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Unklare „strategische Beratungen“

Als erster Zeuge im Korruptions-U-Ausschuss hat am Dienstag der frühere Verantwortliche für den Blaulichtfunk im Kabinett des Innenministeriums, Wolfgang Gattringer, zur umstrittenen Neuvergabe unter Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) Stellung genommen. Schmiergeldvorwürfe wies Gattringer entschieden zurück. Er zeigte bei seiner Befragung - wie viele Zeugen zuvor - einige Erinnerungslücken.

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Dass der letztlich siegreiche Anbieter Motorola eine Jagd in Schottland bezahlt hatte, an der auch Gattringer teilnahm, habe er nicht gewusst, so der frühere Beamte. Zur Jagd in Schottland sei er von Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly eingeladen worden, sagte Gattringer. Trotz eingehender Befragung und Vorlage einer Namensliste konnte sich Gattringer an seine Mitjäger in Schottland nicht erinnern und nannte keinen einzigen Namen, auch das genaue Datum war ihm entfallen.

„Sie waren Motorola 1.750 Pfund wert“

Auf die Frage, warum er sich überhaupt auf eine schottische Jagd inklusive Flug einladen lassen hatte, meinte Gattringer, er sei ja von Mensdorff-Pouilly und nicht von Motorola eingeladen worden. Der Grüne Peter Pilz zweifelte daran, denn bei dieser Einladung sei allen klar gewesen, wer einlade und wer bezahle: „Sie waren Motorola 1.750 Pfund (2.171 Euro) wert beim Jagdausflug in Schottland - wenn Sie geschossen haben“, so der Grüne.

Gattringer hatte von Februar 2003 bis Ende 2006 im Kabinett des Innenministeriums gearbeitet, zunächst für Strasser und dann für dessen Nachfolgerin Liese Prokop (ÖVP). Im Innenministerium war er für das Behördenfunkprojekt zuständig und bei der umstrittenen Aufkündigung des Vertrags mit dem Mastertalk-Konsortium und bei der Neuvergaben an Motorola und Alcatel dabei. Im Februar 2007 ging er zu Alcatel-Lucent.

Flinker Wechsel zu siegreicher Firma

Seinen eigenen Wechsel vom Ministerium zu Alcatel, mit Motorola Gewinner der umstrittenen Neuvergabe des Behördenfunks, verteidigte Gattringer: „Es ist ganz normal dass man von den Partnern Angebote bekommt, die gesehen haben, wie man arbeitet.“ In der Befragung durch den FPÖ-Abgeordneten Walter Rosenkranz wies Gattringer „Unterstellungen“ als „nicht fair“ zurück: Er sei im Ministerium für Informationstechnologie zuständig gewesen und müsse doch seine dort erworbenen Kompetenzen nutzen dürfen.

Dass Strassers Kabinettschef Christoph Ulmer einige Tage nach seiner Karenzierung vom Ministerium Ende Mai 2004 einen Werkvertrag erhielt, sei der Wunsch Strassers gewesen, sagte Gattringer. Ulmer habe „strategische Beratung in Technologieprojekten mit dem Schwerpunkt Behördenfunk“ geleistet. Pilz wunderte sich, Ulmer sei im Kabinett doch gar nicht mit dem Projekt befasst gewesen. Ulmer habe auf der politisch-strategischen Ebene gearbeitet, damit das Projekt „politisch sauber über die Bühne geht“, sagte Gattringer.

Ulmer auf geheimer Mission

Kurz vor dem Zuschlag durch das Ministerium an Motorola führte Ulmer mit Vertretern von Motorola und einer weiteren Firma Gespräche in London. Dass es über Ulmers London-Reise zwar eine Spesenabrechnung gebe, die das Ministerium bezahlt habe, aber keine Dokumentation der Inhalte im Ministerium auffindbar seien, wundert Gattringer nicht: Ulmers Mandat sei eine „ehrenamtliche strategische Beratung“ gewesen. „Mir ist nicht die Idee gekommen, dass man ehrenamtliche Beratung mit Dokumenten absichern muss“, empörte sich der frühere Beamte.

Auffällige zeitliche Abfolge

Laut Pilz traf sich Ulmer am 17. und am 23. Mai 2004 mit Motorola und einer weiteren Firma in London, war am 3. Juni wieder kurz in Wien und führte am 7., 9. und 15. Juni weitere Gespräche in London mit Motorola und einer weiteren Firma. Am nächsten Tag habe Motorola dem Vertreter von Valurex Bescheid gegeben, man sei im Geschäft. Über die panamesische Briefkastenfirma Valurex sollen 2,6 Mio. Euro von Motorola an Mensdorff-Pouilly geflossen sein.

In einem ursprünglichen Entwurf des Dokuments für die Zahlung von Beraterleistungen sei noch Mensdorff-Pouilly als Subunternehmer von Valurex genannt worden, so Pilz unter Berufung auf eine Einvernahme von Motorola-Anwalt Marcus Asner am 6. März 2012. Mensdorff-Pouilly und die übrigen Beschuldigten dementieren jeglichen Korruptionsvorwurf. Ulmer sei am 19. Juni 2004 nach Wien zurückgeflogen, hielt Pilz fest. Zwei Tage später habe sich das Innenministerium für Motorola entschieden.

Querverbindungen zu ÖVP Niederösterreich

Gattringer war auch mit Ulmer mehrmals in Chicago, dem Sitz des Konzerns Motorola, der schließlich mit Alcatel und der Telekom Austria (TA) den Auftrag für die Schaffung des Blaulichtfunks erhielt. „Es ist entscheidend, mit Entscheidungsträgern vor Ort in direktem Kontakt zu sein“, betonte er. In Chicago habe man alle relevanten Personen im US-Konzern getroffen. Rund um den Behördenfunk hatte das Innenministerium mehrere Verträge an externe Berater vergeben.

Gattringer selbst soll den Niederösterreicher Ernest Gabmann junior als technischen Berater vorgeschlagen haben - woran er sich am Dienstag nicht mehr erinnern konnte, was er aber auch nicht in Zweifel zog. Gabmann ist Sohn des gleichnamigen engen Vertrauten von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), Ernest Gabmann senior. Gattringer sagte, das Innenministerium habe „externe Unterstützung“ benötigt. Er habe Gabmann junior gekannt und diesen daher wohl vorgeschlagen, sagte Gattringer.

An den damaligen Abteilungsleiter im Ministerium, Peter Skorsch, war ebenfalls ein Werkvertrag vergeben worden, parallel zu seiner Tätigkeit im Ministerium, so Rosenkranz. Skorsch habe insgesamt 126.165 Euro erhalten, was auch der Rechnungshof kritisiert habe. Gattringer meinte, er habe den Vertrag mit Skorsch nicht abgeschlossen, aber davon gewusst.

„Billige“ Abschlagszahlung von 29,9 Mio.

Kritik an der Vertragsaufkündigung mit dem ersten Konsortium Mastertalk und an der Neuvergabe wies Gattringer zurück. Das Mastertalk-Konsortium habe kein zuverlässiges Funknetz liefern können. Dass sich die Republik trotzdem mit einer Vergleichszahlung in der Höhe von 29,9 Mio. Euro aus dem Vertrag löste, verteidigte er. Insgesamt sei die Beschaffung damit trotzdem „für die Republik billiger geworden, das kann nicht schlecht sein“. SPÖ-Fraktionsführer Otto Pendl entgegnete empört, „Horrorsummen des Steuerzahlers“ habe das Ministerium ausgegeben, obwohl das Behördenfunknetz noch immer nicht funktioniere.

Das Netz sei zwar nicht flächendeckend, räumte Gattringer ein, „aber wo es gebaut wurde, funktioniert es“. Ein Netz gebe es erst in drei Bundesländern, in sechs überhaupt nicht, „das kann man nicht schönreden“, hielt Pendl dem entgegen. Das Innenministerium hätte zuerst alle Bundesländer und die Blaulichtorganisationen ins Boot holen müssen. Das Land Tirol habe damals mit einem Alleingang gedroht, deswegen habe man das Projekt ausgeschrieben, so Gattringer. „Das ist eine Frage des Föderalismus.“

Noch eine Erinnerungslücke zum Abschluss

Gefragt zu den Gratishandys von Motorola an ausgewählte Mitarbeiter im Innenministerium konnte sich Gattringer nicht mehr erinnern, ob er ein solches Handy bekommen habe oder nicht. „Das hat für mich keine Relevanz, ein Handy ist bestens geeignet, einen zu versklaven“, meinte er. Auf die Frage des BZÖ-Abgeordneten Stefan Petzner, ob eine solche Geschenkannahme allenfalls vereinbar sei, antwortete Gattringer, er sehe bei dieser Frage „die Relevanz nicht“.

Berater von Vertragsauflösung „überrascht“

Befragt wurde am Dienstag Michael Schussek, damaliger Geschäftsführer der Beraterfirma Austroconsult, welche die erstmalige Vergabe des Projekts („Adonis“) durchführte. Hauptverantwortlich für das damalige Scheitern des Projekts ist aus Schusseks Sicht zwar das Konsortium Mastertalk: Dieses habe das Projekt unterschätzt - dennoch sei er von der Vertragsauflösung „überrascht“ gewesen, sagte Schussek. Es habe keinen zwingenden Grund dafür gegeben, die technischen Probleme hätte man lösen können.

Nichts wirklich Aufregendes hatte zuvor die Befragung von Elisabeth Sleha ergeben, ehemalige Leiterin der für Funk zuständigen Abteilung im Innenministerium. Sie argumentierte, externe Experten seien notwendig gewesen, weil es sich um ein kompliziertes und vielschichtiges Projekt gehandelt habe, das ohne externe Beratung nicht bewältigt hätte werden können. Die Leistungen von Austroconsult habe man positiv beurteilt.

Auch Nordberg Gast auf Jagden

Noch einen weiteren Gast bei Mensdorff-Pouillys Jagden förderte der U-Ausschuss am Dienstag zutage: Der Rechtsanwalt Christian Nordberg, der das Innenministerium rechtlich in Sachen Blaulichtfunk beraten hat, war bei einer Jagdveranstaltung zu Gast - obwohl er keinen Jagdschein hat, wie er sagte. Nordberg scheint laut Grünen auf einer Liste zu einer Rebhuhnjagd 2005 mit vorangegangenem Abendessen, veranstaltet von Mensdorff, auf.

Er war auf so einer Veranstaltung, bestätigte der Rechtsanwalt, allerdings nicht bei der Jagd selbst, denn er habe gar keinen Jagdschein. Er gab an, nicht gewusst zu haben, dass dieses Jagdevent von Motorola bezahlt wurde. Er sei kein Jäger und wisse auch nicht, was so etwas koste. Es sei für ihn eine „Privatveranstaltung“ gewesen, ohne Zusammenhang mit dem Blaulichtfunk. Nordberg (bzw. seine Kanzlei) war eigenen Angaben zufolge im Vorfeld der Vertragsauflösung bei Adonis, beim Vergleich mit dem Mastertalk-Konsortium und bei der Neuausschreibung des Digitalfunknetzes tätig.

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