Über Minderheiten zur Mehrheit
Es war eine schmerzhafte Wahlniederlage für die US-Republikaner, die jetzt weitere vier Jahre den Demokraten beim Regieren zusehen müssen. Doch die groben Probleme, der die Partei gegenübersteht, waren auch schon vor dem Wahlabend bekannt. Viele erachten eine manifeste Kurskorrektur als dringend notwendig. Ein Gesicht dafür scheint schon gefunden zu sein: Marco Rubio.
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Bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen war der umkämpfte „Swing-State“ Iowa letztlich an Barack Obamas Demokraten gegangen. Und nur eine Woche nach der verlorenen Wahl feierte der dortige republikanische Gouverneur Terry Branstad Geburtstag - eine stattliche Anzahl von Gästen war geladen. Die Augen waren aber vor allem auf den prominentesten Gastredner, den 41-jährigen Marco Rubio, gerichtet.
Und nach der Niederlage von Mitt Romney war die Einladung Rubios auch kein Zufall, denn schließlich ist er einer der wichtigsten Hoffnungsträger für das nächste Rennen ums das Weiße Haus in vier Jahren. Und jene Fehler, die den Republikanern bisher unterlaufen waren, sollen mit ihm nicht mehr passieren.

AP/Charlie Neibergall
Rubio (r.) hatte zumindest in Iowa die Republikaner auf seiner Seite
Rubio, das Einwandererkind
Rubio, seit 2011 Senator in Florida, sprach sich bei seiner Rede für eine Änderung der Einwanderungsbestimmungen aus, es sei ein Weg zu finden, der auch Illegalen, die sich schon lange in den USA aufhalten, zur Staatsbürgerschaft verhilft. Und letztlich folgte in seiner Rede das, was einen geänderten Weg der Republikaner bedeuten könnte: Er sprach über seine persönliche Geschichte als Kind kubanischer Einwanderer, dessen Eltern - der Vater ein Kellner und die Mutter ein Zimmermädchen in einem Hotel - ihm ein Studium und damit eine politische Karriere bis in den Senat ermöglichten. Und genau dort soll er sich nun mittels der Einnahme einer Führungsrolle bei der Reform der Einwanderungsbestimmungen standesgemäß und nachhaltig profilieren.
Jene Inhalte, die Rubio mitbringt, brachte er in seiner Rede näher: Stabiles Familienleben - vor allem in der Mittelklasse - sei ein Grundstein für eine stabile Wirtschaft. „Die Wirtschaft ist nicht zu retten, wenn wir Reiche ärmer machen, sondern wir müssen die Armen reicher machen“, erklärte Rubio in Anspielung auf das Vorhaben Obamas, die Steuern für Reiche zu erhöhen, laut dem Magazin „Politico“.
Abschied vom reichen, weißen Bürger?
Hatte Romney von der Partei noch ein Image eines Hardliners in sozialen Fragen verpasst bekommen, soll nun alles anders werden. Rasch nach Romneys Wahlniederlage wurde bei den Republikanern intern abgerechnet. Denn die Partei will nun endlich erkannt haben, dass ohne die Stimmen von Afroamerikanern, Latinos, jungen Leuten und alleinstehenden Frauen künftig keine Wahl mehr zu gewinnen sein wird. Zudem schrumpft die weiße Wählerschaft, die anderen Gruppen wachsen - ein Trend, der von den Republikanern (begründbar mit dem Einfluss des rechten Flügels, Anm.) zu lange verschlafen wurde. Für genau diesen Wechsel soll jetzt Rubio stehen - der weiße, ältere Mann als primärer anzusprechender Wähler soll ausgedient haben.
Gangbarer Weg für Republikaner?
Seine Berater wollen naturgemäß nicht einräumen, dass Rubio bereits die Vorarbeit für eine Kandidatur leistet. Lediglich wolle er eine Nachricht an Latinos und die Mittelschicht senden und zeigen, dass die Republikaner deren Werte im Bezug auf Familie, Glauben und den amerikanischen Traum - so wie Rubio selbst ihn vorlebt - repräsentieren.
Freilich lässt man sich auf Seiten der Republikaner nicht in die Karten schauen, schließlich muss der Weg, der jahrelang ohne die Einbeziehung von Gruppen wie Latinos und Afroamerikanern beschritten wurde, auf diese Weise überhaupt gangbar ist, sprich: ob ein solcher Weg der Konservativen überhaupt glaubwürdig genug ist bzw. wie er es noch werden kann.
Doch vielleicht kommt es gar nicht so weit, und eine breite konservative Basis stellt sich der Neuausrichtung entgegen und will den neuen Weg gar nicht beschreiten. Schließlich geht es um haarige Themen wie die Möglichkeit von Einbürgerungen Illegaler, der in der Partei viele sehr ablehnend gegenüberstehen. Aber vielleicht ist der junge, gutaussehende und charismatische Rubio einfach als Erster dazu in der Lage, das Bild der Republikaner in Bezug auf Minderheiten und Einwanderer zu beeinflussen.
Was passiert, wenn Castro antritt?
Doch es gibt auch ein Szenario, auf das die Republikaner keinen Einfluss haben. Ein demokratischer Kandidat namens Julian Castro. Wie Barack Obama vor acht Jahren in Boston schaffte es der 37-Jährige quasi über Nacht zu nationaler Berühmtheit. Seine harten Angriffe auf Romney sorgten für großen Jubel.
Immer wieder ließ Castro durchblicken, wie sehr sein Werdegang dem des amtierenden Präsidenten ähnelt. Seine Großmutter sei eine alleinerziehende Immigrantin aus Mexiko, erzählte er. Trotzdem habe er es zum Bürgermeister einer Großstadt mit einem Abschluss von der Elite-Universität Harvard gebracht. Und sein Zwillingsbruder schlage eine ebenso gute Karriere in der Politik ein. „Amerika machte unsere Geschichte möglich. Unsere Nation ist wie keine andere. Egal, wer man ist oder wo man herkommt, der Weg führt immer vorwärts“, betonte er. Was die persönliche Geschichte betrifft, sind sich Rubio und Castro sehr ähnlich. Wie die Republikaner damit umgehen würden, ist eine völlig offene Frage.
Valentin Simettinger, ORF.at
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