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„Nukleare Renaissance“ unrealistisch?

Kurz nach dem zweiten Jahrestag der Atomkatastrophe von Fukushima hat die Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU) die Ergebnisse einer mehrjährigen Studie zum Thema Atomkraft vorgelegt. „Kernenergie kann zur langfristigen Stromversorgung und zum Klimaschutz kaum beitragen“, bilanzierte Projektleiter Wolfgang Kromp bei einer Pressekonferenz in Wien.

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Das BOKU-Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften nahm unter dem Kürzel EHNUR eine „Evaluation einer hypothetischen nuklearen Renaissance“ vor - in anderen Worten: Ziel der Studie war, die Rufe nach einem verstärkten Einsatz von Atomenergie aus wirtschaftlichen Gründen und Motiven des Klimaschutzes bis zum Ende durchzurechnen. Dabei kommt die Untersuchung zum Schluss, dass Atomkraft in wenigen Jahren in die Unwirtschaftlichkeit kippen wird.

Uranengpässe ab 2020

Ein wichtiger Parameter der vom Klima- und Energiefonds geförderten Studie war die Verfügbarkeit des Brennstoffs Uran. Der Uranabbau in Minen werde über die kommenden Jahrzehnte Hauptversorgungsquelle bleiben, sagte Studienmitarbeiter Werner Zittel. Die Förderung gehe in vielen Regionen bereits deutlich zurück und werde zunehmend unwirtschaftlich. Die bestehenden Reaktoren könnten noch über zehn bis 20 Jahre versorgt werden, im günstigsten Fall 40 Jahre.

Die Wünsche der Atomkraftbefürworter ließen sich laut Zittel damit ohnehin nur verwirklichen, wenn bald neue Förderstätten für Uranabbau erschlossen würden: „Wenn die jetzt angedachten Projekte nicht zeitnah realisiert werden, werden 2020 Engpässe auftreten.“ Die Versprechen der vorhergesagten „nuklearen Renaissance“ hätten sich als unerfüllbar erwiesen, bilanzierte auch Steve Thomas von der Universität Greenwich als einer der internationalen Partner der BOKU bei der Studie.

Explodierende Sicherheitskosten

Die neuen Reaktortechnologien, die als sicherer, aber einfacher und deshalb billiger angepriesen worden waren, seien nachweislich teurer als ihre Vorgänger, so der britische Energiemarktexperte. Die geschätzten Kosten für die modernen Anlagen der Generation III+ liegen seinen Angaben zufolge etwa siebenfach über den versprochenen. Dabei seien allerdings Änderungen, die sich aus der Katastrophe von Fukushima ergeben werden, noch gar nicht eingerechnet.

Die vielen Engpässe wie die Verfügbarkeit potenzieller Standorte und des Brennstoffs, die Akzeptanz sowie die Investitionsbereitschaft in neue AKW-Bauten „machen deutlich, dass Kernenergie - ganz abgesehen von Sicherheitsproblemen - keine Option für die Zukunft, auch nicht für eine Übergangsphase, darstellt“, sagte Institutsvorstand Kromp. Der bessere Weg seien Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Was darüber hinaus die Sicherheit von Kernkraftwerken angehe, sei spätestens seit Fukushima ein Paradigmenwechsel nötig.

„Das waren noch nicht die schlimmsten Unfälle“

Vor Fukushima habe die Atomwirtschaft so getan, als könnten solche Katastrophen - der „beyond design base accident“, ein Unfall, der über die eingebauten Sicherheitsmaßnahmen eines AKWs nicht mehr beherrscht werden kann - gar nicht vorkommen. Mit Fukushima und 1986 dem Super-GAU von Tschernobyl sei ein solcher „sehr schwerer Unfall“ schon zweimal eingetreten. „Das kann man nicht mehr einfach auf die Seite schieben“, meinte der Risikoforscher und betonte: „Das waren noch nicht die schlimmsten vorstellbaren Unfälle.“

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