Auf Urlaub in die Diktatur
Dass sich Touristen nicht generell von schwierigen politischen und sozialen Bedingungen in Ländern abhalten lassen, ist nichts Neues. Ägypten ist wohl das beste Beispiel dafür. Auch Griechenland, gesellschaftlich völlig zerrissen, erlebt 2013 einen enormen Aufschwung bei Besuchern aus Österreich. Doch es gibt auch den Trend zu Ländern, die in der westlichen Welt politisch höchst umstritten sind.
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Das beste Beispiel hierfür ist zurzeit Burma. Das Land öffnete sich die letzten Jahre hindurch zwar nach außen hin, die über Jahrzehnte herrschende Militärjunta hält im Hintergrund einer zivilen Regierung freilich noch immer alle Fäden in der Hand - die Bevölkerung ist verarmt, ethnische Konflikte werden weiterhin blutig niedergeschlagen. Menschenrechtsverletzungen stehen an der Tagesordnung. Die EU hob die schon seit einem Jahr ausgesetzten Sanktionen gegen Burma zuletzt auch offiziell auf - ungeachtet anhaltender Vorwürfe gegen die Regierung des Landes wegen der Verfolgung einer muslimischen Minderheit.

Kurt Schmid/Susanne Guld
Klassisches Bild nach außen: Burma ist als Land der Pagoden bekannt
Vom Insider- zum Trendziel
Mit der politischen und wirtschaftlichen Öffnung Burmas sind deutlich mehr Touristen und Geschäftsleute in das südostasiatische Land gereist: Ihre Zahl überstieg 2012 erstmals die Million. Das sei eine Steigerung von fast 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gewesen, sagen zumindest die Zahlen, die vom burmesischen Hotel- und Tourismusministerium vorgelegt werden - auch heuer wird wieder mit 15 Prozent mehr Touristen im Land gerechnet. Zudem erlässt Burma laufend bürokratische Erleichterungen für Touristen.
Nur rund 800 Hotels in Burma
Burma gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Im Land gibt es nur rund 800 Hotels mit rund 28.000 Zimmern - doch neue Häuser werden laufend eröffnet. Die Preise stiegen mit dem Touristenansturm stark.
Die Reisebibel „Lonely Planet“ und CNN prophezeiten Burma bereits im Vorjahr eine neue Rolle als touristisch neu zu entdeckendes Land, nachdem es die Jahre davor nur für individuell reisende Rucksacktouristen mit gewisser Erlebnisorientierung im Fokus gestanden war.
Für 2013 wurde das Land von vielen zu einer der wichtigsten Trenddestinationen erhoben - längst haben Reiseveranstalter das neue Ziel erschlossen und bieten maßgeschneiderte Pakete an. Die Hafenmetropole Rangun, ehemals Hauptstadt, ist Schauplatz für den am schnellsten wachsenden Hotelmarkt weltweit - schließlich waren im Vorjahr die Zimmer der Stadt allesamt chronisch ausgebucht.

Kurt Schmid/Susanne Guld
Tourismusagenturen bieten immer mehr Möglichkeiten an, Burma zu entdecken
Immer mehr Flugverbindungen
Zudem wird Rangun - und das gilt als wichtiges Kriterium für breiteren Tourismus - von vielen asiatischen Fluglinien angeflogen, die über Gabelflüge mit europäischen Destinationen verbunden sind. Im vergangenen Jahr kamen die meisten Touristen und Geschäftsleute aus Thailand und China. Doch immer mehr Europäer wenden sich der ehemaligen Militärdiktatur zu. Zwar lagen bei den Reisenden aus dem Westen zuletzt US-Bürger vorn, jedoch dicht gefolgt von Franzosen und Briten.
Ende März gaben die USA jedoch aufgrund der zuletzt medial publik gewordenen ethnischen Unruhen eine Reisewarnung für seine Bürger heraus. Aktueller Grund dafür waren neue gewaltsame Ausschreitungen zwischen Muslimen und Buddhisten - ob das den touristischen Zulauf mittel- und langfristig beeinflusst, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Dagegen spricht allerdings, dass die dauerhaften Agitationen gegen die Minderheit der Rohingya für eine steigende Anzahl von Touristen kein Hindernis war, Burma zu bereisen.
Sri Lanka: Billig und (wieder) sicher
Beim Blick über die neuen Trends sticht auch ein anderes Land ins Auge, das 2004 von einem Tsunami erschüttert wurde und wo von 1983 bis 2009 ein Bürgerkrieg wütete, dessen Wirren bis heute nachwirken. Selbst für geeichte Individualtouristen galt das Land aufgrund drohender Unruhen als zu heikel. Doch langsam kehrt Sri Lanka zur Normalität zurück und investiert gezielt in den Tourismus. Über indische Metropolen ist es an das Flugnetz angebunden. Sri Lanka genießt den Ruf eines aufstrebenden Landes, nicht zuletzt lockt das noch niedrige Preisniveau.
Zudem hat sich das Land für Touristen ganz und gar auf zwei maßgebliche Trends ausgerichtet: Einerseits gibt es zahlreiche ökotouristische Angebote, die Nationalparks beherbergen eine vielfältige Tierwelt. Für Aktivurlauber gibt es außerdem zahlreiche kaum frequentierte Strände und einige Hotspots für Surfer, die in Blogs vielfach als die besten im asiatischen Raum bezeichnet werden.
Kuba mit starkem Plus
Ein Land, das politisch mit westlichen Ländern nichts gemein hat, steht bereits seit längerem auf der Liste der gefragtesten Destinationen - auch wenn viele Reiseexperten den wahren Tourismusboom erst erwarten und das Land konstant zu einer Trenddestination erheben: Kuba - ein Land, dessen aktuelle Regierungsform nach allgemeiner Definition die Kriterien einer Diktatur erfüllt.
Doch das ist kein Hindernis für Touristen aus Europa, die das Land vor allem im Winter zunehmend auf der Agenda haben. Aufgrund der politischen Verhältnisse sehen es viele Kuba-Urlauber als eine Art Ausflug in eine andere Zeit, schließlich war das Land wirtschaftlich völlig isoliert. Auch gibt es heimische Kennzahlen zu Kuba-Besuchern, diesen Winter besuchten satte 29,2 Prozent mehr Österreicher Kuba als im vergangenen. Auch hierbei bildet der mögliche Direktflug von Wien aus die Grundlage für den konstant steigenden Zulauf, heißt es vom Reiseveranstalter TUI.
Was wird zum Trend?
Bei vielen Blogs und Ranglisten sehen die Destinationen Kolumbien und Madagaskar auf der Liste weit oben. Generell - wie etwa im Falle Madagaskars und auch Sri Lankas - folgt die Erhebung zur Trenddestination durch einflussreiche Reisemedien stets einem einfachen Muster.
Jene Länder, die Krisen oder gar Kriege überwunden haben, bergen in den ersten Jahren Entdeckungspotenzial für Individualtouristen und werden in der Folge zu Trendzielen erhoben. Einige Zeit später landen sie schließlich auf den Angebotsseiten der großen Reiseveranstalter, wie das zurzeit besonders bei Kuba der Fall ist.
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