außerhalb meiner Heimat gelebt, und ich kann nicht sagen, dass ich mich freier fühle.“

Aliki Nassoufis, dpa

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