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Westbahn, Billig-TGV und Reisebusse

Mit einer Beteiligung an der im Dezember gestarteten Westbahn hat die französische Staatsbahn (SNCF) zuletzt auch in Österreich von sich reden gemacht. Dabei handelt es sich allerdings nur um eines von mehreren Beispielen, wo die Franzosen derzeit Expansionspotenzial orten.

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Konkret gearbeitet wird etwa am Einstieg ins internationale Geschäft mit Reisebussen. Noch vor Beginn der Olympischen Sommerspiele in London am 27. Juli sollen die ersten SNCF-Busse ihren Betrieb aufnehmen, sagte die Leiterin des Passagierverkehrs, Barbara Dalibard, in einem Interview mit der Wirtschaftszeitung „Les Echos“. Den Angaben zufolge hat die SNCF zunächst 46 Reisebusse gekauft. Drehkreuz soll das nordfranzösische Lille sein, von dort sollen mehrere große Städte angefahren werden. Geplant sind zunächst Verbindungen nach Paris, London, Brüssel und Amsterdam.

Dalibard zufolge gebe es eine starke Nachfrage nach öffentlichen Verkehrsmitteln, auf die man nun reagieren wolle. Geplant sei ein „populäres Angebot“, das zugleich Qualität und Komfort biete. Mit dem neuen Angebot namens „Speed“ will die SNCF den Reisebussen Eurolines und Megabus, einer Filiale des britischen Transportunternehmens Stagecoach, Konkurrenz machen. Diese bietet seit dem 12. April Busverbindungen zwischen London und Paris zu Lockpreisen ab einem Euro an.

Hochgeschwindigkeitsnetz vor Ausbau

Außerdem arbeitet die SNCF nach Angaben Dalibards an einer preisgünstigen Variante des französischen Hochgeschwindigkeitszuges TGV. Dieses Angebot sei für Kunden gedacht, die mehr Wert auf preisgünstige Tickets als auf Komfort und Service legten. Zudem will das Unternehmen die internationalen TGV-Verbindungen ausbauen.

Derzeit gibt es bereits TGV-Verbindungen von Paris nach Mailand, nach Stuttgart und nach München. Im März startete die SNCF zudem in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn eine TGV-Verbindung von Frankfurt via Straßburg, Lyon und Avignon nach Marseille. Die deutschen ICE-Züge wiederum verkehren seit fünf Jahren zwischen Frankfurt und Paris.

Westbahn-Beteiligung als Testballon

Die Beteiligung an der österreichischen Westbahn wird von den Franzosen vor allem als Test betrachtet. Ob die SNCF ihre Sperrminorität von knapp über 25 Prozent tatsächlich aufstocken will wie in Österreich immer wieder kolportiert, ist derzeit offen.

Falls die SNCF ihre Beteiligung an der Westbahn von 25,93 Prozent aufstocken wolle, brauche man dazu natürlich einen Partner, der seinen Anteil verkaufen wolle, erläuterte SNCF-Finanz- und -Strategievorstand David Azema. Es brauche immer zwei Partner für ein Geschäft, so Azema. Bei der Westbahn halten STRABAG-Chef Hans-Peter Haselsteiner, Ex-ÖBB-Manager Stefan Wehinger und die Schweizer Augusta Holding die übrigen Anteile.

Von der bisherigen Entwicklung des Projekts zeigt sich SNCF-Generaldirektor Guillaume Pepy bisher „sehr beeindruckt“. Durch die Westbahn werde der Intercity-Verkehr „neu erfunden“, so Pepy. Die ÖBB würden unter der Konkurrenz nicht leiden, sondern davon profitieren, ist der SNCF-Manager überzeugt. Im eigenen Land muss Konkurrenz im Bahnpersonenverkehr jedoch noch einige Jahre warten: In Frankreich wird der Wettbewerb im Personenverkehr auf der Schiene erst in einigen Jahren möglich. Hingegen ist der Frachtbereich schon geöffnet - hier verlieren die Franzosen Marktanteile an die Deutsche Bahn.

Beteiligungen auch in Italien

Die Franzosen stecken aber nicht nur in Österreich ihre Claims ab: In Italien halten sie 20 Prozent an der Gesellschaft Nuovo Trasporti Viaggatori (NTV), deren erste Hochgeschwindigkeitszüge nun ihren Betrieb aufgenommen haben. Bei den Hochgeschwindigkeitszügen sieht sich die SNCF als führend in Technologie und Vermarktung in Europa. Die bereits 1981 gestarteten TGVs seien eine Erfolgsstory, die die Franzosen gerne auf andere Länder übertragen wollen. „Es kommt Dynamik in Europas Zugsgeschäft“, meint Pepy.

Kritik an EU-Vorgangsweise

Unzufrieden zeigt man sich bei der SNCF unterdessen mit der EU: Brüssel schieße beim „Unbundling“, der Entflechtung von Netz und operativem Betrieb, übers Ziel hinaus. Die EU vergesse SNCF zufolge den globalen Wettbewerb und konzentriere sich zu sehr auf den Wettbewerb innerhalb der EU-Grenzen. Wenn Europa auch in Zukunft globale Player wie die SNCF und die Deutsche Bahn haben wolle, dann dürften diese nicht mit ineffektiven Strukturen kämpfen müssen, wird von der Staatsbahn argumentiert.

Im Lobbying gegen Brüssels Bemühungen will die SNCF nun auf einen Schulterschluss mit der Deutschen Bahn setzen: Das DB-Modell eines „integrierten Konzerns“ sei für die Franzosen das Vorbild. Die Trennung von der Infrastrukturgesellschaft RFF will die SNCF lieber heute als morgen wieder rückgängig machen. Zu viele Konfliktfälle hätten gezeigt, dass diese Struktur nicht das beste Modell für einen effektiven Bahnbetrieb sei. Außerdem sei eine eigene Infrastrukturgesellschaft kein Garant für fairen Wettbewerb: In Spanien gebe es trotz getrennter Strukturen einen komplett abgeschotteten Bahnmarkt.

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