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„Neubegründung“ von Schulsystem

Der französische Präsident Francois Hollande will das Schulsystem seines Landes von Grund auf umkrempeln und damit eines seiner zentralen Wahlversprechen einlösen. Erste Details der geplanten Bildungsreform sickern nun Stück für Stück an die Öffentlichkeit - etwa jenes, dass es an französischen Schulen in Frankreich selbst und rund um die Welt nie wieder Hausaufgaben geben soll.

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Hollandes Ankündigung veranlasste selbst den halbstaatlichen Infosender France 24 zum spöttischen Kommentar, so habe er zumindest die Herzen Millionen künftiger Wähler gewonnen - steht es doch in seiner Gunst bei den Wahlberechtigten derzeit nicht zum Besten. Selbst wenn die Ankündigungen damit zu tun haben, dass er von anderen Problemfeldern ablenken will: Übrig bleiben Reformpläne, die im Schulwesen kaum einen Stein auf dem anderen lassen sollen.

Mindern Hausaufgaben Chancengleichheit?

Das Aus für Hausaufgaben begründet Hollande nicht nur damit, dass Schüler ihre Arbeit logischerweise am „Arbeitsplatz Schule“ erledigen sollten. Laut eigenen Angaben will er damit vor allem Chancengleichheit schaffen, weil Kinder aus bildungsferneren Familien bei Hausaufgaben gravierende Nachteile hätten - allein schon, weil die Eltern dabei weniger helfen und kontrollieren können. Überhaupt gilt das Augenmerk der Reform der Förderung von Unterprivilegierten.

Wie Österreich und viele andere europäische Länder kämpft auch Frankreich mit einer immer größer werdenden Schere zwischen schulischem Anspruch und schulischer Realität. Es gibt vor allem an Mittel- und Berufsschulen immer mehr Sitzenbleiber, Problemschüler, Schulschwänzer und Schulabbrecher - derzeit jährlich rund 140.000. Das Vorhaben sei mehr als nur eine Reform, betonte Hollande. Er plane vielmehr eine „Neubegründung“ der Schule in Frankreich.

Gewaltiger Finanzbedarf

Zum Unterschied von anderen Ländern mit Problemen im Bildungsbereich will Hollande für die Reform jedoch bedeutende Geldsummen lockermachen. Dabei nimmt der Sozialist Hollande auch den Vorwurf einer Stigmatisierung bestimmter Problemgegenden in Kauf: Schulen in den meist urbanen Schulbezirken sollen mehr Personal und Sonderreferenten bekommen, Lehrer in solchen Gegenden sollen zudem für ihre Tätigkeit mit Sonderprämien entschädigt werden.

Der Präsident verhehlte zuletzt bei einer Grundsatzrede an der Pariser Sorbonne nicht, dass das Problem eng mit Integration zusammenhänge: „Frankreich ist besorgt über den nationalen Zusammenhalt, das Leben in unseren Städten, unsere bürgerliche Gemeinschaft. Jeder ist sich der Gefahren eines Mangels an Integration bewusst, von Brüchen aller Art, die zu Gewalt führen können.“ In Problemgegenden will Hollande etwa zu einer Quasi-Schulpflicht ab drei Jahren kommen.

Schulfreier Mittwoch als heilige Kuh

Woher Hollande das Geld für Sonderprämien und Tausende neue Lehrer und andere Fachkräfte nehmen will, sagte er bisher nicht. Den Plänen zufolge soll außerdem die unter seinem Vorgänger Nicolas Sarkozy abgeschaffte praktische Ausbildung der Lehrer wieder eingeführt werden. Nicht zuletzt müssen die Reformpläne ins Geld gehen, weil Hollande die heilige Kuh des bisher recht eigentümlichen französischen Unterrichtsrhythmus schlachten will.

Frankreichs Schulsystem zeichnet sich durch überdurchschnittlich lange Ferienzeiten und vor allem einen Vierwochentag an den Volksschulen aus: Mittwochs ist schulfrei. Dafür müssen an den anderen Tagen selbst Vorschüler Unterrichtstage mit bis zu neun Schulstunden - von 8.00 bzw. 9.00 bis nach 17.00 Uhr - absolvieren. Das will Hollande nun ändern: Die Ferien sollen ab dem Schuljahr 2013/2014 kürzer werden, die Schultage auch, dafür soll auch für Lehrer und Schüler künftig die Fünftagewoche gelten.

Elternverbände in heller Aufregung

Die postwendende Aufregung französischer Elternverbände über die geplanten Änderungen bei den Unterrichtszeiten zeigt, was für ein Ausreißer Frankreich in der europäischen Bildungslandschaft immer noch ist: Sosehr sich die Eltern daran gewöhnt haben, die Betreuung ihrer Kinder am bisher schulfreien Mittwoch zu organisieren, so sehr raufen sie sich nun die Haare, weil die Kinder künftig schon am späten Nachmittag nach Hause kommen könnten.

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