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Opposition greift Minister frontal an

Die Tage des „Lebensministeriums“ in Österreich könnten gezählt sein: Die Zusammenlegung von Umweltschutz und Agrarfragen in einem Ressort, ein Erbstück der schwarz-blauen Regierung unter Kanzler Wolfgang Schüssel, könnte nach der nächsten Wahl rückgängig gemacht werden, deuteten Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) am Dienstag an.

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Während sich Faymann und Spindelegger diesbezüglich im Pressefoyer nach dem Ministerrat aber nicht festlegen wollten, ließ Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) klare Sympathien für eine Trennung der Ressorts erkennen: „Es gibt manche Felder, wo sich die Landwirtschaft schwertut mit Umweltthemen“. Als die ÖVP-FPÖ-Koalition im Jahr 2000 die Zusammenlegung der Aufgaben in einem Ministerium beschloss, wetterte die SPÖ noch, damit würde der „Bock zum Gärtner gemacht“.

Umweltschutz als Wanderressort

Umweltschutz wurde in Österreich 1972 erstmals eine deklarierte ministerielle Aufgabe. Allerdings wurden die Agenden einigermaßen ratlos herumgereicht: Zuerst wurden sie bei der Gesundheit angesiedelt, dann der Wissenschaft zugeschlagen, um schließlich wieder für längere Zeit als Anhängsel im Gesundheitsministerium zu bleiben. Von 1987 bis 2000 war der Umweltschutz Zuständigkeit des Jugend- und Familienministers. Seither sind sie - trotz der Proteste im Jahr 2000 auch unter SPÖ-Kanzlerschaft seit 2007 - Agrarangelegenheit.

Minister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) wollte zur Frage der Ressortaufteilung am Dienstag nicht klar Stellung beziehen und meinte: „Der Interessenausgleich zwischen Landwirtschaft und Umwelt ist einer, der immer gemacht werden muss. Das wird auch immer so sein.“ Ob ihn dieses Thema allerdings noch beschäftigen wird, bleibt abzuwarten. Spindelegger wollte auf die Frage von Journalisten am Dienstag lediglich eine Ablöse Berlakovichs vor der Wahl ausschließen: „Wird nicht gewechselt. Selbstverständlich nicht.“

Misstrauensantrag aller Oppositionsparteien

Die Opposition forderte am Dienstag allerdings geschlossen Berlakovichs Abgang. Angesichts seiner befürwortenden Linie zu Neonicotinoiden - die Pestizide werden für das Bienensterben verantwortlich gemacht - und der Rechnungshof-Kritik an seiner Öffentlichkeitsarbeit fordern Grüne, Freiheitliche, BZÖ und Team Stronach (TS) in einem raren gemeinsamen Antrag die Ablöse des Ressortchefs. Der Antrag scheiterte erwartungsgemäß, da die Koalitionsparteien den Minister weiter unterstützen.

„Komplett versagt“

In der Begründung des Misstrauensantrags heißt es, dass die österreichische Umweltpolitik unter Berlakovich einen „tragischen historischen Tiefstand“ erreicht habe. Der Ressortchef habe in seiner Rolle als oberster Umweltschützer in wesentlichen Bereichen komplett versagt und stelle Einzelinteressen konsequent über den Schutz der Umwelt sowie der menschlichen Gesundheit. Vorgelegt wird eine lange Liste vermeintlicher Verfehlungen des Ministers.

Angeprangert wird etwa, dass Berlakovich mit aller Kraft die Interessen der Chemieindustrie verteidige, anstatt dem Bienensterben Einhalt zu gebieten. Ferner wird ihm vorgeworfen, in der Debatte über die falsche Erfassung von Almflächen versagt zu haben und eine indiskutable Fluglärmverordnung zu verantworten. Schließlich wird Berlakovich mit Blick auf Erkenntnisse des parlamentarischen U-Ausschusses vorgehalten, mit seinem Ministerium ÖVP-Vorfeldorganisationen, speziell im Umfeld des Bauernbunds, zu finanzieren.

SPÖ für Totalverbote, ÖVP abwartend

Die Bienen sorgen weiterhin auch in der Regierung für Unstimmigkeiten. Faymann sprach sich nach der Regierungssitzung am Dienstag für ein Totalverbot der Neonicotinoide aus. Gleichzeitig räumte er aber ein, dass er nicht sicher sei, ob eine Einigung darüber in Regierung oder Parlament möglich sei. Spindelegger will zuerst „anschauen, was da am Monatsende die EU-Kommission wirklich erlässt“. Außerdem muss aus seiner Sicht noch „geklärt werden, wo das Bienensterben überhaupt herkommt. Dieser Konnex ist nicht wirklich ausgetestet.“

Einigung auf Entschließungantrag

Am Ende der Sondersitzung segneten jedoch alle Fraktionen einen - freilich unverbindlichen - von der Koalition erdachten Entschließungsantrag ab, der vor allem eine tiefergehende Giftdiskussion zum Ziel hat. Im Entschließungsantrag wird Berlakovich ersucht, gemeinsam mit den Mitgliedern des zuständigen parlamentarischen Ausschusses den Beschluss der EU-Kommission zum partiellen Verbot von drei Wirkstoffen (Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam) einer umfassenden Bewertung zu unterziehen.

Ferner soll ein Umsetzungskonzept vorgelegt werden, „das den österreichspezifischen Erfordernissen entspricht sowie einem gedeihlichen wirtschaftlichen Nebeneinander von Landwirten und Imkern gerecht wird“. Ferner gefordert werden unter anderem verstärkte Anwendungskontrollen von Pestiziden sowie gegebenenfalls eine Anpassung der Sanktionen bei Zuwiderhandeln. Zudem soll das österreichische Honigprogramm von derzeit 1,5 Mio. Euro aufgestockt werden und die Forschung hinsichtlich der „multifaktoriellen Ursachen für das Bienensterben“ durch konkrete Aufträge vorangetrieben werden.

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