Wie groß können Frachter noch werden?
Die Gigantomanie bei Containerschiffen scheint keine Grenzen zu kennen. Im größten Frachter der Welt steckt achtmal so viel Stahl wie im Eiffelturm. Seit Sommer 2013 transportiert er für die dänische Reederei Maersk Line Hunderttausende Tonnen an Waren über die Weltmeere.
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Auf einer einzigen Fahrt kann das Schiff eine Fracht von 19.100 Standardcontainern mit je sechs Meter Länge transportieren. Würde man all diese Container statt auf dem Deck des Schiffes der Länge nach auf der Autobahn aneinanderreihen, würden sie fast von Linz bis St. Pölten reichen. In den Containern könnte man 36.000 Autos oder 863 Millionen Konservendosen unterbringen.

Reuters
Die Triple-E-Klasse ist so breit, dass sie nur knapp den Sueskanal durchkreuzen wird können
Größtes Schiff für größte Reederei
Die Ende Februar 2011 georderte Baureihe wird seit Juni 2013 von der südkoreanischen Werft Daewoo Shipbuilding & Marine Engineering (DSME) abgeliefert. Im August 2013 fand die Jungfernfahrt des größten Containerschiffs der Welt statt.
Im Laufe des heurigen Jahres sollen zehn weitere Schiffe der Triple-E-Baureihe fertig gebaut sein; der Preis beträgt rund 190 Millionen US-Dollar pro Einheit. Den Bau des ersten Exemplars kann man im Zeitraffer auch in einem Video nachverfolgen.
Der erste Frachter ist seit dem Frühsommer 2013 zwar das größte Schiff auf den Weltmeeren - trotz seiner gigantischen Ausmaße allerdings nicht das größte Schiff, das je gebaut wurde. Denn mit diesem Titel darf sich ein bereits in den 1970er Jahren gebauter Öltanker schmücken, der allerdings nicht mehr in Dienst ist. Sämtliche Tanker von mehr als 400 Meter Länge wurden nämlich schon vor mehreren Jahren ausrangiert - einige davon nach nicht einmal zehn Jahren in Betrieb.
Zu riesig für fast alle Häfen
Während die Längen von Öltankern im Laufe der Jahrzehnte schrumpften, werden Containerschiffe nach wie vor größer und größer. Vor 25 Jahren wurde das erste davon zu breit, um den Panamakanal zu durchqueren. Es läutete die Ära der „Post-Panamax“-Schiffe ein. Diese hatten mit 4.300 Standardcontainern knapp ein Viertel der Kapazität der neuen Triple-E-Klasse.
Die Triple-E-Frachter können - gerade noch - den Sueskanal durchfahren. Aber ihre Maße sind so gewaltig, dass sie auf der ganzen Welt nur in einer Handvoll Häfen anlegen. So ist in den USA etwa kein einziger Hafen für Schiffe dieser Größenordnung ausgerichtet. Der einzige Verwendungszweck von Maersks neuer Triple-E-Flotte ist daher der Warentransport zwischen Asien und Europa.
Harter Konkurrenzdruck
Obwohl es bei einem derart begrenzten Einsatzbereich verwundern mag: Auch so gigantisch dimensionierte Schiffe wie die der Triple-E-Klasse können noch profitabel sein. Denn in der heutigen Praxis des globalisierten Handels richten sich die Schiffe nicht mehr nach den Kapazitäten der Häfen, sondern die Häfen richten sich nach den Kapazitäten der Schiffe.
„Die Herausforderung für einen Hafen ist es, immer einen Schritt voraus zu sein. Er muss in seine Kapazitäten investieren, noch bevor größer dimensionierte Schiffe in Betrieb gehen“, sagt Paul Davey von der Firma Hutchinson Ports. Das Unternehmen betreibt den größten britischen Containerhafen Felixstowe - einer der wenigen europäischen Häfen, die für die Triple-E-Riesen gerüstet sind.
„Die Häfen werden in eine harte Konkurrenzsituation gezwungen, weil die Frächter sinngemäß zu ihnen sagen: ‚Wenn Sie nicht expandieren, große Kräne kaufen und neue Anlegestellen mit mehr Tiefgang bauen, dann übersiedeln wir mit unserem Unternehmen woandershin‘“, so der amerikanische Sachbuchautor Marc Levinson, der sich intensiv mit der Entwicklung der Containerschifffahrt auseinandergesetzt hat.
Frachter löst Dominoeffekt aus
Doch die neuen Ozeanriesen stellen die Hafenbetreiber noch vor zahlreiche weitere Herausforderungen. Die Reedereien machen nämlich nicht nur bei den Kapazitäten Druck, sondern auch beim Tempo. So sollen Schiffe innerhalb von 24 Stunden ent- und wieder beladen werden, was gleich mehrere Dominoeffekte nach sich zieht. Einerseits steigt in den Häfen der Bedarf an Freiflächen für die Zwischenlagerung der Container. Andererseits werden auch außerhalb des Hafens verstärkte Investitionen in die Infrastruktur nötig. Denn anschließende Transportwege auf der Straße, auf der Schiene und zu Wasser müssen ausgebaut werden, um den Anstieg im Warenverkehr bewältigen zu können.
Der finanzielle Druck auf die Häfen wird abgesehen von den hohen Investitionen noch dadurch verschärft, dass ihnen entscheidende Einnahmen entgehen, wenn die Schiffe schneller ent- und wieder beladen werden. Denn die Höhe der Hafengebühr für die Reedereien berechnet sich entscheidend nach der Anlegedauer der Schiffe. Hinzu kommt, dass sich größere Schiffe im Wasser auch anders verhalten. So können die Wellen des Kielwassers großer Frachter dazu führen, dass sich andere Schiffe im Hafen aus ihrer Vertauung lösen und aufs offene Meer hinaustreiben - so geschehen etwa bei der Jungfernfahrt der „Titanic“, bei der sich ein großes Passagierschiff von den Leinen löste.
Frage nach der Effizienz
Neben der wirtschaftlichen Effizienz der Meeresgiganten stellt sich auch die Frage nach der ökologischen. Laut Maersk sind die Triple-E-Frachter die bisher umweltfreundlichsten Containerschiffe. Dazu beinhalten sie unter anderem neu entwickelte Motoren und ein verbessertes System zur Rückgewinnung von Abwärme. In Kombination mit einer Reduktion der Geschwindigkeit von 25 auf 23 Knoten reduziert das nach Angaben der Reederei den CO2-Ausstoß pro transportierten Container um die Hälfte.
Auch die größere Kapazität der Frachter verringert prinzipiell den CO2-Fußabdruck eines einzelnen Containers. Allerdings sind Containerschiffe auf ihren Fahrten oft nicht voll ausgelastet. Laut BBC ist sogar ein Fünftel der um die Welt geschifften Container leer. Rechnet man diesen Faktor ein, kann ein größeres Schiff auch ineffizienter sein.
Fast 500 Meter langes Schiff geplant
Unabhängig davon denkt man in der Branche aber schon über weitere Größenzuwächse nach. Eine neue Frachterklasse soll so groß werden, dass sie im Panamakanal auf Grund laufen, aber gerade noch durch ein anderes Nadelöhr der globalen Handelsrouten passen würde - die Straße von Malakka zwischen Malaysia und Indonesien. Die neue „Malaccamax“-Klasse soll nach derzeitigen Plänen 30.000 Standardcontainer transportieren können und nicht weniger als 470 Meter lang werden. Maersks Triple-E-Frachter könnte als größtes Schiff der Welt also bald abgelöst werden.
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