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Kritik an milden Strafen

Die Justiz wehrt sich gegen Vorwürfe, sie sei im Umgang mit Menschenhändlern zu milde. Es gebe strenge Bestimmungen in Österreich, und man müsse sich jeden Einzelfall ansehen, sagte Christian Pilnacek, Sektionschef im Justizministerium, am Freitag im Ö1-Mittagsjournal. Opferschutzorganisationen hatten der Justiz vorgeworfen, Menschenhandel werde in Österreich als „Kavaliersdelikt“ betrachtet.

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Die Kritik hatte sich nach einigen Prozessen gegen Menschenhändler mit milden Urteilen entzündet. Zuletzt kritisierte die Wiener Interventionsstelle für Betroffene von Frauenhandel, LEFÖ, ein Urteil gegen sechs Angeklagte, die 31 Bulgarinnen auf brutale Weise zur Prostitution gezwungen hatten. Nur ein Beschuldigter war zu vier Jahren unbedingter Haft, die anderen fünf zu teilbedingten Haftstrafen verurteilt worden. Da die Untersuchungshaft angerechnet wird, waren einige direkt nach dem Urteil wieder auf freiem Fuß - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Verurteilte applaudierten

Evelyn Probst von LEFÖ empörte das besonders, denn es habe lückenlose Beweise der Polizei gegeben: „Die Angeklagten hatten mit Strafen im Rahmen von fünf Monaten bis zehn Jahren zu rechnen. Sie applaudierten im Gerichtssaal, als die Richterin das milde Urteil verkündete.“ Auch Opferanwältin Elisabeth Vlasaty sagte: „Das Urteil ist durch seine Milde sehr überraschend.“ Vor allem, dass die Strafen bedingt verhängt wurden, ist für Vlasaty „nicht begreiflich“.

Es falle auf, dass es nicht nur zu wenige Verurteilungen wegen Menschenhandels gebe, auch die Strafen fielen erschreckend niedrig aus, kritisierte die Frauensprecherin der Grünen, Judith Schwentner. „Wenn bei den Opfern nun der Eindruck entsteht, dass die österreichische Justiz Frauenhandel wie ein Kavaliersdelikt betrachtet und die Täter auf freiem Fuß davonspazieren lässt, verlieren die Opfer das Vertrauen in unser Rechtssystem und werden diese Delikte nicht mehr anzeigen“, so Schwentner.

Menschenhandel stelle ein schweres Verbrechen dar. Eine Nachjustierung des Strafrahmens im Bereich des Menschenhandels werde die FPÖ daher im Parlament einbringen, kündigte FPÖ-Justizsprecher Peter Fichtenbauer an.

Justiz widerspricht: „Beweislage schwierig“

„Man kann nicht sagen, dass die Justiz Menschenhändler generell mit Samthandschuhen anfasst“, entgegnete Pilnacek. Die Schwierigkeit sei in vielen Verfahren die Beweislage. Viele Opfer verweigerten die Aussage, oder die Aussagen seien widersprüchlich. Eine Aussageverweigerung bewirke, dass man auf die bisherigen Aussagen vor der Polizei im Ermittlungsverfahren nicht zurückgreifen darf. „Und dann gibt es halt auch für das Gericht in der Hauptverhandlung Probleme“, so der Sektionschef - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Aber die Justiz sei mitten in einem Aufholprozess, was den Umgang mit traumatisierten Opfern von Menschenhandel betrifft, sagte Pilnacek. Mit der neuen Strafprozessordnung 2008 habe sich für Verbrechensopfer viel verbessert. Seither gebe es Bemühungen, Opfer entsprechend zu unterstützen - mit Prozessbegleitung, psychosozialer Unterstützung und rechtlicher Beratung. Den Strafrahmen, zum Beispiel zehn Jahre Höchststrafe für Menschenhandel, hält Pilnacek für angemessen.

Viele Opfer haben Angst und schweigen

Der Leiter der Zentralstelle Menschenhandel im Bundeskriminalamt, Gerald Tatzgern, sagte, dass es für die Ermittler schwierig sei, überhaupt an Opfer zu kommen. Die Täter würden mit vorgetäuschter Liebe, aber auch mit Einschüchterung und roher Gewalt vorgehen. Drohungen werden nicht nur gegen die Opfer selbst gerichtet, sondern auch gegen deren Familien. Trotzdem seien die Zahlen der Verfahren zu Menschenhandel und grenzüberschreitendem Prostitutionshandel in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, betonte Tatzgern.

Schon jetzt hätten viele Opfer Angst davor, gegen ihre Zuhälter auszusagen, sagte Probst. Und wenn Urteile so ausgehen wie oben erwähnt, würden sie es sich in Zukunft noch mehr überlegen. 2010 hatte das Bundeskriminalamt eine Hotline eingerichtet. Die Erfahrung zeige, dass sich dort nur wenige Opfer melden, dafür aber Kunden von Prostituierten, die anonym Missstände aufzeigen wollen, so Probst.

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