Es hapert an der Umsetzung
Viel gesprochen wird über Recycling schon lange. Die praktische Umsetzung kommt mitunter aber nur schleppend voran. Und das, obwohl Rohstoffe wie etwa Lithium immer knapper werden, während der Bedarf laufend steigt. Forscher aus verschiedensten Bereichen arbeiten deshalb am nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen.
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Im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl ist Europa der weltweit größte Nettoimporteur von natürlichen Ressourcen. Importiert werden vor allem Kraftstoff, Energie, Textilfasern, verschiedene Metalle und Mineralien und auch Nahrungsmittel. Die Produkte, zu denen die Rohstoffe verarbeitet werden, werden nach der Nutzung aber in der Regel einfach entsorgt statt wiederverwertet. Deshalb müssen ständig neue Quellen für Rohstoffe erschlossen werden. Viele davon werden in einigen Jahrzehnten allerdings vollständig erschöpft sein, sofern sich am derzeitigen Verbrauch nichts ändert, sind sich Experten sicher.
Warum Hausmüll nur verbrennen?
Die Umweltschutzorganisation Global 2000 kritisiert die Abfallpolitik der Europäischen Union in ihrem kürzlich erschienenen „Recycling Report“ als „unzulänglich“. Denn viele wertvolle Stoffe aus dem Hausmüll würden einfach verbrannt oder auf Deponien entsorgt, obwohl sie sinnvoll verwertet werden könnten. Laut dem Bericht landen in der EU fast zwei Drittel der kommunalen Abfälle auf Deponien oder in Müllverbrennungsanlagen. In einer kürzlich vorgestellten EU-weiten Evaluierung wurde festgestellt, dass die Abfallbewirtschaftung Österreichs gemeinsam mit den Niederlanden am besten bewertet wurde.
Die EU hatte sich im Zuge des Wirtschaftsprogramms „Europa 2020“ im Wirtschaftskrisenjahr 2008 ein „ressourcenschonenderes Europa“ zum Ziel gesetzt. Der Verknappung von Rohstoffen durch den hohen Bedarf der Industrie soll damit längerfristig Einhalt geboten werden.
Große Ambitionen, viel Zerstörung
Konkret besagt die Richtlinie zu Abfall, die vom Europäischen Parlament und vom Rat erlassen wurde, Folgendes: Bis zum Jahr 2020 soll die Hälfte aller nützlichen Wertstoffe, die sich in Haushaltsabfällen finden, recycelt werden. Dazu gehören etwa Papier, Glas und verschiedene Metalle und Kunststoffe.

Reuters/Ognen Teofilovski
Deponien sind ein wenig nachhaltiger Weg, mit Müll umzugehen
Ende 2011 veröffentlichte die EU-Kommission als Ergänzung einen „Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa“. Laut dem 25-seitigen Papier wurden bereits fast zwei Drittel der Ökosysteme zerstört, die die von Europa hauptsächlich importierten Rohstoffe hervorbringen. Sofern die EU-Bürger ihre derzeitigen Konsumgewohnheiten beibehalten, würde bis zum Jahr 2050 die Rohstoffmenge von zwei Planeten benötigt werden, um den Bedarf weiterhin zu decken.
Von Müll zu Strom
Die Forschungen des US-Wissenschaftlers Bruce Logan klingen zwar wie Zukunftsmusik, sind in ihren Grundzügen aber schon Realität. Der Forscher der Pennsylvania State University entwickelte Prototypen mikrobiologischer Brennstoffzellen. Diese nutzen die Eigenschaften bestimmter Bakterien der Gattung Geobacter, um aus Abfallprodukten der Gärung - wie etwa Essigsäure - direkt Strom zu erzeugen. Diese Entwicklungen stecken noch in den Kinderschuhen. Sie geben aber schon einen ersten Vorgeschmack darauf, in welche Richtung die effiziente Nutzung von Abfällen in Zukunft noch gehen kann.
Musterknabe Alu, Sorgenkind Lithium
Derzeit ist das Vorzeigebeispiel für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen Aluminium. Drei Viertel des gesamten Aluminiums, das jemals verarbeitet wurde, sind immer noch in Verwendung. Alugetränkedosen sind zudem weltweit die am häufigsten recycelten Verpackungen.
Ein ganz anderes Bild zeigt sich bei einem weiteren Metall: Lithium ist das leichteste Metall der Welt und vor allem durch seine Verwendung für Lithium-Ionen-Akkus in Mobiltelefonen bekannt. Experten erwarten, dass die Lithiumbatterie in Zukunft in zahlreichen weiteren elektronischen Geräten eingesetzt und generell eine entscheidende Rolle bei der Speicherung von Energie spielen wird.
Vor allem der zunehmende Anteil von Smartphones, Tablets und Elektroautos wird den Lithiumbedarf künftig stark steigen lassen. Die EU-Kommission rechnet in ihrem Bericht einer Arbeitsgruppe zu gefährdeten Rohstoffen von 2010 sogar damit, dass sich der Anteil an Lithium in Akkus bis 2050 verzehnfachen könnte.
Akkus machen Wasser knapp
Durch den steigenden Lithiumbedarf entstehen gleich mehrere Probleme. Heikel sind zunächst der hohe Verbrauch und die starke Verschmutzung von Wasser bei der Lithiumgewinnung. Denn das Metall wird aus Sole gewonnen, die in Salzwüsten vorkommt. Diese Gebiete sind ohnehin von Wasserarmut geprägt, die durch den Lithiumabbau noch drastisch verschärft wird. So leidet die lokale Bevölkerung in Teilen Chiles und Argentiniens aufgrund des Lithiumabbaus bereits massiv an Wasserknappheit, wie im „Recycling Report“ betont wird.
Alte Handys als Giftmüll
Ein weiteres Problem: Die weltweiten Lithiumvorkommen sind sehr begrenzt, und bisher sind auch die Sammelquoten zur Wiederverwertung äußerst mager. Laut Global 2000 werden nur an die fünf Prozent der Lithiumakkus in der EU gesammelt. Anders gesagt: Fast alle ehemaligen Handyakkus werden entweder verbrannt oder landen als Elektromüll auf Deponien.

AP/Lee Jin-man
Gefährlicher Handyabfall
Das Recycling von Lithium wird dadurch erschwert, dass die Aufbereitung und Wiederverwertung von Lithiumakkus weit komplizierter ist als die von herkömmlichen Alkaline- und Blei-Säure-Batterien. Denn eine Lithium-Ionen-Batterie ist aus mehreren Metallen zusammengesetzt, die im Zuge des Recyclingprozesses erst wieder voneinander getrennt werden müssen. Dementsprechend sind die Recyclingkosten von Lithium relativ hoch.
Produktdesign als Lösungsansatz
Der künftig steigende Bedarf an Lithium wird verstärkte Investitionen in die Sammlung und Wiederverwertung des Rohstoffes nötig machen. Dazu bedarf es sowohl neuer Gesetze als auch des politischen Willens, Geld in Infrastruktur für das komplizierte Recycling der Lithiumakkus zu stecken.
Einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Situation könne auch das Produktdesign leisten, wie Global 2000 unterstreicht. Denn Geräte wie Smartphones, Tablets und auch die großen Batterien in Elektroautos können schon beim Entwicklungsprozess so gestaltet werden, dass die Sammlung und Wiederverwertung alter Geräteteile vereinfacht wird.
Wasserfresser Toilette
Die Lithiumgewinnung ist nur einer von vielen Bereichen, in denen übermäßig große Mengen an Wasser verbraucht werden. Ein großer Wasserbedarf ist etwa typisch für die Herstellung von Textilien aus Baumwolle. So benötigt die Produktion eines einzigen T-Shirts bis zu 2.700 Liter Wasser. Ein klassischer Großverbraucher von Trinkwasser sind auch die Toiletten in privaten Haushalten.
Am Eindämmen von deren Verbrauch wird aber vielerorts gearbeitet, wie in einer Schwerpunktserie der US-Fachzeitschrift „Science“ berichtet wurde. Inzwischen gibt es nicht nur Modelle, die weniger Wasser verbrauchen, sondern auch solche, die Urin und feste Bestandteile getrennt sammeln, um sie zu kompostieren. In der Millionenmetropole Hongkong wird seit 50 Jahren verstärkt Seewasser zur Toilettenspülung verwendet. Damit werden etwa 20 Prozent an Trinkwasser gespart.
Entfernung von Stickstoff aus Abwässern
Die Entwicklung geht aber noch wesentlich weiter. Eine US-amerikanische Stiftung hat etwa einen Preis für die „Neuerfindung der Toilette“ ausgeschrieben. Im Zuge des Bewerbs entwickelte ein niederländischer Forscher ein modernes Verfahren für ein großes Problem bei Haushaltsabwässern: die Entfernung von Stickstoff aus dem Abwasser. Bei den Anammox-Verfahren setzen Bakterien Nitrate und Nitrite ohne Sauerstoff wieder in Stickstoff um, der in die Luft entweicht. Damit kann die schädliche Überdüngung von Gewässern vermindert werden.
Martin Tschiderer, ORF.at
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