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Kein „minderschweres Vergehen“

Wie die Wiener Wochenzeitung „Falter“ vorab aus ihrer am Mittwoch erscheinenden Ausgabe berichtet, wurden jene Polizisten, die den Afrikaner Bakary J. in einer Lagerhalle im Jahr 2006 schwer verletzt hatten, vergangene Woche vom Dienst entlassen. Auch die Frühpensionierung, die zwei der Beamten mittlerweile angetreten haben, ist damit rückwirkend aufgehoben.

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Die Disziplinaroberkommission des Bundeskanzleramts entschied nach einer Rüge des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH), dass die Tat doch „kein minderschweres Vergehen“ sei. Die drei entlassenen WEGA-Beamten waren im Jahr 2009 zu acht Monaten Haft verurteilt worden. Ein vierter Polizist, jener, der den Beamten die Lagerhalle in Wien-Leopoldstadt aufsperrte, wurde damals zu einer Geldstrafe verurteilt und versieht heute immer noch Dienst.

Erster Bescheid sorgte für Aufregung

In einem ersten Bescheid war die Disziplinaroberkommission davon ausgegangen, dass das Vorgehen (Treten, Prügeln, Scheinhinrichtung durch Anfahren mit einem Polizeiauto) als „allgemein begreifliche, heftige Gemütsbewegung“ und daher „mildernd“ zu interpretieren sei. Eine Entlassung sei „nicht gerechtfertigt“.

Übergriff in Lagerhalle

Der Schubhäftling Bakary J. wurde im April 2006 bei einem Polizeieinsatz in eine Lagerhalle in Wien verschafft und dort schwer verletzt. Die Polizisten fügten dem Gambier umfangreiche Frakturen von Jochbein, Kiefer und Augenhöhle zu. Zu der Misshandlung kam es nach einem gescheiterten Abschiebeversuch.

Die Beamten seien „nicht von gewalttätiger Natur“, begründete die Kommission damals ihr Urteil, warum die Beamten immer noch ihren Dienst versehen durften. Sie hätten nach der Tat „dienstliches Wohlverhalten“ gezeigt, davor sei „tadelloses Dienstverhalten“ dokumentiert, sie seien „unbescholtene (...) und sehr verlässliche Beamte mit langjähriger Diensterfahrung“ gewesen, zitiert der „Falter“ aus der Urteilsbegründung.

„Dass sie dem Mann die Schädelknochen zertrümmerten, ihn mit dem Auto anfuhren, ihn schlugen und traten, das sei auch mit einem ‚gewichtigen Milderungsgrund‘ zu belohnen. Die Beamten hätten sich bei der Folter nämlich in einer ‚allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tat hinreißen lassen‘“, so der „Falter“ weiter. Auch das „provokante Verhalten“ des Afrikaners sei für die Beamten mildernd zu werten.

Die Reaktionen waren dementsprechend heftig. Amnesty International fand diese Rechtsmeinung „zum Speiben“. Im Innenministerium habe man die Disziplinaroberkommission nur noch „barmherzige Brüder“ genannt, berichtete der „Falter“. Der VwGH hob nun den Bescheid wegen „Rechtswidrigkeit seines Inhalts“ wieder auf.

Verteidiger erwirkte Aufschub

Im Jänner 2010 folgte die zweite - rechtskräftige - Entscheidung der Disziplinaroberkommission. Zwei Beamte seien zu entlassen, einem bereits pensionierten Polizisten alle aus dem Dienstverhältnis stammenden Ansprüche abzuerkennen, ein vierter Beamter erhielt die finanzielle Höchststrafe von fünf Monatsbezügen, so die Entscheidung. Die Beamten verzichteten auf einen Einspruch. Der damalige Anwalt von J., Josef Phillip Bischof, zeigte sich mit dem Urteil zufrieden.

Doch nur knapp drei Monate später erwirkte der Anwalt der WEGA-Beamten vor dem VwGH aufschiebende Wirkung. Ein Sprecher der Bundespolizeidirektion Wien betonte damals, dass nur der Vollzug des Oberkommissionsbescheids ausgesetzt sei, nicht der Entscheid selbst. Konkret bedeutet das, dass bis zu einem Erkenntnis des VwGH die Beamten weiterarbeiten durften bzw. ihre Pensionsansprüche geltend machen konnten.

Mit 43 Jahren in Pension

Erst zwei Jahr später, im März 2012, hakte der „Falter“ nach und stellte fest, dass zwei der Verurteilten nach wie vor ihren Dienst versehen. „Einer bei der WEGA, einer beim Landeskriminalamt Wien. Die zwei anderen Beamten, trainierte Männer, der eine 43, der andere 48 Jahre alt, haben es noch besser erwischt. Sie wurden ‚wegen psychischer Probleme‘ frühpensioniert und genießen eine stattliche Beamtenpension. Einer der Beamten ist so ‚krank‘, dass er nun nebenbei für einen privaten Sicherheitsdienst arbeitet“, hieß es in dem Artikel.

Das sorgte vor allem bei den Grünen für völliges Unverständnis. „Es macht fassungslos und schadet dem Ansehen der Polizei, dass solche Straftaten ausgerechnet bei der Polizei völlig konsequenzenlos bleiben sollen“, kritisierte Alev Korun, Menschenrechtssprecherin der Grünen. In einer dritten Runde hat das Disziplinargremium nun die Entlassungen bestätigt und die Frühpensionierung rückwirkend aufgehoben, berichtet der „Falter“, auch weil das Bundeskanzleramt nun „Druck gemacht“ habe.

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