Liberalisierung als Beinahe-Allheilmittel
Bis Frank Stronach sein Parteiprogramm fertig hat, sollen noch einige Monate ins Land ziehen. Der hoffnungsfrohe Neopolitiker legte allerdings kürzlich bereits ein rund 30-seitiges „Grundsatzprogramm“ vor, das auf seiner Website zum Download bereitsteht. Als zentrale Werte werden „Wahrheit, Transparenz und Fairness“ genannt.
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Die Schlagworte finden sich auf Plakaten und Foldern ebenso, wie sie Stronach bei der Präsentationspressekonferenz seiner Partei beständig wiederholte. Im Internet kursieren wegen der Abkürzung WTF (im Englischen kurz für „What the fuck"/etwa: "Was zur Hölle“) bereits entsprechende Witzeleien. Ein Ehrenkodex soll Stronachs Team auch zur Einhaltung dieser Grundsätze verpflichten, was Stronach Ende September mit den Worten kommentierte: „I geb’ doch ka Geld rein und dann hab’ i an Sauhaufen.“
Vorwahlen und „Fair Tax“
Die als „Leitlinien“ zusammengefassten allgemein formulierten Positionen atmen wirtschaftsliberalen Geist. In Fragen des Sozial-, Gesundheits- und Pensionssystems will man die Österreicher freilich nicht mit Attacken auf sozialstaatliche Grundlagen verängstigen, und auch beim Bildungsthema will man „niemanden zurücklassen“. Stronach ist gegen Staatsschulden und für ein ausgeglichenes Budget. „Wir verpflichten unsere Mandatare, ausschließlich einem ausgeglichenen Staatshaushalt zuzustimmen“, heißt es wörtlich.

ORF.at/Carina Kainz
Stronach bei der Präsentation seiner Partei Ende September
Weiters will man die „aufgeblähte Verwaltung“ reduzieren und „Gesetze vereinfachen“. In Sachen Demokratie will Stronach eine Wahlreform mit Vorwahlen in den einzelnen Wahlkreisen. „So kann der Bürger schon vor der Wahl mitentscheiden, wer auf die Wahlliste kommt.“ In diesem Sinn gehört nach Stronachs Dafürhalten auch das österreichische Steuersystem auf einen einheitlichen Steuersatz, den Stronach „Fair Tax“ nennt, vereinheitlicht. Firmen, die Gewinne in Österreich reinvestieren, könnten überhaupt befreit werden, schlägt er dabei vor.
Auch eigene Steuervorteile „absurd“?
Die Höhe des künftigen Steuersatzes werde sich „im Laufe der Zeit finden“, heißt es im Papier. Bei seiner Pressekonferenz sprach Stronach von möglicherweise 25 Prozent in einigen Jahren. Arbeitnehmer sollten an Unternehmensgewinnen beteiligt werden, dafür brauche es wiederum steuerliche Anreize. Die gegenwärtige österreichische Gruppenbesteuerungsregelung, von der vor allem multinationale Konzerne wie Magna profitieren, hält Stronach dagegen für „absurd“, wie er sagte.
Stronachs wohl nicht restlos durchdachter Ansatz zur Bewältigung der Euro-Krise ist bereits bekannt: „Jedes Land im Währungsverbund könnte seinen eigenen Euro haben.“ Benchmark wäre der „deutsche Euro“, die Aufteilung der Geldmengen auf die Länder würde - nach deren Wünschen - durch eine „europäische Kontrolleinrichtung“ geschehen. Sonst will Stronach nicht so viel EU-Kontrolle, er lehnt „jede Art der Zentralisierung und Abschaffung der nationalen Souveränität entschieden ab“.

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Kritische Fragen nach seiner eigenen Steuerleistung verbat sich Stronach. Eine entsprechende Wortmeldung aus dem Publikum quittierte er mit der Gegenfrage, ob der Fragende ein „Gesandter der Roten Armee“ sei.
Von Justizreform bis Turnunterricht
Im Justizbereich plädiert Stronachs neue Partei für die Wiedereinführung der Untersuchungsrichter und stellt die „Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte infrage“. In Sachen Bildung will er eine Reform der Lehrerausbildung und einen Schwerpunkt auf „Individualförderung“. Er tritt zudem für eine Art Ausbildungsgarantie bis 18 ein. Studiengebühren will er für Studienrichtungen, die „kaum oder gar nicht von der Wirtschaft nachgefragt werden“.
Stronachs Bewegung fordert auch ein einheitliches Jugendschutzgesetz. Kulturfinanzierung dürfe sich nicht auf öffentliche Förderung allein verlassen, sondern brauche einen „entsprechenden Eigenfinanzierungsanteil“. Sponsoring an nicht gewinnorientierte Institutionen soll steuerlich absetzbar sein. Im Sportbereich tritt Stronach für „Strukturänderungen“ ein. In der Pressekonferenz fügte er offenbar aus dem Blauen heraus hinzu, er sei für mehr Sport im Unterricht: Nicht umsonst habe Österreich „in London keine Medaillen“ gemacht.
Konkurrenz soll Gesundheitssystem billiger machen
Ebenso soll die Schule die Kinder zu gesunder Ernährung anhalten, sagte Stronach. Diese sollten nach Hause kommen und ihrer Mutter sagen: „Was Du da kochst, ist nicht gut für mich.“ Im Gesundheitssystem schweben Stronach außerdem staatlich verordnete Preise für die Leistungen des öffentlichen Gesundheitswesens vor. Private Anbieter sollen dazu in Wettbewerb treten, sprich, die gleichen Leistungen zu freien Preisen anbieten können. Dadurch - so glaubt Stronach - „sinken die Preise, und die Qualität der Leistung steigt“.

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Konkurrenz belebt das Geschäft
Die Sozialversicherungsträger sollen zusammengelegt werden. In Sachen Pensionen will Stronachs Team ebenso eine Harmonisierung und ein Pensionskonto. Das Sozialsystem muss seiner Ansicht nach „Treffsicherheit“ gewährleisten: Zwar bekennt sich die neue Partei zu einer „Grundversorgung“, doch müsse „Eigenverantwortung“ forciert werden. Zuwanderung solle „sinnvoll und gesteuert“ vonstattengehen, und „der Bereich Asyl muss strenger gehandhabt werden“.
„Sinnlose und teure CO2-Zertifikate“
Umweltpolitik steht bei Stronach auch für Energiepolitik, wo er gegen die „sinnlosen und teuren CO2-Zertifikate“ ist. In sicherheitspolitischen Fragen tritt das Grundsatzprogramm für eine Entlastung der Exekutive durch einen - unbewaffneten - Ordnungsdienst ein, Verwaltungsübertretungen ahnden soll. Das Bundesheer soll ein Freiwilligenheer werden, auch diese Position Stronachs war bereits bekannt. Zwei Jahre schwebt ihm für den Dienst an der Waffe vor. Auch Zivildiener sollen freiwillig einrücken.
Recht allgemein gehalten sind die Positionen zur Landwirtschaft (gegen „überbordende Bürokratie“ seitens der EU) und zum ländlichen Raum (braucht Stärkung). Unter dem Punkt „Verkehr und Infrastruktur“ schließlich hält Stronach, der mit seinem Interesse für die ÖBB kurz für Aufsehen sorge, fest, dass es einen „Wettbewerb der Verkehrsträger nach marktwirtschaftlichen Prinzipien“ brauche. Stronach selbst räumte allerdings am Donnerstag ein, „die Partei ist noch ziemlich neu“, „gewisse Grundwerte“ seien aber doch vorhanden.

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„Ich bin der, der die Werte vorgibt“
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