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Doku über Benjamin Murmelstein

Claude Lanzmann setzt seine Arbeit über den Holocaust fort. In seinem knapp vierstündigen Dokumentarfilm „Der letzte der Ungerechten“ („Le dernier des injustes“) geht der 87-jährige Dokumentarfilmer und Schriftsteller auf die umstrittene Person des letzten Judenältesten Benjamin Murmelstein ein.

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Mit dem Film will Lanzmann den 1989 in Rom verstorbenen Judenältesten im Ghetto Theresienstadt rehabilitieren. „Ich finde, man hat diesem Mann unrecht getan“, sagte er in einem Interview der Tageszeitung „Le Figaro“. Das Werk wurde in Cannes außer Konkurrenz gezeigt.

Regisseur Claude Lanzmann in einer Szene des Films "Der Letzte der Ungerechten"

APA/EPA/Cannes Film Festival

Szene aus „Der letzte der Ungerechten“

Der Film basiert auf der Grundlage von Interviews, die Lanzmann 1975 mit dem Rabbiner in Rom führte. Eine Woche drehte Lanzmann mit Murmelstein, der vom 27. September 1944 bis zum 5. Mai 1945 letzter Judenältester im Ghetto Theresienstadt war. Der österreichische Rabbiner wurde im Juni 1945 wegen angeblicher Kollaboration festgenommen und interniert, am 3. Dezember 1946 jedoch vor einem tschechischen Volksgericht in Litomerice freigesprochen. Bis heute bleibt umstritten, inwieweit er mit den Nationalsozialisten kollaborierte oder kooperieren musste.

Geraderücken des Eichmann-Bildes

Lanzmann hat diesen Film auch gedreht, weil er zeigen wollte, dass über Adolf Eichmann viel Falsches gesagt worden sei. Murmelstein hatte in seiner Funktion als Judenältester eng mit dem ehemaligen SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann zusammengearbeitet, der wegen millionenfachen Mordes an Juden 1961 zum Tod durch den Strang verurteilt wurde.

In den Interviews mit Lanzmann stellt der Rabbiner Eichmann als Monster und fanatischen Antisemiten dar. Die Philosophin Hannah Arendt, die Eichmann in ihrem 1961 veröffentlichen Werk „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen“ als gewöhnlichen Schreibtischtäter beschreibt, habe viel Absurdes darüber geschrieben, sagte Lanzmann in dem „Figaro“-Interview.

Geschichte geschrieben mit „Shoah“

Unter dem Premierenpublikum befand sich auch Frankreichs Premiere Dame Valerie Trierweiler (48). „Es kommt selten vor, das eine Premiere Dame in Cannes auf den Filmfestspielen zu sehen ist“, sagte der künstlerische Leiter der Filmfestspiele, Thierry Fremaux, vor der Aufführung des Dokumentarfilms über Murmelstein.

Lanzmann hat mit seiner knapp zehnstündigen Zeitzeugendokumentation „Shoah“ 1986 Geschichte geschrieben. Das Werk wurde damals erstmals in Berlin gezeigt. Auf der diesjährigen Berlinale wurde Lanzmann mit dem Ehrenbären ausgezeichnet, der höchsten Auszeichnung des Festivals.

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