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„Es braucht mehr Konkurrenz“

Mit der ersten regulären Fahrt eines Hochgeschwindigkeitszuges der privaten Bahngesellschaft Nuovo Trasporto Viaggiatori (NTV) startet in Italien ab Samstag das bereits im Vorfeld mit Spannung erwartete Duell mit dem bisherigen Monopolisten Trenitalia.

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Bedient wird zunächst die Strecke von Neapel nach Mailand, samt Zwischenstopps in Rom, Florenz und Bologna. Bis zum Herbst sollen Direktverbindungen zwischen Mailand und Rom sowie ein Streckenausbau nach Turin, Venedig und Salerno folgen.

Frontansicht des NTV

dapd/Alstom/NTV

Frontansicht des von Alstom gebauten „Italo“

Geht es nach Ferrari-Präsident Luca Cordero di Montezemolo, der als NTV-Präsident auch die Galionsfigur des ehrgeizigen Projektes darstellt, würde man „natürlich auch gerne aus Italien hinausfahren“, wobei laut „Süddeutscher Zeitung“ neben München auch Wien bereits als mögliches Ziel genannt wurde. Ob und wann das der Fall sein könnte, steht derzeit allerdings noch in den Sternen - gilt es doch vorher, sich mit den roten „Italo“-Zügen auf heimischem Terrain zu behaupten.

Auch Schuhtycoon mit an Bord

An NTV sind neben Luca Cordero di Montezemolo auch der Schuh- und Handtaschenunternehmer Diego della Valle, Besitzer des Tod’s-Konzerns, und Bahnmanager Giuseppe Sciarrone beteiligt. Mit an Bord ist zudem die französische Staatsbahn SNCF.

„Ryanair und Ferrari“

Dort sieht man sich im „Frecciarossa“ („Roter Pfeil“), „Frecciargento“ („Silberpfeil“) und „Frecciabianca“ („Weißer Pfeil“) von Trenitalia jedenfalls mit einem ebenbürtigen Partner konfrontiert, wie Di Montezemolo laut der Zeitung „L’Occidentale“ eingestand. Grund dafür seien nicht zuletzt die jüngsten, laut Di Montezemolo „konkurrenzbedingten“ Investitionen der für den Personen- und Güterverkehr zuständigen Tochtergesellschaft der italienischen Staatsbahnen (Ferrovie dello Stato, FS). Zuletzt hätten sich sowohl Service als auch Angebot bei den FS verbessert, weswegen die NTV-Konkurrenz bereits jetzt positive Auswirkungen auf den italienischen Zugsverkehr habe.

Innenansicht des NTV

dapd/AP/Gregorio Borgia

Innenansicht des laut NTV „modernsten Zuges von Europa“

Das NTV-Projekt habe aber auch aus anderen Gründen Vorbildcharakter, so der immer wieder für politische Ämter gehandelte Di Montezemolo. Das 1,1 Milliarden schwere Investment, im Rahmen dessen auch rund 1.000 Jobs geschaffen wurden, sei demnach für das krisengeschüttelte Italien ein wichtiges Wachstumssignal. Selbstbewusst zeigt man sich bei NTV aber auch mit Blick auf die eigenen wirtschaftlichen Ziele: Bereits in zwei bis drei Jahren sollen bis zu neun Millionen Fahrgäste von den Qualitäten des „Italo“ überzeugt werden, was einem Marktanteil von 25 Prozent im Hochgeschwindigkeitssegment entsprechen würde. Erstmals schwarze Zahlen werden ab 2014 erwartet.

Punkten will NTV im Duell mit Trenitalia allerdings nicht nur an der Preisfront, sondern laut Di Montezemolo vielmehr mit einer „Firmenphilosophie, die Ferrari und Ryanair“ in sich vereine. FS-Chef Mauro Moretti zeigte sich dennoch gelassen und versprach gleichzeitig, dass Trenitalia auch preislich mit der neuen Konkurrenz mithalten könne. Auch bei der derzeitigen maximalen Reisegeschwindigkeit von rund 300 km/h sei man mit NTV gleichauf. Dank neuer, bereits im Bau befindlicher Züge seien künftig selbst 360 km/h möglich, wie Moretti gegenüber der Wirtschaftszeitung „IlSole24Ore“ ankündigte.

Italiens Hochgeschwindigkeitszug "Italo" und der "Frecciarossa

AP/Gregorio Borgia

Erster Kontakt der künftigen Kontrahenten bei der „Italo“-Jungfernfahrt

Verstärkte Konkurrenz auch im Regionalverkehr?

Di Montezemolo deutete unterdessen an, dass der „Italo“ erst der Anfang seines Engagements im italienischen Zugsverkehr sein könnte. Außer Frage stehe demnach, dass es nicht nur im Hochgeschwindigkeitssektor, sondern auch im Regionalverkehr und beim Gütertransport mehr Konkurrenz brauche, so Di Montezemolo gegenüber der Tageszeitung „Il Giornale“.

Trotz Liberalisierung des Bahnverkehrs bewegt man sich in Italien laut Di Montezemolo weiter auf „sehr niedrigem“ Niveau. Potenzial werde von NTV etwa in Tourismusregionen geortet, beispielsweise mit einer privat betriebenen Strecke, die von Mailand über Genua entlang der Cinque Terre bis in die Toskana führen könnte.

Premiere endete mit Pleite

Als lukrativ wurde Ende 2010 von Italiens erstem privatem Regionalbahnbetreiber Arenaways auch die Strecke Turin - Mailand betrachtet. Aufgrund verweigerter Genehmigungen und weiterer FS-Hürden folgte im Vorjahr die Pleite und zuletzt der Verkauf an einen neuen Investor - bis auf weiteres bleibt der Betrieb laut Firmenwebsite eingestellt.

Peter Prantner, ORF.at

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