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Osteuropäische Filme räumten ab

Filme aus Osteuropa waren am Samstag die großen Gewinner der 63. Berlinale. Der Goldene Bär wurde erstmals nach Rumänien vergeben. Die Jury unter Vorsitz des chinesischen Regisseurs Wong Kar Wai („In The Mood For Love“) zeichnete mit dem Hauptpreis Calin Peter Netzers Drama „Child’s Pose“ („Die Stellung des Kindes“) aus.

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Der Film analysiert eine schwierige Mutter-Sohn-Beziehung. Nachdem ihr Sohn mit dem Auto ein Kind überfahren und getötet hat, versucht die reiche Cornelia (Luminita Gheorghiu), ihn mit allen Mitteln vor einer Strafe zu bewahren. Sie will Polizisten und Richter, ja sogar die in Armut lebende Familie des Opfers bestechen. Über eine persönliche Tragödie erzählt Netzer die Tragödie einer Gesellschaft, die alle Menschlichkeit an Geld- und Machtgier verkauft.

„Psychologische Dramen“ in Upper-Middle-Class

„Wenn ich über Familienstrukturen spreche, spiegele ich natürlich auch gesellschaftliche Strukturen“, sagte der 1975 im rumänischen Petrosani geborene und in Deutschland aufgewachsene Netzer bei der Vorstellung des Films. „Wir zeigen das Milieu der Upper-Middle-Class, weil es solche psychologischen Dramen dort viel häufiger gibt als etwa in der Unterschicht.“

Festival-Direktor  Dieter Kosslick überreicht dem rumänischen Regisseur Calin Peter Netzer den Goldenen Bären

APA/EPA/Michael Kappeler

Berlinale-Direktor Dieter Kosslick übergibt den goldenen Bären

Seidl-Film „Paradies: Hoffnung“ geht leer aus

Außenseiterchancen waren dem österreichischen Beitrag „Paradies: Hoffnung“ von Ulrich Seidl eingeräumt worden, doch mit den erhofften Bären wurde es nichts. Vor allem seiner Hauptdarstellerin Melanie Lenz hatten Experten gute Chancen auf einen Silbernen Bären zugesprochen. Lenz spielt im letzten Teil der „Paradies"-Trilogie“ die 13-jährige Melanie, die von ihrer Mutter in ein Diätcamp geschickt wird. Seidl und Lenz blieben aber „bärenlos“.

Nazif Mujic

Reuters/Fabrizio Bensch

Der bosnische Schauspieler Nazif Mujic wurde als bester Schauspieler geehrt

Zwei Preise für bosnischen Film

Gleich zwei Preise holte hingegen der halbdokumentarische Film „Eine Episode aus dem Leben eines Metallsammlers“ („Epizoda u zivotu beraca zeljeza“) von Oscar-Preisträger Danis Tanovic („No Man’s Land“) aus Bosnien-Herzegowina. Der Film erhielt den Großen Preis der Jury, eine besonders begehrte Auszeichnung. Tanovic’ Hauptdarsteller Nazif Mujic nahm außerdem den Silbernen Bären als bester Schauspieler entgegen. Der Rom spielt in dem Film zusammen mit seiner Frau und den Kindern eine reale Episode aus dem harten, ärmlichen Leben der Familie nach.

Einen Silbernen Bären für die beste Kamera erhielt Aziz Zhambakiyev für seine streng komponierten Bilder im kasachischen Adoleszenz-Drama „Harmony Lessons“ („Uroki Garmonii“) von Regisseur Emir Baigazin - eine Studie über Gewalt an einem dörflichen Gymnasium.

„Geschlossener Vorhang“ mit bestem Drehbuch

Der als heißer Bären-Favorit gehandelte iranische Film „Geschlossener Vorhang“ („Parde“) des verfolgten iranischen Regisseurs Jafar Panahi und seines Kollegen Kamboziya Partovi holte immerhin den Silbernen Bären für das beste Drehbuch. „Das Aufhalten eines Künstlers und eines Denkens war niemals möglich“, sagte Partovi. Panahi, der sich offen zur Opposition im Iran bekennt, hat in seinem Heimatland Arbeitsverbot.

Paulina Garcia

Reuters/Thomas Peter

Die Chilenin Paulina Garcia freute sich über einen Silbernen Bären

Paulina Garcia beste Schauspielerin

Als beste Schauspielerin geehrt wurde die Chilenin Paulina Garcia für ihre Rolle als „Gloria“ in Sebastian Lelios gleichnamigem Film. Leicht, aber dennoch mit Tiefgang erzählt die Tragikomödie von einer Frau Ende 50, die noch einmal von der großen Liebe träumt - sie hat einen holperigen Weg zu neuem Selbstwertgefühl vor sich. Der Film ist eine gelungene, gefühlvolle Gratwanderung zwischen Komik und Tragik, Lebenslust und Melancholie.

Überraschend war die Entscheidung der Jury, in der auch der deutsche Regisseur Andreas Dresen („Halt auf freier Strecke“) saß, in der Kategorie Regie. Dort holte der US-Amerikaner David Gordon Green die Trophäe für seine ziemlich harmlose Tragikomödie „Prince Avalanche“, die von der Ziellosigkeit satter westlicher Menschen in den 1980er Jahren erzählt.

Kein Preis für deutschen Beitrag

Der einzige deutsche Berlinale-Wettbewerbsfilm „Gold“ von Thomas Arslan, von der Kritik schon während des Festivals negativ beurteilt, war nicht unter den Gewinnern - genauso wenig wie seine Hauptdarstellerin Nina Hoss und die deutschen Schauspieler Martina Gedeck („Die Nonne“) und August Diehl („Layla Fourie“).

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