Ungewollte Effekte des Irak-Krieges
Siegesfeiern gibt es am zehnten Jahrestag des Beginns des zweiten Irak-Krieges nicht. Auch keine markigen Worte über Freiheit und Demokratie, die die USA in die Welt tragen. Vor allem das Wort Massenvernichtungswaffen werden amerikanische Politiker in diesen Tagen tunlichst meiden. Am liebsten würden Millionen Amerikaner den Irak-Krieg aus ihrem kollektiven Gedächtnis streichen.
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Selten hatten sich die Führer der weltweit stärksten Militärmacht derart verkalkuliert. Noch heute fragt sich Amerika, wie alles so fürchterlich schiefgehen konnte. Haben die Generäle und die Politiker ihre Lektion gelernt? Kritiker sprechen heute vom „schwersten strategischen Fehler“ der Militärs seit Jahrzehnten.

APA/EPA/US Navy/Tyler J.Clements
US-Präsident George W. Bush verkündete auf dem Flugzeugträger „USS Abraham Lincoln“ Anfang Mai 2003 das „Ende der Hauptkampfhandlungen“ in Irak
Mittlerweile gelten der damalige Präsident George W. Bush, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, Vizepräsident Dick Cheney sowie die erzkonservativen Berater im Weißen Haus („Neocons“) als Schuldige des Debakels. Noch heute betont Präsident Barack Obama - der damals als Senator als einer der wenigen Parlamentarier Nein sagte -, der unselige Krieg habe dem Ansehen der USA in der Welt schwer geschadet.
Zerstörung des Irak stärkte den Iran
„Die erste und wichtigste Lehre des Irak-Krieges ist, dass wir nicht gewonnen haben“, schrieb die angesehene Zeitschrift „Foreign Policy“ kurz und bündig. Die Hauptargumente: Die Massenvernichtungswaffen, die der Diktator Saddam Hussein angeblich gehortet hatte, gab es nicht. Das hinter vorgehaltener Hand postulierte Ziel eines Regimewechsels wurde bestenfalls halbwegs erreicht - Experten bezeichnen die heutigen Verhältnisse in Bagdad eher als „Quasi-Demokratie“. Zu allem Überfluss: „Die Zerstörung des Irak stärkte die Stellung des Irans am Persischen Golf - was die USA wohl kaum gewollt hatten“, so der Experte Stephen Walt.

Reuters/Peter Andrews
Die US-Armee feuert auf ihre irakischen Gegner
„Das Ergebnis des Irak-Krieges war eindeutig schlechter, als es Bush sich versprochen hatte“, urteilt Stephen Biddle, Sicherheits- und Militärexperte beim Think-Tank Council on Foreign Relations. „Bush wollte eine stabile Demokratie schaffen, ein Leuchtfeuer der Freiheit, das auf die benachbarten Regionen ausstrahlt. Das hat er nicht erreicht.“
In nur 21 Tagen Bagdad erobert
Dabei hatte alles so gut angefangen: In gerade einmal 21 Tagen hatten die US-Truppen seinerzeit Bagdad erobert. Widerstand der Iraker, wo überhaupt vorhanden, wurde geradezu weggefegt. Bush und seine Mannen waren in Hochstimmung. Bushs geschmacklich fragwürdiger PR-Auftritt auf dem Flugzeugträger „Abraham Lincoln“ mitsamt seinem vollmundigen Ausspruch: „Mission Accomplished“ (Mission erfüllt), sprach Bände - und wurde zum Fanal.
Zermürbender Krieg gegen Aufständische
Denn das eigentliche Dilemma begann erst nach der erfolgreichen Invasion: Statt dem Aufbau einer Demokratie versank das Land in Terror und Gewalt, statt nationaler Versöhnung herrschte Krieg zwischen Sunniten und Schiiten - und immer wieder wurden die USA zur Zielscheibe. Wieder einmal erwies sich: Eine feindliche Armee zu schlagen, ist das eine, ein Land zu besetzen, bedeutet etwas ganz anderes.
Allerdings: Es hätte noch viel schlimmer kommen können, wie der Sicherheits- und Militärexperte Biddle mit Blick auf den zeitweisen Beinahe-Bürgerkrieg im Irak meint. „Der Ausgang war besser als das Worst-Case-Szenario - ein Völkermordkrieg, der über die Grenzen der Region hinausgeht.“
Petraeus: „Menschliches Terrain“
Für die US-Militärs brachte das Irak-Debakel wichtige Erkenntnisse für die moderne Kriegsführung. In Vietnam war es der Guerillakrieg, der die USA in die Knie zwang. Im Irak war es der Terror Aufständischer. Nicht Saddams Truppen entpuppten sich als schwerster Gegner, sondern Bombenleger und Selbstmordattentäter.
Die Antwort lautete „Counterinsurgency“, die Bekämpfung Aufständischer. Kern der Strategie: Es reicht nicht, die feindliche Armee zu besiegen, die Bevölkerung muss einbezogen werden. Ex-General David Petraeus umschreibt die Strategie wie folgt: Um das Land wirkungsvoll zu befrieden, müsse die Bevölkerung vor Übergriffen und Gewalt geschützt, Infrastruktur aufgebaut und Anstoß zum wirtschaftlichen Wiederaufbau gegeben werden. „Wir haben gelernt, dass das entscheidende Terrain in Operationen wie denen im Irak und Afghanistan das menschliche Terrain ist.“
Peer Meinert und Gaby Chwallek, dpa
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